Wozu Reichtum verpflichtet:Tue Gutes und rede darüber

Von Gaius Maecenas bis Bill Gates: Heute engagieren sich Milliardäre als Wohltäter in beispiellosem Umfang. Das ist gut. Schlecht ist, dass sie leisten, was eigentlich Aufgabe des Staats ist.

Heribert Prantl

In den sagenhaften alten Zeiten gab es einen König Midas, dem es gelang, alles zu Gold zu machen, was er anfasste. Heute gibt es nicht nur einen Midas, sondern weltweit ein paar Hundert Menschen, denen das auch gelingt. Dem alten Midas ist das nicht so gut bekommen. Bei ihm war es so: Er hatte sich vom Gott Dionysos gewünscht, dass alles, was er berühre, zu Gold werde. So war es dann auch: Als Midas auf dem Heimweg einen Zweig streifte, einen Stein in die Hand nahm, Ähren pflückte, wurden Zweig, Stein und Ähren zu reinem Gold. Das Gleiche geschah mit dem Brot und dem Wein. Midas lief Gefahr, vor Hunger und Durst zu sterben, so dass er schließlich Dionysos bat, ihn von der verhängnisvollen Gabe wieder zu befreien. Der erlöste den Midas durch ein Bad in einer Quelle, die seither Goldsand führt.

GATES AFRICA

Der Römer Gaius Maecenas ist der Namensgeber des Mäzenatentums. Ein großes Vorbild war er nicht. Der Großinvestor und Großspender Bill Gates will ein Vorbild sein. Der Milliardär zeigt sich gern mit afrikanischen Kindern; er kümmert sich um seine Hilfsprojekte zusammen mit seiner Frau Melinda.

(Foto: AFP)

Midas hatte also eine Erkenntnis, die dem globalen Kapitalismus noch fehlt: dass man am eigenen Erfolg auch krepieren kann. Einzelne Kapitalisten haben diese Erkenntnis durchaus. Ein paar Dutzend Superreiche in den USA haben sich soeben verpflichtet, die Hälfte ihres Vermögens für gemeinnützige Zwecke zu spenden: Bill Gates, Warren Buffet, Robert Turner, David Rockefeller, Larry Ellison & Co ist es in ihrem Leben so ähnlich ergangen wie dem alten Midas. Das meiste, was sie anfassten, wurde zu Gold. Und sie suchen nun, wie einst Midas, ein wohltuendes Bad: Sie schütten ihr Geld in eine Stiftung. Sie stürzen sich dabei nicht, wie einst der heilige Franziskus, in Armut; sie gehen nicht in Sack und Asche; sie verpflichten sich auch nicht juristisch, sondern nur moralisch; und im übrigen sparen sie mit der Stifterei auch noch Steuern, aber immerhin: Sie tun Gutes, und sie reden darüber; dann kann ihr Beispiel Schule machen. Weniger gut ist, dass sich der Staat (in den USA seit jeher, in Deutschland neuerdings auch) darauf verlässt, dass das, was eigentlich er leisten müsste, von den privaten Initiativen der Reichen geleistet wird.

Heutzutage geht der Großspender ins Fernsehen, früher ließ er sich auf das Bild malen, das dann im Eingang des von ihm gestifteten Siechenspitals hing. Auf den alten Bildern sieht man ihn bescheiden knien, und der Museumsführer erklärt: Das dort in der Ecke, das ist der fromme Stifter. Die ersten Armen- und Findelhäuser wurden von solchen Stiftern erbaut. Im Mittelalter war die Stiftung, gefördert von der Kirche, ein Mittel zur Erlangung des Seelenheils: Spätestens beim Ableben kauften sich Fürsten, Bankiers und Spekulanten frei von den Sünden der "Geldmacherei und Krämerei" - weil bekanntlich eher ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher in das Reich Gottes kommt. Im Frühkapitalismus waren Stiftungen dann das gute Gewissen des Großbürgertums.

Dann kam, jedenfalls in Deutschland, das, was einst Bundespräsident Roman Herzog "eine Art Klimakatastrophe" nannte: Nach der Ermordung der jüdischen Stifter, nach zwei Weltkriegen, nach Inflation und Währungsreform lag die Stiftungskultur am Boden. In Deutschland erholt sie sich erst wieder in jüngerer Zeit; es gibt eine neue Kultur der Stiftungen. Ihre Zahl steigt von Jahr zu Jahr rapide - nicht nur, weil die steuerliche Förderung besser geworden ist; nicht nur, weil es bei Rotary und im Lions Club chic geworden ist, von der Gründung seiner Stiftung zu berichten; sondern wohl auch deswegen, weil der Finanz-Kapitalismus einen Gemeinwohl-Kapitalismus provoziert hat.

Stifter sind keine Heiligen und nicht von tadelsfreiem Lebenswandel. Der CNN-Gründer Robert Turner ist ein verrückter Segler, Larry Ellison, der EDV-Guru, ein Manager mit gewaltigem Hang zur Extravaganz. Er hat sich ein Anwesen im Stil eines japanischen Dorfes aus dem 19. Jahrhundert anlegen lassen und besitzt eine der teuersten Jachten der Welt. Seine Crew segelte einmal bei einem Rennen feixend am havarierten Schiff des Konkurrenten Hasso Plattner vorbei, dem SAP-Mitgründer. Aus Wut, so die legendäre Geschichte, entblößten Plattner und seine Mannschaft daraufhin ihre Hinterteile. So ist das also bei Mäzenen. Aber schon der Ahnherr und Namensgeber aller Stifter, der Römer Gaius Maecenas, dessen Namen zum Inbegriff des Wohltäters geworden ist, war nicht so, wie man sich ein Jahrtausend-Vorbild vorstellt.

Er war ein Lebemann, der erstens in den Tänzer Bathyllus vernarrt war, zweitens in zahllose Damen, drittens in Luxus. Er trug silberne Absätze an seinen Sandalen, ließ sich x-mal von seiner Frau scheiden und heiratete sie dann wieder, bis zur Lächerlichkeit. Sein Lebensstil lief all dem zuwider, was der auf Zucht achtende Kaiser Augustus predigte. Aber Maecenas war halt die finanzstarke Eminenz im Backstage der kaiserlichen Herrschaft. Er war aber nicht nur ein Geck, sondern auch ein großzügiger, ja verschwenderischer Mäzen, er förderte und forderte die Künstler, gab ihnen viel und verlangte ihnen viel ab. Er kitzelte dem Horaz, dem Vergil und anderen Großdichtern mit opulenten Zuwendungen viele Meisterwerke heraus.

Um so zu sein wie Maecenas, müssen die Gates und die Buffetts dieser Welt im Guten und im Schlechten viel zusammenlegen. Eigentum verpflichtet.

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