Süddeutsche Zeitung

Wohnungseigentumgesetz:Größtenteils zufrieden

Seit knapp zwei Jahren gelten für Eigentümergemeinschaften neue Regeln. Eine Bestandsaufnahme.

Von Andrea Nasemann

Wenn mehrere Wohnungseigentümer in einem Haus über Malerarbeiten im Treppenhaus oder über die Verteilung von laufenden Kosten entscheiden, dann gilt für sie das Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Dies hatte die Bundesregierung vor knapp zwei Jahren reformiert. Eigentümer und Hausverwalter sind mit dem Ergebnis größtenteils zufrieden.

Unter dem Strich sei die Reform gelungen, sagt der Kölner Rechtsanwalt Thomas Brandt. "Die Eigentümergemeinschaft ist durch die Möglichkeit neuer Beschlussfassungen handlungsfähiger geworden." Bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum konnten die Parteien zum Beispiel früher nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer durchsetzen. War ein Eigentümer dagegen, scheiterte das Projekt, was in vielen Gemeinschaften zu einem Modernisierungsstau führte.

Drei Viertel und mehr als die Hälfte

Mit der Reform wurde nun der Tatbestand der Modernisierung neu ins Gesetz aufgenommen. Soll eine Anlage modernisiert werden, kann das Vorhaben von einer qualifizierten Mehrheit beschlossen werden. Dies sind drei Viertel aller stimmberechtigten Eigentümer, die gleichzeitig mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile repräsentieren. Damit kann nun zum Beispiel eine neue Wärmedämmung installiert werden, für die es verbilligte Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gibt.

"Allerdings streiten sich jetzt die Wohnungseigentümer darum, ob es sich um eine Instandsetzungsmaßnahme, eine bauliche Veränderung oder um eine Modernisierung handelt", sagt Brandt. Viel Streit entzünde sich beispielsweise an der Frage, wie ein Außenaufzug einzustufen sei. "Es wird noch eine Vielzahl von Streitfällen und Gerichtsentscheidungen geben", meint Brandt.

Außerdem glaubten viele Eigentümer irrtümlich, dass sie jetzt alles beschließen könnten. "Die Grenzen verlaufen da, wo die Eigenart, also die Charakteristik der Wohnanlage, verändert werden soll, zum Beispiel bei vorgezogenen Balkonen. Hier handelt es sich um eine bauliche Veränderung", erläutert Brandt.

Für Carsten Philippi, einen von zwei Geschäftsführern der VdH Immobiliengesellschaft mbH in München, die mehr als 3500 Wohnungen verwaltet, hat sich dagegen in der Praxis nach der Reform noch nicht viel verändert. "Instandhaltungen und Modernisierungen, teilweise mit baulichen Veränderungen, wurden in der Regel einstimmig beschlossen und umgesetzt. Entscheidend war hierbei immer die finanzielle Möglichkeit der Gemeinschaft", sagt Philippi.

Auch Wolfgang Heckeler, Präsident des Dachverbands Deutscher Immobilienverwalter (DDIV), glaubt momentan nicht an eine große Modernisierungswelle: "Oft reicht dazu die Instandhaltungsrücklage der Wohnungseigentümer nicht aus, und viele sind mit einer Sonderumlage finanziell überfordert", sagt Heckeler.

Weniger Gerichtsverfahren

Nicht nur Modernisierungen können jetzt einfacher beschlossen werden. Auch die Kostenverteilerschlüssel lassen sich neu regeln. "Das bedeutet das Ende der Versteinerung. Eigentümer können nun die Kosten gerechter verteilen, wobei nach wie vor eine Kontrollmöglichkeit durch das Gericht besteht", meint Brandt.

Auch die Haftungsverhältnisse in der Gemeinschaft haben sich verbessert. "Mit der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Gemeinschaft haftet der einzelne Eigentümer im Gegensatz zu früher nur noch in Höhe seines Miteigentumsanteils für die Schulden der Gemeinschaft - und nicht mehr mit seinem gesamten Vermögen", sagt Heckeler. Dies schaffe mehr Rechtssicherheit für die Eigentümer. Ein erheblicher Fortschritt sei auch der neue Vorrang der Gemeinschaft bei Zwangsvollstreckungen.

Eine Änderung gibt es auch im Gerichtssaal: Statt des flexibleren Verfahrens vor dem WEG-Gericht ist seit Juli 2007 das Zivilgericht nach den Regeln der Zivilprozessordnung zuständig. Nun zahlt derjenige alle Kosten, der den Prozess verliert, was manchen Eigentümer von einer schnellen Anfechtung oder Klage abschreckt. Schon jetzt verzeichnen die Gerichte einen deutlichen Abfall der Verfahren, die zu einem Großteil wiederum an den Formalien scheitern.

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SZ vom 01. 04. 2009/als
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