Zentralbankchef zur Krise:Trichet sieht EZB am Ende ihrer Kräfte

In der Schuldenkrise ist die Europäische Zentralbank als Feuerwehr im Einsatz - und offenbar am Limit ihrer Möglichkeiten angelangt. Kurz vor seinem Abschied fordert ihr Chef Trichet: Die Politiker müssen jetzt übernehmen. Die Krise wirke auf alle Volkswirtschaften wie Röntgenstrahlen.

Nicht einmal mehr drei Wochen bleiben ihm noch, dann endet seine achtjährige Amtszeit: Vor seinem Rücktritt als Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) zeichnet Jean-Claude Trichet jetzt in einem Interview das Bild einer Institution, die durch die Schuldenkrise im Euroraum an ihrem Limit angelangt ist. Die EZB habe alles getan, was möglich sei, um ihrer Verantwortung unter diesen außergewöhnlichen Umständen gerecht zu werden, sagte Trichet der Financial Times.

Interview With Jean-Claude Trichet President Of The European Central Bank

EZB-Chef Jean-Claude Trichet sagt: Jetzt sind die Euro-Länder dran.

(Foto: Bloomberg)

Die Notenbank agiere an der Grenze ihrer Möglichkeiten. Sie könne nicht mehr tun. Deshalb sieht Trichet nun die Politik in der Pflicht: Die Lösung müsse am Ende von den Euro-Ländern selbst kommen. Alle Aktionen seien zum Scheitern verurteilt, mit denen die Regierungen von ihrer Verantwortung entbinden werden sollten, sagte der 67-Jährige.

Mit ihrer aktiven Rolle in der Krise hat sich die EZB Kritik eingehandelt: Weil überschuldete Euro-Staaten wie Griechenland und Portugal praktisch kein Geld mehr von privaten Investoren erhalten, kauft die EZB seit 2010 ihre Staatsanleihen auf und leiht so den Ländern Kapital. Kritiker - vor allem aus der deutschen Bundesbank - befürchten, dass die Zentralbank ihre neutrale Rolle aufgibt und sich darüber hinaus im Fall eine Staatspleite selbst schadet, weil sie auf einer Menge wertloser Staatsanleihen sitzt.

Gefragt, ob er die Deutschen bei der engeren ökonomischen Integration in Europa verprellt habe, antwortete Trichet: "Ich weiß nicht, was "die Deutschen" bedeuten soll. Wir leben in sehr tiefgründigen und sehr komplexen kulturen, in denen es offensichtlich viele verschiedene Meinungen gibt."

Trichet bekräftigte seine Aussage, bei den derzeitigen Problemen handele es sich um die schlimmste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg: "Die Krise wirkt wie Röntgenstrahlen auf alle entwickelten Volkswirtschaften. Jetzt zeigen sich ihre Skelette und die Schwachstellen ihrer Skelette. Das gilt für alle von uns - für Japan, die Vereinigten Staaten, für Europa."

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