Süddeutsche Zeitung

Glücksspiel:Auslaufmodell Lotto-Jackpot

Weg vom Lotto-Tipp, hin zum Internet-Poker: Das staatliche Glücksspielmonopol hat keine Zukunft - auch wenn sich die Betreiber gegen die privaten Wettanbieter massiv wehren.

Klaus Ott

Zur Zeit sind im Jackpot nur ein paar Millionen Euro drin. Aber abwarten. Sobald beim Lotto wieder mehrere zehn Millionen auf einen Schlag zu gewinnen sind, werden die Leute die Annahmestellen stürmen.

Der Jackpot zieht immer, sobald er gut gefüllt ist. Dann klingelt es in den Kassen der staatlichen Lotto- und Totogesellschaften und ihrer Inhaber, der 16 Bundesländer. Doch zwischen Nord- und Ostsee ist der Jackpot in Gefahr: Schleswig-Holstein könnte leicht aus dem Gewinntopf herausfliegen, weil die dortige Regierungskoalition von CDU und FDP fest entschlossen ist, das staatliche Glücksspielmonopol abzuschaffen.

2011 sollen private Sportwettanbieter und Internet-Kasinos zugelassen werden, von 2012 an sollen sie ihren Betrieb aufnehmen dürfen. So verkünden es die Fraktionschefs von CDU und FDP im Kieler Landtag, Hans-Jörn Arp und Wolfgang Kubicki.

Das wiederum könnte zum teilweisen Ausschluss Schleswig-Holsteins aus dem Deutschen Lotto- und Totoblock führen, den die Lottogesellschaften bilden. Jedenfalls warnt Bayerns Lotterie-Präsident Erwin Horak die Kieler Koalition vehement vor einem Alleingang.

Private Anbieter via Internet längst da

Der Bayer kämpft wie kein anderer für das staatliche Glücksspiel. Ein Ausstieg des Nordens aus dem Monopol könnte bedeuten, "dass Schleswig-Holstein nicht mehr am Jackpot teilnimmt", sagt Horak. Er ist der Wortführer im Lotto- und Totoblock.

Arp und Kubicki lässt das kalt, ihr Fahrplan steht fest. Am 15. Dezember verhandeln die Regierungschefs der 16 Länder, ob neben den eigenen Lotteriegesellschaften auch private Anbieter zugelassen werden. Via Internet gibt es sie es sie längst in Deutschland. Etwa Bwin aus Österreich. Hier kann online auf Ergebnisse beim Fußball oder der Formel 1 getippt werden.

Laut Gesetz sind Firmen wie Bwin, obwohl sie die staatliche Sportwette Oddset inzwischen ins Abseits drängen, in Deutschland verboten. Doch das Lotteriemonopol steht im Internet-Zeitalter nur noch auf dem Papier.

Diesen Anachronismus will Schleswig-Holstein nicht länger mitmachen. Einigen sich die 16 Länderchefs am 15. Dezember nicht auf eine Öffnung des Marktes, dann bringt die Kieler Koalition tags darauf einen Gesetzentwurf im Landtag ein, der laut Arp und Kubicki bis Mitte 2011 beschlossen sein soll.

SPD will am durchlöcherten Staatsmonopol festhalten

"Entweder gibt es auf Bundesebene eine vernünftige Lösung, oder wir machen das alleine", sagt Kubicki. Die Eckpunkte der Kieler: Im zweiten Halbjahr 2011 werden im Norden die ersten Lizenzen für private Sportwetten-Anbieter und Online-Kasinos vergeben, die am 1. Januar 2012 starten dürfen - Lizenzdauer: ein Jahr.

Dann wird geprüft, ob die Auflagen eingehalten werden, etwa beim Jugend- und Spielerschutz. Wer seriös ist, darf weitermachen. Ein Teil der Erlöse fließt in Form von Abgaben an das Land Schleswig-Holstein, also an den Staat, der bei den Online-Wetten aus dem Ausland bislang leer ausgeht.

Einige Anbieter wie das österreichische Unternehmen Bwin haben angekündigt, sich um solche Lizenzen zu bewerben. Das Staatsmonopol nähert sich dem Ende, nicht nur im Norden.

Mehrere Länder, die ebenfalls von CDU und FDP regiert werden, haben laut Kubicki bereits "informell erklärt", sich Schleswig-Holstein anzuschließen. "Wir werden am Ende nicht alleine dastehen", glaubt Arp. Die SPD-regierten Länder wollen jedoch weiter am durchlöcherten Staatsmonopol festhalten.

Es könnte so kommen wie in den achtziger Jahren beim Fernsehen. Die SPD war gegen Privatsender, einzelne Unionsländer ließen trotzdem kommerzielle Programme zu, und bald waren Sat 1 und RTL in ganz Deutschland zu empfangen.

Schutz vor Spielsucht

Andere Länder halten die forschen Töne aus Kiel für einen "Bluff". Vor allem die SPD sieht beim staatlichen Glücksspiel den Schutz der Bürger vor der Spielsucht am besten gewährleistet.

Diese Begründung für das Monopol führt freilich dazu, dass der Lotto- und Totoblock für seine Angebote kaum werben darf und ihm das Internet verschlossen ist. Ohne diese strengen Auflagen würde die EU das Staatsmonopol nicht akzeptieren. Die Folge: Die Länder verlieren bei Lotto und Toto, Oddset und den eigenen Spielbanken immer mehr Kundschaft an die ausländische Online-Konkurrenz. Und die zahlt in der Bundesrepublik weder Abgaben, noch ist sie Auflagen unterworfen.

Aus Sicht der Kieler Koalitionäre ist das ein Irrsinn. CDU-Fraktionschef Arp sagt, eine Öffnung des Marktes ermögliche eine Kontrolle der privaten Anbieter und bringe den Ländern bis zu zwei Milliarden Euro mehr pro Jahr. Die eigenen Lotto-Gesellschaften könnten mit mehr Werbung und per Internet verlorengegangene Kunden zurückholen. Dazu kämen die Abgaben der privaten Anbieter.

Monopol-Mann Horak entgegnet, die kommerzielle Konkurrenz würde dann auch Lotto veranstalten, mit dem die Staatsgesellschaften und Länder das meiste Geld einnehmen. "Lotto wäre in hohem Maße gefährdet." Bündnispartner findet Horak bei der SPD. Der Mainzer Staatslanzleichef Martin Stadelmaier sagt, Schleswig-Holstein wisse ganz genau, "im Länderkreis sieht man sich wieder". Soll heißen: Wenn die Kieler den Alleingang wagen, werden sie bei anderer Gelegenheit abgestraft. Ein spannendes Spiel. Fast wie beim Lotto.

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Quelle:
SZ vom 01.12.2010/pak
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