Kopfschmerzen bei Kindern:Qual in Kinderköpfen

Immer mehr Kinder erhalten die Diagnose Kopfschmerzen oder Migräne. Über die Gründe diskutieren Experten noch. Sicher scheint: Stress, Schulprobleme und Mobbing verstärken die Pein.

Von Nina Buschek

Hin und wieder einen Brummschädel zu haben, ist auch für Kinder ganz normal. Doch Experten beobachten seit Jahren, dass Kinder immer häufiger unter Kopfschmerzen leiden. Neun von zehn Schülern haben bis zum 12. Lebensjahr Erfahrungen mit Kopfschmerzen gemacht, belegt eine Untersuchung an fast 7000 Schulkindern. Kopfschmerzen können schon im Kindergartenalter beginnen. Je älter die Kinder werden, desto mehr sind betroffen. Vor der Pubertät leiden schätzungsweise vier bis fünf Prozent der Jungen und Mädchen unter Migräne.

Die Ursachen der Migräne sind längst nicht vollständig erforscht. In gewissem Maße scheint sie erblich zu sein. Die Häufung der Fälle erklärt das jedoch nicht. Ob Reizüberflutung, Leistungsdruck und volle Terminkalender Kinder zu Patienten machen oder ob Kinderärzte Migräne heute schlicht häufiger als solche erkennen, kann derzeit niemand beantworten. Sicher scheint, dass Schulprobleme, wie Stress oder Mobbing, Kopfschmerzen auslösen und verstärken können.

Mit Detektivarbeit zur Diagnose

Migräne bei Kindern zu erkennen, erfordert manchmal Detektivarbeit. Denn Kinder leiden anders als Erwachsene. Es beginnt damit, dass ihre Migräneattacken oft kürzer sind. Für Erwachsene gelten mindestens zwei Stunden als Diagnosekriterium. Bei Kindern kann die Attacke schon früher vorbei sein, selten dauert sie länger als 12 bis 24 Stunden.

Sehr starke, einseitige und pulsierende Kopfschmerzen sind typisch für Migräne. Gerade die Jüngeren können ihre Schmerzen aber nur selten so exakt beschreiben. Dazu kommt, dass Migräne bei kleinen Kindern oft beidseitig schmerzt, auch das Pulsieren kann fehlen. Die richtige Diagnose zu stellen, ist auch deshalb nicht leicht, weil Kinder häufig unter Spannungskopfschmerzen und Migräne gleichzeitig leiden.

Anstelle von Kopfschmerzen stehen bei Kindern manchmal auch ganz andere Beschwerden im Vordergrund. Das Kind klagt dann zum Beispiel über Bauchschmerzen und Appetitlosigkeit. Oder die Migräne äußert sich mit anfallsartiger Übelkeit, Erbrechen und Ruhebedürfnis. Wieder andere kleine Migränepatienten werden von Schwindelattacken heimgesucht. Bei Jugendlichen ähnelt das Beschwerdebild dann immer mehr der Migräne bei Erwachsenen.

Manche Migränesymptome sind in jedem Lebensalter gleich. Etwa dass körperliche Belastung die Attacke verstärkt. Oder dass den Kopfschmerzen eine Aura mit Sehstörungen, Gefühlsstörungen oder Sprachstörungen vorausgehen kann. Kinder berichten auch manchmal von phantastischen Bildern, die sie in der Aura-Phase sehen.

Lichtempfindlichkeit und eine Überempfindlichkeit gegen Geräusche und Gerüche sind ebenfalls klassische Begleiterscheinungen des Migräneanfalls. Was Kinder vielleicht nicht in Worte fassen können, verrät ihr Verhalten: In der Migräneattacke hört das Kind auf zu spielen. Es ist blass und zieht sich zurück. Typisch ist, dass kleine Migränepatienten in der Attacke einschlafen und kurz darauf wieder weitgehend beschwerdefrei erwachen.

Ein Kopfschmerztagebuch kann helfen, der Krankheit auf die Spur zu kommen. Dort notieren Eltern und Kind über einen längeren Zeitraum die Art, die Stärke und die Dauer der Schmerzen sowie Begleiterscheinungen.

Wie Eltern helfen können

Schlaf und Ruhe bringen Linderung

Leichten Migräneattacken kann man gut ohne Medikamente begegnen. Oft genügt es, das Kind in einem ruhigen, abgedunkelten Raum hinzulegen. Schlaf hilft hervorragend gegen Migräne.

Auch ein kaltes Tuch auf der Stirn kann Linderung verschaffen. Bei leichten bis mittelstarken Schmerzen hilft Pfefferminzöl, das man sanft an Schläfen, Scheitel und Nacken einreibt. Das ätherische Öl kann die Augen reizen. Bei kleineren Kindern muss man es deshalb weit genug vom Auge entfernt auftragen. Wenn das Kind den starken Geruch des Pfefferminzöls in der Attacke unangenehm findet, verzichtet man besser darauf.

Auf jeden Fall zum Arzt

Reicht all das nicht aus, gilt es, die Migräneattacke früh und beherzt mit Medikamenten zu unterbrechen. Wie und mit welchen, bespricht man am besten mit dem Kinderarzt.

Der Verdacht auf Migräne sollte immer Anlass für einen Arztbesuch sein. Denn erstens muss sicher ausgeschlossen sein, dass nicht etwas anderes, ernsteres hinter den Kopfschmerzen steckt. Zweitens können auch Kinder arzneimittelbedingte Dauerkopfschmerzen entwickeln, wenn sie zu viele Schmerztabletten bekommen. Drittens sind Medikamente für Erwachsene nicht automatisch auch für Kinder geeignet. Geben Sie deshalb nie Migränemittel, die einem Erwachsenen verschrieben wurden, auf eigene Faust einem Kind!

Die richtigen Schmerzmittel

Geeignete Schmerzmittel sind Ibuprofen und Paracetamol in einer dem Alter und Gewicht des Kindes angepassten Dosis. Wenn nötig, gibt man dem Kind vor der Schmerztablette ein Medikament gegen Übelkeit und Erbrechen. Mittel der ersten Wahl ist hier Domperidon. Kindern ab 12 Jahren kann der Arzt auch spezielle Migränemittel (Triptane) als Nasenspray verschreiben. Jüngere profitieren nicht davon.

Kinder unter 14 dürfen vorsichtshalber keine Acetylsalicylsäue bekommen (kurz ASS, bekannt unter dem Handelsnamen Aspirin), da die Substanz das so genannte Reye-Syndrom auslösen kann. Dabei handelt es sich um eine gefährliche, potenziell tödliche akute Erkrankung, die bei Kindern beobachtet wurde, die wegen eines fieberhaften Infekts ASS bekommen haben.

Vorbeugen ist wichtig

Migräne mag bedrohlich erscheinen, ist aber nicht gefährlich. Attacken treten seltener auf, wenn ein Kind ausreichend schläft, regelmäßig isst und genug trinkt. Auch Bewegung an der frischen Luft schützt vor Migräneanfällen. Stress dagegen verstärkt die Anfälle oft. Wer typische Auslöser der Kopfschmerzen identifiziert, kann versuchen, sie zu meiden. Es gibt aber keine "Migräne-Diät", die allen gleichermaßen hilft.

Kinder können auch lernen, den Schmerzen entgegenzusteuern, wenn sich ein Migräneanfall ankündigt. Gezielte Entspannung, etwa die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, vermag herannahende Kopfschmerzen aufzuhalten. Auch Fantasiereisen, die Kinder unter professioneller Anleitung erlernen, können den kleinen Patienten helfen und ihren Medikamentenbedarf reduzieren. Auch Biofeedback kann möglicherweise helfen. (Mehr über die nicht-medikamentösen Therapien lesen Sie hier).

Kommt die Migräne trotzdem öfter als drei Mal im Monat, dauern die Attacken über mehr als 48 Stunden an und oder lassen sie sich mit Schmerz- und Migränemitteln nur unzureichend unterbrechen, kann eine vorbeugende Behandlung mit Medikamenten sinnvoll sein. Es gibt Medikamente, welche die Häufigkeit und Schwere der Attacken reduzieren können. Die Substanzen heißen zum Beispiel Flunarizin (ein Blutdrucksenker), Topiramat (ein Epilepsiemedikament) oder Propranolol (ein Blutdrucksenker) und müssen vom Arzt verschrieben werden. Es kann bis zu drei Monate dauern, bevor man sieht, ob sie wirken. Wenn ja, sollte das Kind die vorbeugenden Tabletten mindestens ein halbes Jahr lang jeden Tag schlucken.

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