Zustellpraxis von Paketdiensten:Lieferstatus: Empfänger ist mit den Nerven fertig

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Wartewahnsinn: Vor städtischen Postämtern bilden sich nicht nur zur Weihnachtszeit lange Schlangen (hier ein Bild aus Hamburg). (Foto: DPA/DPAWEB)

Sie stehen an einem Samstagmorgen zu unchristlicher Zeit auf, radeln durch die halbe Stadt und stehen stundenlang Schlange. Und wofür? Nun ja: Sie haben ein Paket bekommen. Zumindest theoretisch. Protokoll eines typischen Zustell-Martyriums.

Von Johanna Bruckner

Lieferstatus: Die Sendung wurde im Start-Paketzentrum bearbeitet.

Unerfahrene Internet-Einkäufer wiegen sich in Sicherheit. Schließlich - das suggerieren auch die kleinen Symbolbilder bei der Verfolgung der Sendung online - wurde soeben ein Auslieferungsprozess in Gang gesetzt, der nur einen Ausgang kennt: Paket zugestellt. Doch regelmäßige Online-Shopper wissen: Das Zustell-Martyrium hat soeben begonnen.

Lieferstatus: Die Sendung wurde im Ziel-Paketzentrum bearbeitet.

Wohl dem, der bei der Bestellung daran gedacht hat, sich seine Ware an eine Packstation schicken zu lassen. Dieser Service der Deutschen Post ermöglicht es Empfängern, Sendungen zu einem Zeitpunkt ihrer Wahl an einer Art Paketsafe abzuholen. Doch erstens machen längst nicht alle Postdienstleister ein vergleichbares Angebot. Und zweitens können an Packstationen nur Päckchen bis zu einer bestimmten Größe zwischengelagert werden. Im Zweifelsfall bleibt also nur der klassische Zustellweg. Ob der den versprochenen glücklichen Ausgang nimmt, ist aber längst nicht sicher. Der moderne Arbeitnehmer, wohnhaft beispielsweise in einem Münchner Mehrparteienhaus, ist oft der Willkür von Paketboten und Nachbarn ausgeliefert.

Lieferstatus: Die Sendung wurde in das Zustellfahrzeug geladen.

Post auszutragen, war schon immer ein hartes Brot. Früher wurden Postboten von mitunter ponygroßen Bestien durch Vorgärten gejagt. Heute sitzt den Paketzustellern die Zeit im Nacken: Sie hetzen von Haus zu Haus, müssen bei jedem Stopp ihr komplettes Lager umschichten. Wen wundern da noch bis zur Unkenntlichkeit verdellte Verpackungen? Und dabei werden sie von der nackten Angst angetrieben, wegen zu spät ausgelieferter Sendungen ihre schlecht bezahlten Jobs zu verlieren. Irgendwie verständlich, dass da keine Zeit bleibt, Nachbarn abzuklingeln, wenn der eigentliche Empfänger nicht zu Hause ist.

Lieferstatus: Die Sendung konnte nicht zugestellt werden, der Empfänger wurde benachrichtigt.

Zumindest, wenn er Glück hat. Viele Stadthäuser haben die Briefkästen im Haus oder sogar auf den Stockwerken. Der Postbote hat zwar einen Hausschlüssel, nicht aber die Paketboten. Da wird die Benachrichtigungskarte schon mal behelfsmäßig ans Klingelbrett geheftet - und vom Winde verweht.

Lieferstatus: Die Sendung wird zur Abholung in eine Filiale gebracht. Die frühestmögliche Uhrzeit der Abholung kann der Benach richtigungskarte entnommen werden.

Letzterer Hinweis sollte unbedingt beachtet werden. Sonst könnte folgendes Szenario eintreten: Sie stellen sich an einem Samstag den Wecker, in dem Wissen, dass sich heute auch sehr viele andere Arbeitnehmer aufmachen werden in Richtung der besagten Filiale. Frühes Aufstehen empfiehlt sich also zur Minimierung der Anstellzeit - mit einer Schlange bis vor die Tür müssen Sie zu arbeitnehmerfreundlichen Zeiten aber immer rechnen.

Gefühltes Einzugsgebiet des Postamts: München und Umland. Vor kurzem wurde auch ganz in ihrer Nähe ein schickes "Postbank Finanzcenter" eröffnet, aber dort, so hat man Ihnen erklärt, gebe es keine Lagerräume, leider. Also radeln Sie jedes Mal wieder ans andere Ende der Stadt und fragen sich dabei: Warum ist ein Logistikunternehmen wie die Post nicht in der Lage, Räumlichkeiten mit ausreichend Lagerkapazitäten zu suchen?

Und wenn das in München tatsächlich so schwierig sein sollte: Warum, bitteschön, werden nicht alle Filialen mit einem Paketlager zumindest bis 20 Uhr geöffnet und zu den Stoßzeiten personell verstärkt? Selbst an einem Samstagvormittag sind nicht immer alle Schalter besetzt. Für die anwesenden Mitarbeiter aber kein Grund, in Hektik auszubrechen.

Nachdem auch die letzte vor Ihnen stehende Person ihr Päckchen in den Händen hält - mit Verzögerung, weil er/sie erst am Schalter anfängt, in seinem/ihrem Rucksack nach dem Abholschein zu kramen - sind Sie nun endlich dran. Im besten Fall passiert nun Folgendes: Sie überreichen Ihre Abholkarte. Das Schalterpersonal scannt sie, hackt mit dem Zeigefinger etwa zwei Dutzend Mal auf die Tastatur ein, bevor handschriftlich etwas notiert wird, vermutlich eine Regalnummer.

Mit dieser Information verschwindet der/die Mitarbeiter/in im Lager und kehrt nach minutenlanger Wartezeit mit Päckchen/Paket zurück. Sie unterschreiben die Quittung, lehnen ein Beratungsgespräch über das neueste Super-Konditionen-Konto ab und machen sich von dannen.

Lieferstatus: Der Empfänger hat die Sendung in der Filiale abgeholt.

Und ist mit den Nerven fertig. Im schlechtesten Fall dürfen Sie sich erst anstellen und bekommen dann am Schalter gesagt: "Das tut mir leid, Ihr Päckchen ist noch nicht da. Sie müssten am Montag noch mal wiederkommen."

© SZ vom 07.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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