Schneeflocken-Babys:Frau will befruchtete Eizellen einer Toten austragen

Reproduktionsmedizin Embryos Kältetanks

Social Freezing: In einem solchen Tank wie im Münchner Kinderwunschzentrum werden die Straws mit den eingefroreren Eizellen gelagert - für die spätere Verwendung.

(Foto: Florian Peljak)

Ein Mann verliert seine Frau an den Krebs. Ihm bleiben nur die befruchteten Eizellen, die Ärzte eingefroren hatten. Inzwischen hat der Mann wieder geheiratet - seine neue Frau möchte die Kinder jetzt bekommen.

Von Christina Berndt

Die Diagnose traf Martin Sanders und seine Frau Katharina wie ein Donnerschlag. Brustkrebs - mit 32! So sehr die Krankheit das Leben des jungen Paares beeinträchtigte: Sie sollte ihnen wenigstens nicht die Chance auf Kinder nehmen. Deshalb ließen die Beiden befruchtete Eizellen einfrieren, die eines Tages, wenn die Zeiten besser wären, aufgetaut werden und heranwachsen könnten.

Doch die Zeiten wurden nicht besser. Zwei Jahre später starb Katharina an ihrem Krebs. Inzwischen hat Martin Sanders wieder geheiratet - Sophie, die keine eigenen Kinder mehr bekommen kann. Deshalb würde sie gerne die Eizellen ihres Mannes und seiner ersten Frau austragen. Doch das Universitätsklinikum Freiburg, wo die Zellen, die vielleicht schon Embryonen sind, verwahrt werden, verweigert die Herausgabe. Martin und Sophie Sanders können es nicht fassen: "Lieber vernichtet man Embryonen, als dass man sie rettet", sagt er.

In wenigen Wochen wird das Oberlandesgericht Freiburg den Streit beenden. Womöglich müssen die Eheleute Sanders dann den Tod ihrer Wunschkinder in Kauf nehmen. Für sie steht jetzt schon fest: Sollten sie unterliegen, dann werden sie diese Zellen, die für sie wie Babys sind, beerdigen. Im Grab bei Katharina.

"Ich hätte es nie gewagt, ihr diesen Vorschlag zu machen."

In einem langen Gespräch hat das religiöse Paar der SZ erzählt, weshalb das Austragen der Embryonen für sie alternativlos ist und wie sie damit umgehen werden, wenn die verstorbene erste Ehefrau auf diese Weise stets Teil ihrer Familie bleiben wird, ja wenn eines Tages gar eine kleine Katharina in ihrem Wohnzimmer herumspringt. Sophie sei selbst auf die Idee gekommen, betont Martin Sanders: "Ich hätte es nie gewagt, ihr diesen Vorschlag zu machen."

Nur wenige Bekannte sind bisher in die Pläne für die ungewöhnliche Familiengründung eingeweiht. "Das Thema ist noch nicht gesellschaftsfähig", sagen die beiden, weshalb sie in diesem Text auch anders heißen als im wirklichen Leben. "Wir haben uns viel anhören müssen, das nehmen wir auch in Kauf. Aber wir wollen die Kinder schützen. Sie sollen eines Tages selbst entscheiden, wem sie sich anvertrauen wollen", erklärt Martin Sanders. Schließlich könnten die Kinder aus dem Eis auch bei Außenstehenden durchaus verwirrende Gefühle hervorrufen. So würden Katharinas Eltern plötzlich Großeltern, obwohl ihre Tochter schon vor Jahren verstorben ist.

Weil die entstehenden Kinder angesichts mehrerer biologischer Eltern Probleme mit ihrer Identität bekommen könnten, möchte der deutsche Gesetzgeber eine "gespaltene Mutterschaft" eigentlich vermeiden. Doch in Deutschlands Fruchtbarkeitskliniken lagern Zehntausende eingefrorene Embryonen, die von ihren Eltern nicht mehr gebraucht werden, zum Beispiel weil deren Kinderwunsch längst abgeschlossen ist. Zahlreiche Fachleute befürworten es, diesen "Schneeflocken-Babys" die Chance auf ein Leben zu geben. Jüngst hat auch der Deutsche Ethikrat die Spende und Adoption von Embryonen grundsätzlich befürwortet. Die vielen Fragen rund um das Thema müssten endlich gesetzlich besser geregelt werden.

Der Fall der Eheleute Sanders ist in Deutschland bislang einzigartig. Nur einmal, im Jahr 2010, hat eine Frau Ähnliches gefordert: Sie wollte die Embryonen austragen, die sie mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann einfrieren ließ. Das Oberlandesgericht Rostock gab ihr am Ende recht. Es sei ja der Wunsch des Mannes gewesen, dass diese Kinder geboren werden, und eine gespaltene Mutterschaft drohte in dieser Konstellation nicht. Schwanger wurde die Frau mit den erstrittenen Embryonen aber nie.

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