Genome Editing:Eingriffe in die Keimbahn sind kein Tabu mehr

Genome Editing: Schale mit menschlichen Embryonen in einem chinesischen Labor.

Schale mit menschlichen Embryonen in einem chinesischen Labor.

(Foto: Mark Schiefelbein/AP)

Der Ethikrat schließt nicht mehr kategorisch aus, dass Mediziner eines Tages Gene von ungeborenen Kindern verändern. Richtig so, denn damit macht er den Weg frei für die Zukunft.

Kommentar von Hanno Charisius

Da hat sich der Ethikrat aber weit aus dem Fenster gelehnt. Am Donnerstag hat das Gremium bekanntgegeben, dass es die gezielte gentechnische Veränderung des Erbguts von Embryonen zwar weiterhin ablehnt. Doch grundsätzlich schließt der Sachverständigenrat solche Eingriffe in die Keimbahn des Menschen nicht mehr aus. Voraussetzung sei in jedem Falle, dass die Technik sicher und wirksam ist, schreiben die Autoren in ihrem Papier. Ist dies gegeben, dann sollte die Technik nur mit dem Ziel eingesetzt werden, Erbleiden zu beseitigen. Aus ethischer Sicht ließen sich dann "keine Gründe für ein kategorisches Verbot solcher Eingriffe ableiten", begründen die Autoren ihr neues Votum etwas verklausuliert.

Das ist eine Überraschung. Denn der Aufschrei unter Wissenschaftlern war groß, als der chinesische Biophysiker He Jiankui im vergangenen November verkündete, das Erbgut zweier Babys gentechnisch so verändert zu haben, dass sie nunmehr gegen HIV resistent seien. Weltweit lehnten Experten solche Machenschaften ab. Viele forderten ein kategorisches Verbot, mindestens jedoch ein ausgedehntes Moratorium.

Wann es so weit sein könnte, dass die menschliche Keimbahn mit der Gen-Schere Crispr oder ähnlichen Werkzeugen bearbeitet werden darf, lässt der Deutsche Ethikrat in seinem mehr als 200-seitigen Papier allerdings offen. Das leuchtet ein, denn nur zu unklar ist, mit welcher Geschwindigkeit die Wissenschaft voranschreitet und auf welche Schwierigkeiten sie noch stoßen wird. Die Stellungnahme zeigt jedoch, dass sich nicht einmal die 26 Männer und Frauen des Sachverständigenrats in allen Fragen einig werden konnten. Während einige eher die Argumente für die Erlaubnis sahen - etwa um schwere Krankheiten zu heilen -, halten es die Skeptiker überhaupt für unwahrscheinlich, dass die Technik jemals hinreichend perfektioniert wird, um sie ohne Risiko am Menschen anzuwenden.

Doch ist es vernünftig, die Möglichkeiten, die das sogenannte Genome Editing vielleicht einmal bieten wird, nicht aus dem Blick zu verlieren. Auch wenn sie derzeit noch unwägbar weit in der Zukunft liegen mögen. Als Beispiel führt der Ethikrat die Korrektur einer Mutation im BRCA1-Gen an, die das Brustkrebs-Risiko einer von dieser Form des erblichen Brustkrebses betroffenen Frau deutlich senken könnte.

Es ist allerdings nicht immer so eindeutig wie in diesem Fall, ob eine Reparatur an den Genen tatsächlich das Risiko, das mit einem solchen Eingriff einhergeht, aufwiegen kann. Aber zumindest ist jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, dass sich Politik und Gesellschaft darüber Gedanken machen, welche Eingriffe einmal zulässig sein sollen - und welche nicht.

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Der Ethikrat ist nicht mehr kategorisch dagegen, Gene menschlicher Embryonen zu verändern. Noch vor wenigen Monaten empörten sich allerdings weltweit Experten über einen solchen Versuch bei zwei Babys in China.

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