Änderungen bei der Pflegeversicherung:Ein Reförmchen für alte und kranke Menschen

Pflegeversicherung: Was bringt 2013?

Alte Menschen brauchen Unterstützung. Doch nicht jeder wird durch die Pflegeversicherung ausreichend bedacht.

(Foto: dapd)

Mehr Geld für Demenzkranke, kleine Wohngruppen statt Heime, größere Wahlfreiheit bei den Leistungen der Pflegedienste: Das ab 2013 geltende Pflegegesetz klingt erstmal gut. Doch wie sehr profitieren Familien tatsächlich davon?

Von Berit Uhlmann

Ab 1. Januar gelten die Regelungen des sogenannten Pflege-Neuausrichtungsgesetzes. Ein Überblick darüber, was Pflegende von den Neuregelungen zu erwarten haben:

Mehr Leistungen für Demenzkranke

Verbesserungen für Demenzkranke sind das Kernstück des neuen Gesetzes. Je nach Pflegestufe können sie etwa 100 bis 200 Euro pro Monat zusätzlich erhalten. Bloß: In der Realität dürften viele Alzheimer-Patienten kaum von der neuen Regelung profitieren.

Denn nach wie vor fallen viele Demenzkranke durch das Raster des deutschen Pflegesystems, das auf körperliche Einbußen fokussiert ist. Ein Schlaganfallopfer mit einer Lähmung im Arm beispielsweise braucht Hilfe beim Essen, Anziehen und Rasieren. All die Zeit, die seine Pfleger dafür aufwenden, wird akribisch zusammengezählt und daraus die finanzielle Unterstützung ermittelt. Ein Demenzkranker dagegen kann sich in der Regel allein ankleiden und essen. Damit ist sein Hilfebedarf gering. Er fällt lediglich unter eine Sonderregelung, die so genannte Pflegestufe 0, in der er nun 120 Euro monatlich bekommt, wenn er von Angehörigen gepflegt wird.

Das Gesetz greift noch immer nicht für die Probleme, mit denen die Familien von Demenzpatienten tagtäglich kämpfen: Dass der Kranke mitunter vergisst, den Herd auszuschalten, dass er das Haus verlässt und nicht wieder heimfindet, dass er nachts nicht schlafen kann und seine Familie wachhält - dass er also rund um die Uhr betreut werden muss.

Mit seinen Regelungen für Demenzkranke bleibt das Gesetz weiter hinter dem zurück, was sich betroffene Familien und Verbände erhofft hatten. Selbst das Gesundheitsministerium räumt ein, dass die Beschlüsse nur eine Zwischenlösung seien und langfristig das gesamte System der Pflege reformiert werden müsse.

Demzufolge fällt die Kritik scharf aus: Das Gesetzeswerk verdiene den Namen "Pflege-Neuausrichtungsgesetz" nicht, weil es keine grundlegenden Reformen vorsieht, sondern Demenzkranke nach wie vor mit Sonderregelungen bedacht werden, kritisiert die Deutsche Alzheimer Gesellschaft. Der Sozialverband Deutschland prangert an, dass das Bundesgesundheitsministerium bereits zum zweiten Mal "relativ unsystematisch" Einzelleistungen für Menschen mit Demenz in die Pflegeversicherung einführt. Die Folge ist, dass es den betroffenen Familien "immer schwerer fällt, einen Überblick über die ihnen zustehenden Leistungen zu bekommen."

Betroffenen kann nur geraten werden, sich umfassend zu informieren: über Leistungen, die ihnen zustehen ebenso wie über weitere Betreuungsmöglichkeiten für Demenzpatienten, etwa ehrenamtliche Gruppen und Helfer. Ansprechpartner sind vor allem örtliche Pflegestützpunkte, Niederlassungen der Alzheimer-Gesellschaften oder die Wohlfahrtsverbände.

Vorsicht Fallstricke - Förderung für Pflege-WGs

Das neue Pflegegesetz sieht vor, dass Bewohner einer betreuten Senioren-WG künftig 200 Euro pro Monat zusätzlich erhalten. Bei Gründung einer solchen Wohngruppe soll es einen Zuschuss von 2500 Euro pro Mitglied geben. In der WG kümmert sich ein Betreuungsdienst um die Gestaltung des Alltags. Bei Bedarf kommt ein professioneller Pflegdienst zu den Bewohnern. Mit diesen familienähnlichen Wohnformen soll eine Heimeinweisung verzögert oder vermieden werden.

Prinzipiell hört sich das gut an. Doch Adelheid von Stößer, Vorsitzende des Pflege-Selbsthilfeverbands, warnt, dass sie "so viele Negativmeldungen" erreicht hätten, dass sie nur jedem raten könne, "genau hinzuschauen, worauf man sich einlässt".

Da sind zum einen die Kosten für den WG-Platz: Sie dürften in vielen Fällen deutlich höher liegen als die eines Pflegeheims. Denn für die Pflege in einer WG werden die gleichen Sätze gezahlt wie für die ambulante Pflege zuhause - und die liegen zum Teil deutlich unter denen eines Heims. Nach einer Beispielrechnung von Stiftung Warentest kann der monatliche Eigenanteil für die Wohngemeinschaft damit leicht 2000 Euro pro Person betragen.

Hinzu kommt das Problem der Pflege-Qualität. Expertin von Stösser kritisiert: "Pflege-WGs sind inzwischen zu einem Markt geworden, der von geschäftstüchtigen Dienstleistern entdeckt wurde". Da die Wohngruppen geringere Auflagen erfüllen müssen und weniger kontrolliert werden als ein Heim, sind Gewinnmargen vergleichsweise groß. Einige Dienstleister versuchten dies auszunutzen, indem sie zu wenige oder schlecht ausgebildete Pflegekräfte einsetzen. Prekär wird es, wenn der Pflegedienst zugleich der Träger der WG ist. Dann kann man ihn bei Problemen nicht so einfach wechseln.

Rechnen ist unerlässlich - Neues Bezahlsystem bei Pflegediensten

Pflegedienste dürfen ab 2013 nicht nur zur Pflege und Hauswirtschaft, sondern auch zur Betreuung von Kranken eingesetzt werden. So kann beispielsweise ein Demenzpatient stundenweise beaufsichtigt werden, damit Angehörige etwas freie Zeit bekommen.

Außerdem können die Leistungen von Pflegediensten nun anders abgerechnet werden. Bislang wurden bestimmte Hilfen pauschal gebucht: etwa Waschen, Medikamente bereitstellen, Frühstück herrichten. Für jede dieser Handlungen hatten die Pflegekräfte ein vorgegebenes, recht enges Zeitfenster.

Nun können Familien auch nach Zeitaufwand abrechnen. Sie können dann zusammen mit dem Pflegedienst entscheiden, welche Leistungen in diesem Zeitrahmen erbracht werden sollen. Damit soll stärker auf die Bedürfnisse des Pflegebedürftigen eingegangen werden.

Ist dies eine Verbesserung? Die beiden Vergütungsarten - zeitabhängig oder zeitunabhängig - können sich finanziell unterscheiden. Der Verbraucher müsse sich jetzt mit Vergleichsrechnungen auseinandersetzen, gibt die Deutsche Alzheimer Gesellschaft zu bedenken. Damit werde mehr Bürokratie geschaffen.

Der Sozialverband VdK warnt, die neuen Spielräume nützten Familien nur dann etwas, wenn sie umfassend beraten werden. Die Beratung aber liegt bei den Pflegekassen, die zugleich die Erbringer der Leistung sind und damit ein Eigeninteresse haben.

Zudem ist die Beratung schon jetzt nicht sehr gut, wie Stiftung Warentest bereits 2009 bei einer Untersuchung herausfand. Von 21 untersuchten Pflegediensten schnitten nur zwei mit der Note gut ab. Schon über die einfacheren Abrechnungsregeln informierten die meisten Pflegedienste nicht ausreichend. Nicht einmal die Hälfte konnte die Kostendetails gut vermitteln. Auch in diesem Fall lautet die Empfehlung an Betroffene, sich von unabhängigen Stellen beraten zu lassen: etwa bei Pflegestützpunkten und Verbraucherzentralen.

Welche weiteren Neuerungen das Pflegegesetz bringt, können Sie hier nachlesen.

Einen Überblick, wie hoch das Pflegegeld und weitere Leistungen aus der Pflegeversicherung im Jahr 2013 ausfallen, erhalten Sie hier.

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