Zusatzbeiträge:Krankenkassen am Pranger

Gerade angekündigt und schon Ärger: Das Kartellamt vermutet Absprachen über die Zusatzbeiträge der Krankenkassen.

Caspar Dohmen

Millionen gesetzlich Krankenversicherte werden in diesem Jahr Zusatzbeiträge zahlen müssen. Nun ermittelt das Kartellamt gegen neun Kassen. Die Behörde sieht nach eigenen Angaben Hinweise für den Verdacht auf verbotene Absprachen. Die Krankenkassen weisen dies zurück. Strittig ist, ob das Kartellamt überhaupt zuständig ist.

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Der Damm ist gebrochen: Die ersten Krankenkassen erheben Zusatzbeiträge, weil das Geld aus dem Gesundheitsfonds nicht reicht.

(Foto: Foto: ddp)

"Es besteht der Verdacht, dass einige Kassen mit einer gemeinsamen Verlautbarung über die Einführung von Zusatzbeiträgen gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen verstoßen haben", sagte ein Sprecher des Bundeskartellamts am Sonntag der Süddeutschen Zeitung. Deswegen habe die Behörde am Donnerstag von den Kassen Auskunft verlangt. Deren Namen nennt das Amt jedoch nicht. Es handelt sich vermutlich um die neun Kassen, die Ende Januar bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mitgeteilt hatten, sie wollten Zusatzbeiträge von ihren Versicherten verlangen. Deren Höhe dürfte zwischen acht und dem Höchstsatz von 37,50 Euro liegen. Nach Informationen der SZ haben acht der neun Kassen die Zusatzbeiträge ihren Versicherten bereits mitgeteilt.

Vier Kassen haben auf Anfrage der FAZ bestätigt, dass sie vom Kartellamt ein Schreiben erhalten haben, darunter die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) und die KKH Allianz, die gemeinsam etwa sieben Millionen Versicherte haben. Das Kartellamt prüfe jedoch in keinster Weise die Höhe oder die Angemessenheit der Zusatzbeiträge, betonte der Sprecher. Es gehe nur um den Verdacht, dass die Kassen verbotenerweise die Erhebung der Zusatzbeiträge koordiniert hätten.

Angst vor der Wechselwelle

Die Zusatzbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung werden vom Lohn abgezogen und müssen allein von den Arbeitnehmern und den Rentnern bezahlt werden. Bislang haben erst wenige der 180 Kassen sich für den Zusatzbeitrag entschieden. Einige fürchten, dass ihre Versicherten ansonsten zu einem Anbieter wechseln könnten, der mit dem einheitlichen Beitragssatz von 14,9 Prozent auskommt, zumal die Kunden ein Sonderkündigungsrecht haben, wenn ihre Kasse einen Zusatzbeitrag erhebt. Zudem ist es für die Kassen umständlich, den Zusatzbeitrag einzuziehen. Als erste große Kasse hatte die Deutsche BKK mit 750.000 Mitgliedern angekündigt, diesen vom Gesetzgeber vorgesehenen Schritt zu machen.

Nach Schätzungen fehlen AOK und Co. im laufenden Jahr vier Milliarden Euro. Rein rechnerisch müsste deswegen jedes der 50 Millionen Kassenmitglieder einen Zusatzbeitrag von 6,50 Euro zahlen. Einige Kassen verfügen jedoch noch über Reserven. Die Kosten für die Krankenkassen sind zuletzt unter anderem durch höhere Arzthonorare und Medikamentenpreise gestiegen. Auch die meisten privaten Krankenversicherer haben 2009 die Preise erhöht.

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen zeigte sich überzeugt, dass der Verdacht des Kartellamts unbegründet sei. Zusatzbeiträge seien die logische Konsequenz aus der Unterfinanzierung des Gesundheitsfonds, sagte ein Sprecher. Zeitpunkt und Höhe der Zusatzbeiträge müssten für jede einzelne Kasse individuell von der Kassenaufsicht genehmigt werden. "Wir gehen davon aus, dass sich der Verdacht des Kartellamtes, dass es angeblich illegale Preisabsprachen zwischen einzelnen Krankenkassen gegeben hat, nicht bestätigen wird", sagte er.

CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn bezeichnete das Vorgehen des Kartellamts ebenfalls als unsinnig. Dagegen lobte FDP-Fraktionsvize Ulrike Flach das Vorgehen als "folgerichtig". Nun müsse sich zeigen, ob Krankenkassen wirklich wie normale Unternehmen zu behandeln seien. Die Kassen reklamieren, dass für sie nur die Bestimmungen des Sozialgesetzbuches gelten würden und das Kartellamt deswegen nicht zuständig sei. Das Kartellamt sieht dies offenbar anders. Das letzte Wort dürften die Gerichte haben. Wettbewerbsexperten erwarten, dass einige Kassen gegen das Auskunftsgesuch der Behörde klagen werden. Beim Kartellamt dürfte man dem Streit gelassen entgegensehen, schließlich hat der Bundesgerichtshof die Kassen bereits früher als Unternehmen im Sinne des Kartellrechts bewertet.

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