Vitamin D2 im Gebäck:Brot von der Sonnenbank

In Brüssel wird es als "Solarium-Brot" verspottet - doch das UV-bestrahlte Backwerk soll künftig EU-Bürger mit dem wichtigen Vitamin D versorgen. Der nächste Schritt könnte angereichertes Weißbier sein.

Von Javier Cáceres, Brüssel

Man hat sich längst an Begriffe wie "glückliche Hühner" und "glückliche Kühe" gewöhnt; ebenso daran, dass derlei Geschöpfe Lebensmittel produzieren, die dem Menschen zu gesünderem, mithin glücklicherem Leben verhelfen. Doch selbst dieses Glück ist nur selten vollkommen.

Umso verheißungsvoller klingt daher die Nachricht, die nun in Brüssel die Runde macht. Demnach will die Europäische Kommission ein Brot zulassen, das mit Vitamin D angereichert und somit angetan ist, das Wohlbefinden des Menschen zu steigern - das könnte bereits Mitte April der Fall sein.

Als "Solarium-Brot" wird das Gebäck in Brüssel verspottet, denn die Anreicherung mit Vitamin D soll durch die Bestrahlung mit UV-Licht erreicht werden. Den Antrag, ein solches Brot als "neuartiges Lebensmittel" europaweit zu verkaufen, hatte die schwedische Firma Viasolde AB im September 2012 eingereicht. Nun kann sie auf wohlwollende Berichte der europäischen und der finnischen Lebensmittelsicherheitsbehörden verweisen. Sie bescheinigen, dass die Methode den Ansprüchen an sichere Ernährung genüge.

Üblicherweise entsteht Vitamin D in der Haut

Dabei wird der Naturstoff Ergosterol, der bei der Hefegärung entsteht, durch UV-Bestrahlung in Vitamin D2 verwandelt. Ergosterol ist eine Art Vorstufe von Vitamin D2. Als unbedenklich gilt die Bestrahlung auch, weil die Geräte dafür dem Equipment entsprechen, "das in der Lebensmittelindustrie zu Hygienezwecken benutzt wird". Es handelt sich also mitnichten um Sonnenbänke, wie man sie aus Mittel- und Nordeuropa kennt.

Fakt ist, dass in ebendiesen Breitengraden der Vitamin-D-Mangel weitverbreitet ist. Vitamin D entsteht ja üblicherweise durch Sonneneinfluss in der Haut. Der Mediziner und Vitamin-D2-Experte Florian Barvencik vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf verweist auf eine einschlägige Studie seines Institut für Osteologie und Biomechanik: 80 Prozent der Bevölkerung Hamburgs leiden demnach an einem Vitamin-D2-Defizit, im Süden Deutschlands sei der Anteil unwesentlich niedriger.

Glückshormone und Schutz vor Knochenschwund

Bedenklich ist das weniger, weil Vitamin D die Produktion von Glückshormonen anregt. Sondern weil es vor Krankheiten wie Knochenschwund schützt. Umso begeisterter ist Wissenschaftler Barvencik von der Idee mit dem angereicherten Brot: "Es ist ein ideales Vehikel, weil der Brotkonsum im Erwachsenenalter weitgehend konstant bleibt." Das könne man von Milch und Orangensaft, die in den USA und Skandinavien angereichert würden, nicht sagen. In Deutschland ist derlei übrigens durch ein Gesetz von 1936 grundsätzlich verboten.

Dass man sich eine Überdosis Vitamin D einverleibt, ist höchst unwahrscheinlich. Viasolde erklärt auf der Grundlage des durchschnittlichen Brotkonsums pro Kopf und Tag, dass ein Mensch durch bestrahltes Brot weniger als fünf Mikrogramm oder 200 Einheiten Vitamin D pro Tag verzehren würde. Das wäre ein Viertel des täglichen Konsums, den die Experten für ratsam halten - und den man erreichen würde, wenn man täglich drei Kilo Leber, 24 Eier oder ein bis zwei Heringe verspeiste. Eine Alternative wäre theoretisch auch Weißbier. Ehe man da den gewünschten Vitamin-D-Pegel erreicht, hätte man freilich ein anderes Pegel-Problem.

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