Resistente Bakterien:Antibiotika nur nach Bluttest?

Noch immer werden viel zu viele Antibiotika verschrieben. Ein kurzer Test könnte klären, ob ein Einsatz der Medikamente überhaupt sinnvoll ist. Doch es geht auch noch einfacher.

Von Kai Kupferschmidt

Bald ist es wieder so weit: Die Schnupfenzeit kommt und das Wartezimmer ist voll mit Menschen, die husten, schniefen und über Halsschmerzen klagen. In etwa 80 Prozent der Fälle sind Viren die Ursache, sagt Lars Bjerrum, Allgemeinmediziner von der Universität Kopenhagen. "Trotzdem kommen die meisten Patienten mit einem Antibiotikum vom Arztbesuch zurück. Das ist ein Unding."

Forscher sind sich einig, dass Antibiotika viel zu häufig verschrieben werden. Dabei haben sie wie alle Medikamente auch Nebenwirkungen - und was noch schlimmer ist: Durch den übertriebenen Einsatz werden resistente Bakterien herangezüchtet, denen kaum noch beizukommen ist. Bjerrum hat nun mit Kollegen eine einfache Methode untersucht, den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren: einen Test, der Ärzten einen Hinweis darauf gibt, ob der Patient überhaupt ein Antibiotikum braucht.

Der Biomarker, der dafür in einem Tropfen Blut gemessen wird, heißt C-reaktives Protein (CRP), ein Eiweiß, das in der Leber produziert wird und auf eine Entzündung hinweist. Der Test ist nicht besonders spezifisch: Eine Krebserkrankung oder ein heftiger viraler Effekt können den Wert ebenso in die Höhe schnellen lassen. "Aber wenn der Wert niedrig ist, ist es sehr unwahrscheinlich, dass es sich um eine schwere bakterielle Erkrankung handelt und der Arzt kann sich das Antibiotikum sparen", sagt Bjerrum.

In einer Übersichtsarbeit für die Cochrane Collaboration haben er und seine Kollegen die Daten aus sechs Studien mit insgesamt 3284 größtenteils erwachsenen Patienten zusammengetragen. Ihr Ergebnis: Setzten Ärzte den CRP-Test ein, verschrieben sie 22 Prozent weniger Antibiotika. Die Zahl ist allerdings mit Vorsicht zu genießen. Denn die sechs Studien kamen zu recht unterschiedlichen Ergebnissen, vermutlich weil sie in unterschiedlichen Ländern gemacht wurden, mit unterschiedlichen Gesundheitssystemen.

Gespräche statt Medikamente: Vom Arzt aufgeklärte Patienten verlangen weniger Antibiotika

In Deutschland sei der Test wahrscheinlich weniger sinnvoll als in vielen anderen Ländern, sagt Attila Altiner, der das Institut für Allgemeinmedizin an der Universität Rostock leitet. In Deutschland erhalte etwa jeder zweite Patient mit einer Erkältung ein Antibiotikum. "Das ist immer noch viel zu viel, aber anderswo sind es 80 Prozent oder mehr." Bei vielen Patienten lasse sich ein Antibiotikum auch ohne den Test vermeiden, sagt Altiner. Seine Empfehlung: Den Test nur einzusetzen, wenn der Arzt wirklich unsicher ist.

Ohnehin zeigen verschiedene Studien, dass sich auch ohne den Bluttest die Zahl der verschriebenen Antibiotika deutlich reduzieren lässt: Durch Kurse, in denen Ärzten beigebracht wird, wie sie ihre Patienten darüber aufklären, dass in ihrem Fall keine Antibiotika nötig sind. Häufig hätten Ärzte nur wenig Zeit und seien mit Kranken konfrontiert, die Antibiotika wollen, sagt Bjerrum. "Einem Patienten ein Medikament zu verschreiben, ist dann meistens leichter, als ihm zu erklären, warum er keines braucht."

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