Zoff um die T-Aktie:Telekom auf der Anklagebank

Weil ein Richter in Pension ging, musste der Telekom-Prozess lange unterbrochen werden. Jetzt wird das Verfahren zur "Volksaktie" wieder aufgenommen. Der Fall betrifft mehr als 17.000 Anleger.

Markus Zydra

An diesem Mittwoch geht der Telekom-Prozess in die nächste Runde. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt nimmt das Verfahren nach einem Jahr Unterbrechung wieder auf. Der Grund für die Pause: Nachdem der Vorsitzende Richter Christian Dittrich zum Jahreswechsel 2010 in den Ruhestand gegangen war, musste für den Posten ein Nachfolger gefunden werden.

TELEKOM-LEUCHTSCHRIFT

In einem Prozess geht es um die Frage, ob der Börsenprospekt zur dritten T-Aktien-Platzierung aus dem Jahr 2000 rechtswidrig war.

(Foto: DPA/DPAWEB)

Das größte Zivilverfahren der Bundesrepublik begann am 8.April2008. Das Gericht führt ein Musterverfahren. Hier werden Rechtsfragen geklärt, die alle 2700 anhängigen Einzelverfahren von rund 17000 Privatanlegern betreffen. Es geht um die Frage, ob der Börsenprospekt zur dritten T-Aktien-Platzierung aus dem Jahr 2000 rechtswidrig war. Die Sparer fordern rund 80 Millionen Euro Schadenersatz für Kursverluste mit der T-Aktie.

Die Zeichnungsfrist für diese dritte Aktientranche begann am 26. Mai 2000. Am 23. Juli 2000 wurde die Übernahme der US-Mobilfunkgesellschaft Voicestream durch die Telekom bekanntgegeben. Die Klägerseite behauptet, dass dieses Übernahmegeschäft schon vorher bei der Telekom beschlossene Sache gewesen sei. Die Information hätte deshalb in den Börsenprospekt gehört, um die Privatanleger richtig zu informieren.

Ein wenig anachronistisch

Eigentlich wollte Richter Dittrich im Dezember 2009 noch ein Urteil fällen. Seine Ausführungen im Laufe des Prozesses legten nahe, dass er die Klage der Privatsparer abweisen würde. Dann gelang der Klägerseite allerdings kurz vor dem bereits anberaumten letzten Verhandlungstermin ein juristischer Erfolg: Sie erreichten beim zuständigen Landgericht Frankfurt eine Erweiterung des Vorlagebeschlusses. Das OLG sagte den Dezember-Termin daraufhin ab.

Der Vorlagebeschluss beinhaltet das Arbeitsprogramm im Prozess. Darin sind alle Streitpunkte aufgeführt, die erörtert werden sollen. Die neue Vorsitzende Richterin des 23.Zivilsenats, Birgitta Schier-Ammann, wird nun auch die umstrittene Immobilienbewertung der Telekom für die Jahre 1995 bis 1997 ins Verfahren aufnehmen müssen. Die Staatsanwaltschaft Bonn hatte wegen der Immobilienbewertung wegen vorsätzlicher Falschbilanzierungen gegen das Unternehmen ermittelt."Wir halten das für einen wesentlichen Punkt", sagt Klägeranwalt Andreas Tilp. "Die Telekom hätte in ihren Prospekt des Jahres 2000 mit aufnehmen müssen, dass das Risiko besteht, strafrechtliche Schadenersatzansprüche befriedigen zu müssen." Schadenersatz an Aktionäre, denen durch eine Falschbilanzierung Schaden entstanden wäre. Es kam in diese Angelegenheit später allerdings nicht einmal zu einem Gerichtsverfahren.

Zudem wird nun auch der Komplex Sprint erörtert. Hier geht es um den Vorwurf, die Telekom habe der Öffentlichkeit einen Bilanzgewinn durch einen angeblichen Verkauf des US-Konzerns Sprint vorgegaukelt, ohne darüber aufzuklären, dass dieser Gewinn vorläufig nur auf dem Papier bestanden habe, so Tilp. Es ging um 8,2 Milliarden Euro.

Ein weiterer Aspekt, der das gesamte weitere Verfahren prägen soll, ist die Frage der Referenzperson. Im Prozess werden komplexe Bilanzfragen behandelt, und es geht um die Auslegung kleinster Passagen im Börsenprospekt. Das verstehen eigentlich nur Experten. Deshalb ist im Vorlagebeschluss nun geregelt, dass es bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Prospekts auf die Verständnismöglichkeit eines "durchschnittlichen Anlegers" ankomme, wobei nicht unterstellt werden könne, dass dieser eine Bilanz lesen kann.

Der Streit um den Börsengang der Telekom wirkt mittlerweile fast anachronistisch. Die aktuelle Finanzkrise stellt das Platzen der Internetblase im Jahr 2000 rückblickend weit in den Schatten. Und auch die Euphorie der deutschen Aktiensparer von damals erscheint im Nachhinein wie ein kurzer schlimmer Rausch.

Selbst der Begriff Telekom-Prozess ist mittlerweile anderweitig besetzt. Erst vor einigen Wochen wurde wegen der Bespitzelungsaffäre bei der Deutschen Telekom ein langjähriger Konzernmitarbeiter zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Auch dieses Verfahren lief unter dem Arbeitstitel Telekom-Prozess.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: