Süddeutsche Zeitung

Zoff um Datenschutz bei EC-Karten:Die Supermarkt-Spione

Wer mit EC-Karte und Unterschrift bezahlt, riskiert, dass sensible Daten weitergegeben werden. Verbraucherschützer sind entsetzt.

Angelika Slavik

Bargeldloses Zahlen ist eine praktische Sache. Kein mühsames Rumgefummel mit einzelnen Cent-Stücken, keine Diskussionen mit der Kassiererin um falsch rausgegebenes Wechselgeld. Bargeldloses Zahlen kann aber auch eine gefährliche Sache sein, sagen die Konsumentenschützer vom Bundesverband der Verbraucherzentralen - besonders für Kunden der Handelskette Famila.

Ein Viertel des Gesamtumsatzes im deutschen Einzelhandel wird mit EC-Kartenzahlung abgewickelt, Tendenz stark steigend. Die Kunden kennen dabei meist zwei verschiedene Varianten: Entweder tippen sie ihre Geheimzahl direkt in das Gerät an der Kasse. Oder sie bekommen den Beleg zur Unterschrift vorgelegt - und das sei in vielen Fällen der Anfang allen Ärgers, kritisieren die Verbraucherschützer. Denn die meisten Kunden hätten gar keine Zeit, genau zu lesen, was sie denn da eigentlich unterschreiben, heißt es beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV).

Zerknirschter Händler

Bei Famila aber stünde auf dem Zettel weit mehr als bloß die Freigabe der Zahlung: Dass man einverstanden sei, dass die Kontodaten an Dritte weitergereicht würden, zum Beispiel. Wer genau auf welche Daten Zugriff bekomme, sei auf dem Zettel nicht ersichtlich, kritisiert die zuständige VZBV-Juristin Jana Brockfeld. Die Verbraucherschützer reichten deshalb Klage beim Kieler Landgericht ein: wegen missbräuchlicher Verwendung von Kundendaten.

Bei Famila gab man sich am Freitag zerknirscht: Man wolle die Kunden keinesfalls verunsichern, sagte eine Unternehmenssprecherin. Alle Filialen würden deshalb mit sofortiger Wirkung ihr Zahlungssystem umstellen: künftig wird bei Famila die Geheimzahl abgefragt.

Ob die Famila-Gruppe, die vor allem in Norddeutschland ein dichtes Filialnetz betreibt, damit den Prozess abwenden kann, ist fraglich. Die Verbraucherschützer wollen einen Musterprozess durchziehen. Denn ähnliche Vorwürfe wie gegen Famila erhebt die Konsumentenschutzorganisation auch gegen die Rewe-Kette und deren Discounter-Tochter Penny.

"Absolut inakzeptabel"

Anders als Famila weist Rewe die Vorwürfe allerdings als "haltlos" zurück: Die Praxis entspreche den Regeln des Lastschriftverfahrens und sei mit Datenschützern abgestimmt, erklärt eine Firmensprecherin. Lediglich Daten, die für die Abwicklung der Zahlung notwendig seien, würden verwendet - dies umfasse Ort und Zeit des Einkaufs, den Betrag und die Kontonummer. "Personenbezogene Daten wie Name und Vorname werden nicht weitergegeben", argumentiert Rewe. Der Dienstleister, der sich um die Zahlungsabwicklung kümmere, dürfe diese Daten auch zu keinem anderen Zweck verwenden, dies sei "vertraglich ausgeschlossen".

Eine Argumentation, die Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert nicht gelten lässt: Über andere Auskunfteien, etwa die Schufa, sei es einfach, die Datensätze zu ergänzen und Profile etwa über die Zahlungsfähigkeit der Kunden anzulegen. Dies sei "absolut inakzeptabel".

Verbraucherschützer empfehlen daher, Systeme mit Geheimzahleingabe zu bevorzugen, sie seien deutlich sicherer. Weil sie für die Einzelhändler aber auch deutlich teurer sind, bieten viele Firmen nur die Variante mit Unterschrift an.

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SZ vom 08.05.2010/tob
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