Organspende-Skandal in Göttingen:Auffälliger Geldtransfer

In mindestens 23 Fällen sollen Ärzte die Daten von Patienten so manipuliert haben, dass diese bevorzugt eine Spenderleber erhielten. Nun weist ein auffälliger Geldfluss vom Konto des beschuldigten Transplantationschirurgen auf Korruption hin. Zugleich berichten Mitarbeiter der Göttinger Klinik von weiteren "skrupellosen Vorgängen".

Christina Berndt

Im Göttinger Transplantationsskandal gibt es erste Indizien für Korruption. In zumindest einem Fall gab es einen auffälligen Geldfluss vom Konto des 45-jährigen Transplantationschirurgen, der der Organ-Schieberei verdächtigt wird. Der Mann, der nicht mehr am Uniklinikum Göttingen arbeitet, hat nach SZ-Informationen für einen Patienten 8765 Euro an die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) gezahlt.

Diese Transplantationspauschale erhält die Stiftung, weil sie den Hirntod des Organspenders feststellt und für Entnahme und Transport der Organe sorgt. Üblicherweise entrichten die Krankenkassen der Empfänger die Pauschalen an die DSO; ausländische Patienten nehmen die Zahlung mitunter selbst vor. Die Überweisung durch den Arzt aber sei höchst ungewöhnlich, sagte DSO-Vorstand Günter Kirste: "Dass das der behandelnde Arzt von seinem Privatkonto überweist, das habe ich vorher noch nie erlebt."

Der beschuldigte Oberarzt war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Er hat bisher aber ebenso wie der zweite Beschuldigte, der 60-jährige, inzwischen beurlaubte Leiter der Gastroenterologie, alle Vorwürfe bestritten. Den beiden Ärzten wird vorgeworfen, Patientendaten so manipuliert zu haben, dass mindestens 23 Patienten bevorzugt eine Spenderleber erhielten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Bestechlichkeit und Tötungsdelikten. Denn andere Patienten könnten durch die Manipulationen verspätet eine Leber erhalten haben und sogar verstorben sein.

Ermittelt wird zudem gegen eine Firma aus Lüdenscheid, die Ausländern medizinische Dienstleistungen in Deutschland anbietet. Diese Firma hatte einen der 23 Patienten, einen Russen, an das Universitätsklinikum Göttingen vermittelt, wo er offenkundig zu Unrecht eine Leber erhielt. Der Fall hatte die Ermittlungen ins Rollen gebracht. Es sei aber nur dieser eine Patient über die Firma ans Klinikum gelangt, sagte Klinikumsvorstand Sebastian Freytag der SZ. Die Firma bestreitet, an dem Transplantationsskandal beteiligt zu sein. Sie habe keine Bestechungsgelder gezahlt oder deren Zahlung vermittelt.

Die Unregelmäßigkeiten scheinen indes weiter zurückzureichen, als bislang angenommen wurde. Bereits vor dem Wechsel des verdächtigten Transplantationschirurgen nach Göttingen habe es in der Gastroenterologie "skrupellose Vorgänge" gegeben, bei denen Patienten mit unlauteren Methoden auf die Warteliste für eine Transplantation gesetzt wurden, berichteten Mitarbeiter unabhängig voneinander.

Dazu seien etwa Röhrchen mit Blutproben oft umetikettiert worden, sagte ein Mitarbeiter der SZ. Mitunter seien Patienten auch einfach nicht behandelt worden: So blieben ihre Blutwerte schlecht, Transplantationen erschienen dringlich. "Nahezu alle Mitglieder des ärztlichen Personals wussten von diesen Vorkommnissen", so der Insider. "Es war innerhalb der Abteilung ein offenes Geheimnis."

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