HPV-Impfung:Studie zu HPV ist ein Fest für Impfgegner

HPV-Impfung

Mädchen soll die Immunisierung gegen Humane Papillomviren (HPV) vor Gebärmutterhalskrebs bewahren.

(Foto: dpa)
  • Eine Studie in einem Fachmagazin sät Zweifel an der Impfung gegen den Auslöser von Gebärmutterhalskrebs.
  • Die Arbeit enthält nach Ansicht vieler Wissenschaftler grobe Mängel. Die Studie japanischer Forscher müsse zurückgezogen werden, fordern sie.
  • Die Wirksamkeit und Sicherheit von HPV-Impfungen ist gut belegt. Dennoch ist die Impfskepsis in einigen Ländern groß.

Von Kathrin Zinkant

Das Postfaktische hat im ausklingenden Jahr eine überraschend steile Karriere hingelegt. Vergessen wird dabei gern, dass die Ignoranz gegenüber Tatsachen keineswegs ein neues Phänomen ist - zum Beispiel was Impfungen betrifft. Aktuell betrifft es die Schutzimpfung gegen Humane Papillomviren, kurz HPV. Das zeigt ein Streit um ein Forschungspapier, das vor wenigen Wochen im Open Access Journal Scientific Reports erschien.

Japanische Wissenschaftler wollen darin belegen, dass extrem hohe Dosen des HPV-Impfstoffs Gardasil in Mäusen ein schweres neurologisches Syndrom verursachen können. Die Autoren der Studie nennen es HANS, für "HPV associated neuro-immunopathetic syndrome". Mehrfach legen die Forscher nahe, dass die Impfung das Syndrom auch im Menschen auslöst, obwohl ihre Arbeit eine solche Deutung nicht zulässt - unter anderem, weil den Mäusen eine tausendfach höhere Dosis verabreicht wurde.

Nach Angaben des Journals Science fordern nun zahlreiche Wissenschaftler von Scientific Reports, die Arbeit der Japaner zurückzuziehen - um zu vermeiden, dass sie von den Impfgegnern für weitere Kampagnen missbraucht werden kann. Die Publikation der Japaner ist ein Fest für die "Anti-Vaxxer". So werden Impfgegner genannt, die vornehmlich in sozialen Netzwerken Verschwörungstheorien über Impfstoffe verbreiten. Es ist ein Feldzug gegen den wissenschaftlichen Sachstand, denn es gibt keinen belegbaren Grund, Impfungen zu verteufeln, auch nicht Vakzine gegen Krebsviren. "Es ist wissenschaftlich unstrittig, dass die HPV-Impfung sicher und wirksam ist", sagt der Krebsimmunologe Andreas Kaufmann vom Frauenklinikum der Berliner Charité.

Das hätten zahlreiche hochwertige Studien gezeigt. Studien haben zudem belegt, wie wichtig die HPV-Impfung ist. Humane Papillomviren sind die Ursache mehrerer Krebsarten, insbesondere des Gebärmutterhalskrebses bei Frauen. Und fast jeder sexuell aktive Mensch kommt mit HPV in Berührung. Auch Männer infizieren sich und stecken ihre Partner an. Das hat Folgen. Jährlich sterben weltweit fast 270 000 Frauen an Gebärmutterhalskrebs, in Europa sind es 30 000. In Deutschland erkranken jährlich fast 5500 Frauen. Screenings können frühe Formen des Krebses zwar durch einen Abstrich sichtbar machen. Dazu müssen die Frauen aber regelmäßig zum Arzt gehen. Und verhindern kann der Abstrich den Krebs nicht.

Eine Immunisierung dagegen schützt umfassend und dauerhaft vor der Erkrankung. Der neue Impfstoff Gardasil 9 schützt sogar vor neun Typen des Krebsvirus, er könnte die Sterblichkeit an Gebärmutterhalskrebs um 90 Prozent senken. Einzige Voraussetzung: Es wird geimpft, bevor die Mädchen sexuelle Erfahrungen machen. Die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut in Berlin empfiehlt, die Immunisierung vom neunten Lebensjahr an vorzunehmen.

Die Mängel der Studie sind so gravierend, dass sie nie hätte erscheinen dürfen

Doch die Kampagnen der Impfgegner haben deutliche Effekte: Seit der Zulassung des ersten Impfstoffs vor gut zehn Jahren konnten Berichte von angeblichen Nebenwirkungen systematische Zweifel säen. In Deutschland erhält deshalb nicht einmal jedes zweite Mädchen den Schutz vor dem Krebsvirus. "Besonders schlimm ist es in Dänemark", sagt Kaufmann. Dort hätten die Anti-Vaxxer den ursprünglichen Erfolg von 90 Prozent Impfquote völlig zerstört. In Indien wurde das Impfprogramm zeitweise komplett eingestellt. Und in Japan ist die Impfquote von 70 Prozent auf nahezu null Prozent gefallen. Dabei sind es vor allem Eltern aus gebildeten, wohlhabenden Schichten, die ihre Töchter nicht mehr impfen lassen.

Fachleuten bleibt diese Verweigerung ein Rätsel. Doch sie wehren sich. Auch gegen die Studie der Japaner. Unter anderem bemängelt das belgische HPV-Präventionskomitee der Universität von Antwerpen in einem Brief an Scientific Reports die Qualität der Untersuchungen. "Der Aufbau des Experiments entspricht nicht einer Immunisierung gegen HPV, sondern stellt eine extreme Überdosierung und Manipulation dar", schreiben die Forscher. Kaufmann hält die Mängel für so schwerwiegend, dass das Papier niemals hätte veröffentlicht werden dürfen. Ob es aber hilft, wenn die Arbeit wieder zurückgezogen wird? "Der Schaden ist angerichtet", sagt Kaufmann. "Die Impfgegner werden diese Studie benutzen."

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