Ärztekongress:Wenn der Arzt auf Reisen ist, sterben weniger Herzinfarktpatienten

Hochtaunus-Kliniken Bad Homburg

Es könnte sein, dass Spezialisten während ihrer Dienstzeit ein paar Aspekte vernachlässigen.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Eine bestimmte Patientengruppe an Infarktpatienten hat mitunter bessere Überlebenschancen, wenn die zuständigen Experten gerade auf einem kardiologischen Fachkongress sind.

Von Jing Wu

Wenn Infarktpatienten ins Krankenhaus eingeliefert werden, haben sie mitunter bessere Überlebenschancen, wenn die zuständigen Experten gerade auf einem kardiologischen Fachkongress sind. Zumindest für eine bestimmte Patientengruppe hat sich dieser Zusammenhang gezeigt.

Forscher der Harvard Medical School haben Daten von über 34000 Patienten, die im Zeitraum von 2007 bis 2012 an Kliniken in den USA mit der Diagnose Herzinfarkt behandelt wurden, analysiert. Sie stellten dabei fest, dass 15,3 Prozent der Patienten in den 30 Tagen nach der Klinikeinweisung verstarben, wenn zur selben Zeit die jährliche Fachtagung Transcatheter Cardiovascular Therapeutics (TCT) stattfand. Für Patienten, die zu einer anderen Zeit in die Kliniken kamen, lag die Wahrscheinlichkeit im Monat nach dem Infarkt zu sterben bei 16,7 Prozent.

Die Ursache für die verschieden hohen Sterbewahrscheinlichkeiten ist noch nicht endgültig geklärt

Wie die Mediziner im Fachmagazin Journal of the American Heart Association berichten, trat der scheinbar paradoxe Effekt vor allem bei einer Patientengruppe mit einer bestimmten Art des Infarktes auf: Die Betroffenen hatten einen sogenannten Nicht-ST-Elevations-Infarkt erlitten (NSTEMI), bei dem das verstopfte Herzkranzgefäß in der Klinik nicht unmittelbar mit einem kleinen Drahtröhrchen, dem sogenannten Stent, offengehalten werden muss. Bei den Patienten mit NSTEMI, die keinen Stent erhielten, lag die Wahrscheinlichkeit in den 30 Tagen nach der Klinikeinweisung zu sterben, während der Fachtagung bei 16,9 Prozent. In den Wochen vor und nach der Tagung waren es 19,5 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit einen Stent implantiert zu bekommen, war zu Zeiten der Tagung genauso groß wie sonst.

Angesichts dieser Zahlen versuchte Anupam Jena, außerordentlicher Professor für Gesundheitspolitik an der Harvard Medical School, die Ursache für diese Unterschiede in der Überlebenswahrscheinlichkeit zu ergründen. Die Arbeitsgruppe fand heraus, dass die Ärzte, die an der TCT-Konferenz teilnahmen, im Durchschnitt häufiger klinische Studien leiteten, mehr publizierten und jährlich mehr Menschen mit einem akuten Herzinfarkt behandelten als ihre Kollegen, die nicht bei der Veranstaltung waren. Sie sind also wahre Experten ihres Fachs.

Die Ursache für die verschieden hohen Sterbewahrscheinlichkeiten ist noch nicht endgültig geklärt. Womöglich liegt es an der unterschiedlichen Qualität der medizinischen Versorgung der Patienten.

Jena betont, dass die Prognose eines Patienten, der keinen Stent braucht, von vielen verschiedenen Faktoren abhängig sei. Unter anderem müssten die richtigen Medikamente herausgesucht und Begleiterkrankungen korrekt behandelt werden. "Wenn ein Arzt sich zu sehr auf eine bestimmte Art der Intervention fokussiert, vernachlässigt er möglicherweise die Entwicklung anderer Fähigkeiten, die genauso wichtig sind, um die Prognose eines Patienten zu beeinflussen", sagt Jena. "Bei der Behandlung eines Herzpatienten geht es nicht nur um das Herz, sondern auch um alles andere, was der Patient mitbringt".

Es könnte sein, dass die Spezialisten während ihrer Dienstzeit ein paar dieser Aspekte vernachlässigen. Sind sie nicht im Krankenhaus, übernehmen Kollegen mit weniger Spezialkenntnissen die Versorgung, die einen etwas weniger eingeengten Blick haben.

Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler herausfinden, was genau die Ärzte, die während der Zeit der Tagungen in der Klinik bleiben, anders machen als ihre Kollegen. So möchten sie dazu beitragen, dass die Qualität in der Versorgung von Herzinfarkten erhöht und die Sterberate gesenkt wird.

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