Zertifikate als Geldanlage:Nur für Könner

Zertifikate sind ein Spielzeug für Leute, die meinen, dass sie ein gutes Gefühl für das Auf und Ab an den Finanzmärkten haben. Doch als langfristige Geldanlage taugen sie nicht. Spätestens die Lehman-Pleite hat die schlimmen Konsequenzen einer Bankenpleite für Zertifikatesparer gezeigt.

Markus Zydra, Frankfurt

Wenn man weiß, dass den europäischen Bankensektor ein gehöriger Kapitalmangel und die Furcht vor Pleiten auszeichnet, dann lässt sich für den Zertifikatemarkt eine wichtige Schlussforderung ziehen: Das Geld der Anleger ist potentiell gefährdet.

Massacre of the Innocents by Giotto di Bondone, fresco, detail

Zertifikate sind als Geldanlage hochriskant. Wer kein Könner ist, sollte von ihnen die Finger lassen. ("Massaker der Unschuldigen" von Giotto di Bondone).

(Foto: Getty Images)

Zum einen natürlich, weil manche Zertifikate riskant gestrickt sind. Das läuft unter Spekulationsrisiko. Zum anderen aber, weil eine Bankenpleite unweigerlich zum Verlust des Anlegergelds führt. Zertifikate sind Schuldverschreibungen und entsprechen damit einem Kredit an die Bank, der immer platzen kann - ganz anders ist das bei Investmentfonds, deren Einlagen als Sondervermögen niemals in die Insolvenzmasse eines Kreditinstituts fließen.

Der Fall der amerikanischen Investment Lehman Brothers hat die schlimmen Konsequenzen einer Bankenpleite für Zertifikatesparer eindrücklich dokumentiert. Seither warnt die Branche die Sparer, der Derivate-Verband veröffentlicht auf seiner Homepage Kennzahlen zur Bonität der Banken, die Zertifikate herausgeben.

Diese neue Transparenz ist ein Fortschritt verglichen mit 2008, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die Lage an den internationalen Finanzmärkten derzeit ähnlich angespannt ist wie damals, im Herbst 2008, als Bundeskanzlerin Angela Merkel die Sicherheit der deutschen Bankeinlagen garantierte.

Es gibt mittlerweile auch Zertifikate, die gegen einen Zahlungsausfall der Bank mitversichern. Das kostet den Anleger Geld, denn jede Police hat eine Prämie. Vielleicht sind diese besonderen Zertifikate auch deshalb nicht sehr beliebt.

Dazu kommt: Selbst diese besicherten Zertifikate können im Falle einer Bankenpleite zu Verlusten führen, denn die hinterlegten Sicherheiten - etwa Aktien - würden nach einer massiven Bankenkrise natürlich viel an Wert einbüßen. Anleger, die sich dieser grundlegenden Gefahren bewusst sind, können ihr Geld jedoch in Zertifikaten anlegen. Die Vielzahl der Papiere - und die schier grenzenlose Gestaltungsmöglichkeit - erlauben es dem Sparer, ganz gezielt und ganz kurzfristig bestimmte Wetten an den Börsen einzugehen.

Steigt der Dax in den kommenden Wochen über 6200 Punkte? Klettert Gold wieder auf 1900 Dollar je Unze? Je nachdem, wie groß die Puffer oder Hebel der Zertifikate sind, lassen sich mit diesen Geschäften Profite wie Verluste einfahren. Eine langfristige Anlagestrategie sollte man mit diesen Produkten allerdings nicht verfolgen. Sie sind ein Spielzeug für Leute, die meinen, dass sie ein gutes Gefühl für Preisbewegungen an den Finanzmärkten haben.

Der Zertifikatemarkt ist ein Markt für Könner", sagt Gregoire Toublanc, Experte bei der Bank BNP Paribas. "Die Lage an den Börsen ist so unsicher, dass diese Anlegergruppe über Zertifikate zwei bis sechs Monate investiert, dann wieder aussteigt." Der Wettbewerb ist groß.

Die jüngste Börsenunruhe hat die Rangfolge der Zertifikatehäuser neu bestimmt. Zum Ende des dritten Quartals hat die genossenschaftliche DZ Bank bei den betreuten Kundengeldern die Marktführerschaft übernommen und die sonst führende Deutsche Bank verdrängt, so der Deutsche Derivate-Verband.

Von den rund 90 Milliarden Euro, die in Zertifikaten der 16 an der Erhebung teilnehmenden Banken investiert sind, stecken 16,9 Prozent in Papieren der DZ Bank. Sie profitierte dabei nicht nur von ihrem hohen Marktanteil bei den weniger anfälligen Produkten mit Rückzahlungsgarantie, sondern konnte ihre Anteile auch bei stark vom Aktienmarkt abhängigen Produktgruppen wie Bonus- oder Discountzertifikate ausweiten.

Der Zertifikatemarkt in Deutschland ist stark konzentriert: Die größten fünf Anbieter erreichten Ende des dritten Quartals einen Marktanteil von drei Viertel des gesamten Volumens.

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