Allergie-Prävention:"Kuhstall ist der beste Schutz"

Einen Hund kaufen, besser noch einen Bauernhof: Was Eltern tun können, um ihre Kinder vor Allergien, Asthma und Neurodermitis zu schützen. Ein Gespräch mit der Allergie- und Asthmaexpertin Erika von Mutius.

Von Sarina Pfauth

Die Medizinerin Erika von Mutius leitet die Asthma- und Allergieambulanz am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Die Professorin für Pädiatrie forscht unter anderem zum Zusammenhang zwischen Umweltfaktoren und der Entstehung von Lungenerkrankungen. Sie wurde dafür 2013 mit dem Leibniz-Preis, dem wichtigsten wissenschaftlichen Förderpreis in Deutschland, ausgezeichnet.

SZ: Frau von Mutius, habe ich einfach Pech gehabt, wenn ich eine Allergie bekomme?

Erika von Mutius: Im Großen und Ganzen ist es Pech. Aber es gibt schon ein paar Dinge, die man präventiv tun kann.

Die Zahl der Allergiker steigt seit Jahren. Wie hoch ist das Risiko für ein Kind, das jetzt geboren wird, später an einer Allergie zu erkranken?

Das hängt davon ab, in was für eine Familie ein Kind hineingeboren wird. Wenn alle anderen Mitglieder schon Asthma und Allergien haben, ist das Risiko sehr hoch. Es kommen aber noch viele andere Faktoren dazu: Wenn die Mutter in der Schwangerschaft raucht, ist das Risiko ebenfalls erhöht, insbesondere für Asthma. Wenn das Kind in eine Familie mit Hund geboren wird, hat es Glück, dann ist das Risiko für eine Allergie etwas geringer. Wenn die Mutter auf einem Bauernhof tätig ist, ist das die beste Option, dann wird das Kind wahrscheinlich weder Asthma noch Allergien bekommen.

Hilft es also, aufs Land zu ziehen?

Nein, wir sehen nur Unterschiede bei Kindern, die tatsächlich in der Landwirtschaft aufwachsen, wenn also die Familie einen Bauernhof bewirtschaftet. Wenn ein Kind einfach nur im Einfamilienhaus auf dem Dorf aufwächst, bringt das nicht viel.

Warum sind Bauernhofkinder weniger gefährdet?

Weil sich die Mutter während der Schwangerschaft und später das Kind im Kuhstall aufhalten - das ist der beste Schutz.

Was ist daran so gesund?

Es ist wohl der ganze Cocktail, der dort inhaliert wird. Wir wissen, dass Bakterien, Schimmelpilze und wahrscheinlich ebenso Pflanzenbestandteile günstig für das Training des Immunsystems sind. Schützend wirkt sich bei Bauernhofkindern auch der Verzehr von nicht weiterverarbeiteter Kuhmilch aus. Wenn die Milch gekocht wird, verliert sie an Schutzeffekten.

Sollte man Kindern also lieber Rohmilch zu trinken geben?

Auf keinen Fall! Bauernhofkinder kommen mit einem ganz anderen Immunsystem auf die Welt. Ein Stadtkind hingegen ist gegen die krankmachenden Keime in der Rohmilch nicht gewappnet. Der Verzehr von nicht abgekochter Milch ist nicht die Antwort auf die Allergiefrage. Das Risiko ist im Vergleich zum Nutzen viel zu hoch. Da treibt man den Teufel mit dem Beelzebub aus.

Kommt Vorbeugung im Erwachsenenalter zu spät?

Was können Eltern ohne Hof tun, damit ihre Kinder nicht an Asthma und Allergien erkranken?

In der Schwangerschaft nicht rauchen, und später möglichst auch nicht. Stillen. Falls das nicht geht, ist hypoallergene Säuglingsnahrung genauso gut für die Allergievorbeugung. Und das war's auch schon an Dingen, von denen wir heute mit Sicherheit sagen können, dass sie präventiv wirken.

Beim Thema Beikost gibt es die unterschiedlichsten Empfehlungen - wie ernähren Eltern ihre Babys am Besten?

Nach vier bis sechs Monaten Stillen sollte Beikost eingeführt werden. Früher galt die Vorgabe, man solle bestimmte Nahrungsmittel meiden, das wird heute nicht mehr so gesehen. Im Moment laufen Studien, die prüfen, ob es sogar besser ist, allergieauslösende Lebensmittel schon früh zu füttern, damit sich das Immunsystem daran gewöhnen kann. Das ist aber noch nicht nachgewiesen. Ich empfehle, die Beikost wie bisher einzuführen.

Was sollte man später im Leben bei der Ernährung beachten?

Es könnte sein, dass Joghurt hilft. Schaden tut es jedenfalls nicht, und einige Studien lassen vorsichtig optimistisch sein, dass Milchprodukte mit Laktobazillen gegen Neurodermitis schützen können.

Muss man Katze und Co. möglichst aus der Wohnung verbannen, wenn sich ein Baby ankündigt?

Einen Hund würde ich auf keinen Fall weggeben, weil sich Hunde schützend gegen Allergien auswirken. Bei Katzen ist das leider nicht so. Insgesamt würde ich bei Thema Haustiere aber sagen: Wenn das Kind das Pech hat, allergisch zu werden, muss man sich vom Tier trennen; vorbeugend macht das aber gar keinen Sinn.

Kann man als Erwachsener noch etwas tun, um sich gegen Allergien zu schützen?

Nicht rauchen. Beim aktiven Rauchen sind die Effekte noch heftiger, als wenn Kinder passiv beraucht werden.

Was ist Ihre Vision für die Zukunft - gibt es in 20 Jahren vielleicht eine Impfung gegen Allergien?

Ich hoffe, dass wir in den nächsten 15 Jahren lernen, Milch so zu verarbeiten, dass man das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet. Es ist wichtig, dass man die krankmachenden Keime eliminiert. Aber mit der vorangeschrittenen Technik kann man in Zukunft die guten, schützenden Faktoren hoffentlich erhalten. Ich weiß, dass es Bestrebungen in der Milchwirtschaft gibt, neue Arten von Herstellung für mikrobiologisch sichere Milchen zu entwickeln. Der zweite Punkt ist, dass man in einigen Jahren das angeborene Immunsystem vielleicht trainieren kann, um die Allergieentstehung zu vermeiden.

Wie könnte das funktionieren?

Ich kann mir vorstellen, dass wir lernen, uns die Stimuli fürs Immunsystem, die wir heute nicht mehr haben, weil wir nicht mehr mit Wanzen und Nutztieren konfrontiert sind, anders zu verabreichen. Aber das ist Zukunftsmusik.

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