Zahlungskartenkriminalität:Kopiert, gefilmt und abgezockt

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Eine kleine Kamera, ein Lesegerät für den Magnetstreifen oder eine gefälschte Tastatur - Kriminelle arbeiten bei der Manipulation von Geldautomaten mit raffinierten Techniken. Und sie sind extrem gut organisiert.

Daniela Kuhr

Die beiden Männer scheinen sich sicher zu fühlen. Ohne große Eile betreten sie den Vorraum der Bankfiliale, in dem sich der Geldautomat befindet. Einer hebt den anderen hoch, so dass dieser eine winzige Kamera beim Feuermelder an der Decke montieren kann. Der Sinn der Aktion: Die beiden wollen Kunden beim Eintippen ihrer Geheimzahl ausspähen. "Eine gängige Methode", sagt Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), am Mittwoch in Berlin.

Laut Bundeskriminalamt manipulieren Kriminelle sehr viel häufiger Geldautomaten als bisher. Allein bei EC-Karten hat sich der Gesamtschaden aus den Betrügereien auf 40 Millionen Euro summiert. (Foto: ag.ddp)

Es ist der Auftakt zu einer internationalen Konferenz zum Thema "Zahlungskartenkriminalität". Mit dem Filmchen aus einer Überwachungskamera im Vorraum einer Bank will Ziercke demonstrieren, wie routiniert die Täter mittlerweile sind. Laut BKA wurden im vergangenen Jahr in Deutschland 964 Geldautomaten manipuliert - 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Etwa 120000 Kartenbesitzer seien so ausspioniert worden. Allein bei EC-Karten habe sich der Gesamtschaden aus den Betrügereien - die englisch als Skimming bezeichnet werden - auf 40 Millionen Euro summiert. "Das ist aber nur die Hellziffer", erklärt Ziercke. Die Dunkelziffer liege vermutlich noch deutlich höher, weil viele Banken aus Angst vor Imageverlusten solche Fälle kulant abhandelten.

Die Techniken der Täter sind mittlerweile extrem raffiniert. Schon beim Betreten der Bank werden manchmal Daten abgegriffen: über den elektronischen Türöffner, den der Kunde durch das Einschieben seiner EC-Karte betätigt. Mithilfe einer kleinen unauffälligen Vorrichtung können die Daten aus dem Magnetstreifen der Karte abgelesen werden. Sie allein genügen aber in der Regel noch nicht, um über ein fremdes Konto zu verfügen. Deshalb spähen dann zusätzlich Minikameras, die am Automaten selbst oder - wie in dem Filmchen - an der Raumdecke angebracht sind, die Geheimnummer (PIN) des Kunden aus. Auch manipulierte Tastaturen, die über der echten Tastatur angebracht werden, sind bei Betrügern beliebt. Nach Einschätzung von Ziercke ist die eingesetzte Technik oft so ausgefeilt, dass ein normaler Kunde den Betrug gar nicht bemerken kann.

Die Täter beschränken sich jedoch nicht mehr nur auf Geldautomaten. Auch Kontoauszugsdrucker und Selbstbedienungsterminals von Banken werden mittlerweile genutzt, um Kartendaten abzugreifen.

Die Manipulation von POS-Terminals, an denen Kunden beispielsweise in Supermärkten bargeldlos bezahlen können, scheint dagegen rückläufig zu sein. Im vergangenen Jahr habe es in Deutschland keinen einzigen Versuch in dieser Richtung gegeben, so Ziercke. Grund dafür dürfte sein, dass das BKA 2008 mehrere auf diese Methode spezialisierte Tätergruppen zerschlagen und den zuständigen Cheftechniker festgenommen hat.

Ein Beispiel einer manipulierten Tastatur eines Geldautomaten, ausgestellt auf der Internationalen Konferenz zur Zahlungskartenkriminalität in Berlin. (Foto: dpa)

Die Täter stammen laut BKA häufig aus Südosteuropa. Sie seien extrem professionell und arbeitsteilig organisiert. Die einen stellten das Equipment her, das andere einbauen. Wieder andere würden die gefälschten Karten anfertigen, die schließlich von einer wieder anderen Gruppe eingesetzt würden. "Zwischen Abgreifen der Daten und Einsatz der Karten liegen oftmals nur wenige Tage, zum Teil sogar nur wenige Stunden."

Mittlerweile greifen die Täter zunehmend auch die Daten deutscher Urlauber im Ausland ab. Besucher der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika beispielsweise hält Ziercke für gefährdet. Das BKA habe jedoch im Februar und März Mitarbeiter nach Pretoria und Kapstadt entsandt, die mehrere hundert Polizeibeamte geschult hätten.

Der BKA-Präsident fordert, dass die Banken künftig auf die leicht auslesbaren Magnetstreifen verzichten und nur noch Chips einsetzen. Von 2011 an sind Chips im Euro-Raum Standard, die Banken wollen aber zusätzlich an dem Magnetstreifen festhalten, damit Kunden ihre Karte etwa auch in den USA einsetzen können. Ziercke hält es für besser, wenn Kunden in so einem Fall den Magnetstreifen eigens beantragen müssten.

© SZ vom 27.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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