Zinsniveau auf 1,25 Prozent:Neuer EZB-Chef Draghi senkt überraschend Zinsen

Lesezeit: 1 min

Erstmals seit Mai 2009 wird das Geld in Europa wieder billiger: Der neue Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, ignoriert Inflationsrisiken und senkt den Leitzins von 1,5 auf 1,25 Prozent. Das umstrittenste EZB-Programm will er fortsetzen.

Mario Draghi beginnt seine Amtszeit als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) mit einem Paukenschlag: Die EZB hat ihren Leitzins überraschend gesenkt. Auf der ersten Ratssitzung unter Draghi kappte sie das Zinsniveau von 1,5 Prozent auf 1,25 Prozent . Es ist die erste Senkung seit Mai 2009.

Das Geld wird also billiger, die Zinswende ist da. Die Notenbanker sind offenbar der Meinung, dass Banken und Unternehmen leichter an Kredite kommen sollen - auch wenn mit einer niedrigeren Zinsrate die Inflationsgefahr wächst.

Auf einer Pressekonferenz sagte Draghi, die wirtschaftliche Zukunft sei sehr ungewiss, die Risiken nähmen zu. "Einige dieser Risiken sind bereits Wirklichkeit geworden, was eine deutliche Abwärtsrevision der Vorhersagen und Prognosen für das durchschnittliche reale Wirtschaftswachstum für 2012 sehr wahrscheinlich macht." Die Entscheidung, den Leitzins zu senken, sei einstimmig gefallen.

Der neue EZB-Präsident verkündete auch, die Zentralbank werde vorerst weiter Staatsanleihen der überschuldeten Euro-Staaten kaufen. Mit dem umstrittenen Programm finanziert die EZB Länder wie Griechenland und Italien, weil privaten Investoren ihnen kein Geld mehr leihen wollen.

Die Zinswende hat die meisten Experten überrascht. Sie hatten mit gleichbleibenden Zinsen gerechnet.

Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, sagte in einer ersten Reaktion: "Das kommt absolut überraschend. Wir hatten erst im Dezember mit einer Zinssenkung gerechnet." Der Schritt zeige, wie beunruhigt die Währungshüter seien. "Sie nehmen die Konjunkturrisiken, die von einer Staatsschuldenkrise ausgehen, sehr ernst. Der neue EZB-Präsident Draghi nimmt dafür auch in Kauf, das Etikett einer Zinstaube angeheftet zu bekommen. Das unterstreicht den Ernst der Lage." Als Zinstaube werden Notenbanker bezeichnet, die versuchen, mit niedrigen Zinsen die Konjuntur anzukurbeln. Auch der Chef der amerikanischen Notenbank, Ben Bernanke, gilt als "Taube", Draghis Vorgänger Jean-Claude Trichet hielt dagegen die Zinsen relativ hoch.

Die Inflationsrate in der Euro-Zone lag zuletzt bei drei Prozent und damit weit über der Zielmarke der EZB von knapp zwei Prozent. Die Schuldenkrise und die globale Konjunkturabkühlung drohen jedoch das Wachstum in der Euro-Zone abzuwürgen.

Der Aktienmarkt reagierte sofort auf die Zinssenkung. Der Dax weitete seine Gewinne aus und lag zunächst mit etwa drei Prozent im Plus. Am Nachmittag gab er einen Teil dieser Gewinne wieder ab. An der Pariser Börse legte der CAC-40, der Leitindex 40 führender französischer Unternehmen, um mehr als drei Prozent zu.

© Reuters/jab - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: