Süddeutsche Zeitung

Wohnungsmarkt:Deutschland wohnt immer teurer

Die Zahl der Sozialwohnungen sinkt, günstiger Wohnraum wird immer knapper: Aktuelle Zahlen belegen, dass in Deutschland zu wenig gebaut wird, vor allem für finanziell schwache Mieter. Dafür boomt das Luxus-Segment.

Angelika Slavik und Steffen Uhlmann

Kaum etwas ist dieser Tage in Deutschland so begehrt wie Wohnungen. Da gibt es Immobiliengesellschaften, die Milliarden zahlen, um den Kommunen ihre Plattenbauten abzunehmen. Da gibt es private Anleger, die ihr Geld vor Währungsturbulenzen und Hyperinflation schützen wollen - und darüber zum Vermieter werden. Da gibt es Familien, die die niedrigen Kreditzinsen ins Grübeln bringen: sollten sie nicht doch endlich ein Haus kaufen?

Und dann gibt es noch die, für die sich all diese Fragen gar nicht stellen. Die, für die Meldungen über steigende Mieten und günstige Darlehenskonditionen nicht bedeuten, dass sie ihr Portfolio überdenken müssen - sondern die einfach nur nach billigem Wohnraum suchen. Damit sie irgendwo leben können. Rendite hin oder her.

Doch der Wohnraum für die finanziell Schwachen in Deutschland wird immer knapper. In Großstädten wie München, Hamburg oder Stuttgart sowie in Ballungszentren wie dem Rhein-Main-Gebiet seien günstige Wohnungen beinahe "Luxusgut" - so formulierte es der Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), Axel Gedaschko, am Montag in Berlin. Der Verband vertritt etwa 3000 Wohnungsunternehmen, die bundesweit sechs Millionen Wohnungen vermieten. Das ist ein Drittel des deutschen Mietwohnungsmarktes. Oder anders ausgedrückt: Gedaschko muss es wissen.

Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland Baugenehmigungen für knapp 230.000 Wohneinheiten erteilt. Das ist ein Aufwärtstrend - gemessen am Bedarf aber immer noch zu wenig. Laut LBS Research würden bis 2020 jährlich 300.000 neue Wohnungen benötigt. Das Angebot wird also, vor allem in den Ballungszentren, auf absehbare Zeit knapp bleiben. Für die Immobiliengesellschaften und für die privaten Wohnungsbesitzer sind das ziemlich gute Nachrichten. Für die Mieter eher nicht. Für sozial schwache Mieter schon gar nicht.

Werden Wohnung gebaut, sind es Heime der Luxus-Klasse

Denn was gebaut wird, sind zum größten Teil Wohnungen der gehobenen oder gar der Luxus-Klasse: Die GdW-Unternehmen etwa haben im vergangenen Jahr vornehmlich Wohnungen gebaut, für die später durchschnittlich acht Euro pro Quadratmeter Miete verlangt werden - die Betriebskosten wie Warmwasser und Heizung sind da noch gar nicht mitgerechnet. Ins niedrigste Preissegment fiel dagegen nur jede fünfte Wohnung, die 2011 in den alten Bundesländern neu errichtet wurde. Für diese Objekte werden später etwa 5,7 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete fällig.

Grund für die Konzentration auf die höhere Preisklasse seien die gestiegenen Anforderungen an die Energieeffizienz der Gebäude, meint Gedaschko - aber auch die höheren Preise für Baustoffe und Grundstücke. Insgesamt sei Bauen so teuer geworden, dass es sich für die Unternehmen oft nur noch im oberen Preissegment rechne, sagte Gedaschko. "Wir bauen und sanieren uns systematisch günstige Mietwohnungen vom Markt."

Gedaschko, der die Interessen der Unternehmen vertritt, plädiert deshalb für mehr staatliche Förderung, um zu verhindern, dass "Menschen mit niedrigen Einkommen nach einer energetischen Sanierung ihrer Wohnung umziehen müssen, weil die höheren Kosten nicht mehr getragen werden können." Ähnlich sieht das auch der deutsche Mieterbund: Dessen Direktor Lukas Siebenkotten meinte, die Kombination aus dem immer knapper werdenden Wohnraum und den Kosten für die energetische Sanierung könnte die Mieten in Höhen treiben, die "für eien Großteil der Mieter in Deutschland nicht mehr bezahlbar" seien.

Dazu kommt, dass sich der Staat bei der Frage nach bezahlbarem Wohnraum immer stärker zurücknimmt. Zum Einen als Eigentümer: Zahlreiche Kommunen haben ihren Wohnbestand schon zu Geld gemacht, andere bereiten den Verkauf vor. So gingen in Baden-Württemberg kürzlich 21.000 Wohnungen von der öffentlichen Hand in den Besitz einer privaten Immobiliengesellschaft über, in Bayern sollen demnächst 32.000 Wohnungen privatisiert werden. Und zudem ist auch die Zahl der Sozialwohnungen rückläufig, weil die staatlichen Fördergelder immer spärlicher fließen. Das alles müsse sich ändern, meint man beim GdW. Sonst drohten "erhebliche soziale Probleme in den Quartieren."

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SZ vom 19.06.2012/bbr
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