Abnehmen:Essen nach der Uhr

Abends nur Salat: Hilft Essen nach der Uhr?

Abends nur ein paar Salatblättchen? Manche Diät-Ratgeber empfehlen eine solche Strategie. Wissenschaftlich bewiesen ist sie nicht.

(Foto: dpa)

Im Tierversuch scheint sich eine alte Ernährungsregel zu bestätigen: Lieber tagsüber speisen und abends fasten. Doch lassen sich die Erkenntnisse auf den Menschen übertragen?

Von Hanno Charisius

Zwei Mäuse, beide fressen die gleiche Menge vom selben Futter. Eine wird dick, die andere bleibt schlank. Schlechte und gute Futterverwertung wäre eine Erklärung, wie man sie oft auch über unterschiedlich beleibte Menschen hört. Die wirkliche Ursache liegt im Mäuseversuch allerdings in der Uhrzeit, zu der die Tiere fraßen. Die Schlanke futterte nachts, wie es sich für nachtaktive Tiere gehört. Die Dicke fraß auch, wenn es hell war.

Auf den tagaktiven Menschen übertragen, wäre das ein Nachtessen, vor dem so viele Diätratgeber warnen. Ist es ein Beleg dafür, dass abends essen dick macht? Oder etwas allgemeiner formuliert: Schlägt sich die Uhrzeit, zu der Mahlzeiten eingenommen werden, im Körpergewicht nieder?

Bei Mäusen scheint es so zu sein. Garret FitzGerald und seine Forschergruppe von der University of Pennsylvania in Philadelphia schalteten bei Labormäusen ein Gen aus, das die innere Uhr von Fettzellen justiert. Prompt nahmen die Tiere zu. Dabei fraßen sie nicht mehr als Tiere in der genetisch unveränderten Vergleichsgruppe, sondern nur zu einem anderen Zeitpunkt (Nature Medicine, online).

"Essen zur falschen Zeit führt zu Fettleibigkeit, weil der Körper die Energie aus der Nahrung dann eher in die Speicher einbaut und der Energieverbrauch insgesamt reduziert ist", vermutet FitzGerald. Dass die neue Essenszeit die Ursache ist und nicht etwa eine unvorhergesehene Folge des gentechnischen Eingriffs, bestätigte ein Kontrollversuch. Auch normale Mäuse legten an Gewicht zu, sobald sie während ihrer Ruhephasen gefüttert wurden.

Als nächstes möchte FitzGerald herausfinden, ob dieser Mechanismus auch beim Menschen existiert. Dazu will er Übergewichtige untersuchen, die nachts aufwachen, und den Kühlschrank plündern. Seiner Hypothese nach senden deren Fettzellen chemische Signale, die dieses Verhalten auslösen. Solche Botenstoffe hatte er bei den Mäusen mit den genetisch verstellten inneren Uhren gemessen.

Das klassische deutsche Abendessen ist üppig - Lieber weglassen?

Die Statistik scheint seine Vermutung zu bestätigen. Sie zeigt, dass Menschen, die in Nachtschichten arbeiten müssen, etwas häufiger zu Übergewicht neigen als Tagarbeiter. Genauso tragen Menschen mit Schlafproblemen häufiger überschüssige Pfunde. Das deutet für FitzGerald darauf hin, dass es auch dem menschlichen Körper nicht egal ist, wann er Nahrung aufnimmt. Einen Beleg dafür, dass das Weglassen des Abendessens, wie es oft von Abnehmratgebern propagiert wird, eine empfehlenswerte Abnehmstrategie sein könnte, sei das allerdings noch nicht.

Auch der Internist und Gastroenterologe Volker Schusdziarra vom Zentrum für Prävention, Ernährung und Sportmedizin am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München sieht nach den Laborexperimenten mit Mäusen keinen Anlass für eine generelle Empfehlung, das Abendessen ausfallen zu lassen.

"Der Schluss von Versuchstieren auf Menschen funktioniert nicht. Die Erfahrung zeigt, dass die Menge der Kalorien der wesentliche Einflussfaktor für das Körpergewicht ist, und nicht der Zeitpunkt des Essens oder aus welchem Nahrungsmittel sie stammen." Das sagt auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Für Forscher und übergewichtige Mäuse mögen die Resultate aus dem amerikanischen Labor aufregend sein. Für Menschen sind sie vorerst nicht von entscheidender Bedeutung.

Schusdziarra gibt allerdings zu bedenken, dass das klassische deutsche Abendessen, bestehend aus Brot und verschiedenen Belägen, selbst im Vergleich zu einer warmen Mahlzeit alles andere als karg ist. "Brotmahlzeiten sind hochkalorisch. Wenn man die abends weglässt, dann wird man wahrscheinlich abnehmen." Aber nicht, weil irgendeine komplexe Körperchemie ablaufe, sondern weil der Körper schlicht weniger Kalorien bekommen würde.

Unerheblich ist hingegen, wann im Tagesverlauf diese Kalorien eingespart werden. Dass das planvolle Weglassen allein des Abendessens eine wirkungsvolle Abnehmstrategie sein könnte, dem widerspricht auch die geringere Anzahl von Übergewichtigen in Ländern wie Italien und Frankreich, in denen abends traditionell üppig gespeist wird.

"Viel Aberglaube" in populären Diätmethoden

Hinter den Empfehlungen, nach Tagesrhythmus zu essen, stecke "viel Aberglaube", sagt Stephan Bischoff vom Institut für Ernährungsmedizin der Universität Hohenheim in Stuttgart. "Die Idee von den Essenszeiten kommt wahrscheinlich daher, dass der Stoffwechsel nachts anders ist. Man kann sagen: Der Körper fährt herunter." Den Kohlenhydraten kommt wegen ihres Einflusses auf den Blutzucker und Insulinspiegel im Körper dabei eine besondere Rolle zu. "Wer spät abends noch Kohlenhydrate isst, blockiert seinen Fettabbau für mehrere Stunden", sagt Volker Schusdziarra.

Daraus ließe sich die Empfehlung ableiten, Menschen mit Gewichtsproblemen sollten abends zurückhaltend sein mit Brot, Pasta & Co. "Der Effekt ist aber klein im Vergleich zum Einfluss der Gesamtenergiemenge, die über den Tag verteilt aufgenommen wird", sagt Schusdziarra. "Wenn man den ganzen Tag über zu viel isst, bringt es auch nichts, abends die Kohlenhydrate wegzulassen." Der Ernährungsmediziner Hans Hauner, Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin der TU München, gibt zudem zu bedenken, dass der Verzicht auf Kohlenhydrate in der Regel schwer durchzuhalten sei, "den meisten Menschen fehlt dann etwas".

Genauso wenig wie vom "Dinner cancelling" hält Stephan Bischoff davon, ein Frühstück vorzuschreiben. "Die meisten meiner Kollegen würden wahrscheinlich sagen, dass man den Tag mit einem gesunden Frühstück bestehend aus Kohlenhydraten, Fetten und Eiweiß beginnen sollte. Aber wissenschaftlich steht diese Empfehlung auf einer dünnen Basis." Oft wird behauptet, dass Menschen, die morgens nichts essen, dann im Laufe des Tages umso heftiger zulangen und die ausgelassene Mahlzeit überkompensieren. Dafür konnte Bischoff allerdings keinen Anhaltspunkt finden, als er verschiedene Studien hierzu miteinander verglich. "Frühstücksmuffel leben nicht schlechter und haben kein erhöhtes Risiko, Gewicht zuzulegen. Es gibt keine schlüssigen Daten, die belegen, dass wir ein Frühstück brauchen."

Es scheint also nicht viel dran zu sein, an dem Spruch des Volksmunds: "Iss morgens wie ein Kaiser, mittags wie ein König, abends wie ein Bettelmann." Wer allerdings nach dieser alten Ernährungsregel lebt, schadet sich offenbar auch nicht.

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