Alzheimerstudie:Angst als Geschäftsmodell

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Die gefürchtete Alzheimerdemenz könnte übertragbar sein, ergab eine aktuelle Untersuchung. Die Geschichte ist ohnehin zweifelhaft. Jetzt offenbart sie auch noch eine peinliche Pointe.

Ein Kommentar von Kathrin Zinkant

Erinnert sich eigentlich noch jemand an BSE? Diese Seuche, die von Eiweißpartikeln im Futter übertragen wurde? Die Zigtausende Rinder in Großbritannien befiel, zu Massenkeulungen führte, die real und gruselig waren. Deren eigentlicher Horror aber die Angst wurde. Konnte man sich über Rindfleisch mit der Seuche anstecken - und an Creutzfeldt-Jakob (CJD) erkranken, dem menschlichen BSE? War die Menschheit dazu verdammt, im Wahn unterzugehen? Wissenschaftliche Belege dafür gab es nicht. Nur den düsteren Verdacht, der Wirkung tat. Rumpsteak und Tafelspitz waren nicht mehr vermittelbar. Menschen fürchteten sich vor Hamburgern.

Die Massenverblödung ist dann ausgeblieben, und man sollte sich daran erinnern, wenn es um folgende aktuelle Gruselstory geht: Die gefürchtete Alzheimersche Krankheit ist angeblich übertragbar. Wie BSE. Zum Beispiel durch OP-Bestecke.

Das belegen angeblich die Gehirne von sieben Menschen, die in jungen Lebensjahren Wachstumshormone aus Hirnanhangsdrüsen von Leichen erhalten hatten, und sich so zunächst mit CJD ansteckten. Zugleich fand man in ihren Hirnen aber sogenannte Alzheimerplaques - obwohl die Patienten recht jung waren und genetisch nicht vorbelastet. Wie die Plaques entstanden sind, wissen die Forscher nicht. Doch wo Wissen fehlt, bleibt Raum für wilde Spekulationen: Haben die Hormone aus Leichen eine perfide Saat gesät? Werden Operationsbestecke, die von Eiweiß schwer zu befreien sind, die Menschheit in eine Massendemenz stürzen? Wird jeder chirurgische Eingriff zum tödlichen Risiko?

Wer bekäme bei solchen Fragen keine Angst. Dabei handelt es sich nur um eine Hypothese. Und die ist schlicht ein paar Nummern zu groß, um sie aus einer so kleinen und lückenhaften Studie abzuleiten.

BSE
:Chronik des Wahnsinns

Jahrelang versetzten die Rinderseuche BSE und ihre menschliche Veriante vCJK Europa in Angst und Sorge.

Berit Uhlmann

Die Studie ist zu klein und lückenhaft, um solch große Hypothesen daraus abzuleiten

Angebrachter erscheint die Vermutung, dass ein Wissenschaftsbetrieb hier um der Aufmerksamkeit willen mit den Ängsten der Menschen spielt. Zumal die eigentliche Pointe der Geschichte in der Woge der Aufregung zunächst verborgen blieb: Zwei Autoren der Studie sind nämlich an einem Spin-off des Prionenforschungszentrums beteiligt, an dem die Gruselstudie stattfand.

D-Gen Ltd entwickelt und vermarktet Produkte gegen BSE und gegen die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. Dazu gehören hochspezialisierte Dekontaminierungspräparate für Operationsbestecke. Sie richten sich nicht gegen Bakterien oder Viren, sondern gegen hartnäckige infektiöse Eiweißpartikel. Bislang ging es dabei um BSE und CJD. Heute sind diese Krankheiten allerdings kein aussichtsreiches Geschäft mehr, dazu sind sie - anders, als es die düsteren Erwartungen einst nahelegten - zu selten. Alzheimer aber ist verbreitet und wird in den alternden Industriegesellschaften noch häufiger werden. Wer hier Angst schürt und gegen diese Angst gleich etwas anbieten kann, verfügt womöglich weniger über Erkenntnis als über ein lukratives Geschäftsmodell.

© SZ vom 12.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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