Wohnungseigentümer-Gemeinschaft:Meine Wohnung, unser Haus

Wer ein Apartment besitzt, muss viele Entscheidungen gemeinsam mit den anderen Eigentümern treffen. Für Streit sorgen dabei manchmal schon Kleinigkeiten.

Von Simone Gröneweg

Wohnungseigentümer-Gemeinschaft: Streit unter Wohnungseigentümern kann ziemlich nervenzehrend sein. Dann heißt es: Ruhe bewahren.

Streit unter Wohnungseigentümern kann ziemlich nervenzehrend sein. Dann heißt es: Ruhe bewahren.

(Foto: Rainer Berg/mauritius)

Wütend verließ der Verwalter den Raum. Zum Abschied rief er: "Ihr könnt euch einen neuen Verwalter suchen." So hatten sich die Mitglieder einer Wohneigentümergemeinschaft (WEG) ihre jährliche Versammlung sicher nicht vorgestellt. Ratlose Gesichter und verunsicherte Eigentümer blieben zurück. Die Eigentümer hatten ihm für die nächste Amtszeit keinen Fünfjahresvertrag geben wollen. Ihr gutes Recht, was der Verwalter jedoch ganz anders sah. Den Fall hat der Verbraucherverein Wohnen im Eigentum (WiE) dokumentiert, um auf die Probleme solcher Gemeinschaften aufmerksam zu machen.

Mit so einem Abgang endet sicher nur ein Bruchteil der Versammlungen. Mehr als 1,8 Millionen Eigentümergemeinschaften mit über neun Millionen Wohnungen gibt es schätzungsweise in Deutschland. Es handle sich um die zweitwichtigste Eigentumsform nach dem Eigenbesitz von Wohnhäusern, schreibt der Dachverband Deutscher Immobilienverwalter (DDIV). Das Immobilienvermögen beläuft sich konservativen Schätzungen zufolge auf etwa 630 Milliarden Euro.

Selbstnutzer wollen investieren, Vermieter die Kosten niedrig halten

Was vielen Käufern gar nicht bewusst ist: Diese Eigentumsform fordert die Eigner in besonderer Weise. "Sie müssen aktiv sein, sich vor Abstimmungen selbst informieren und bestimmte Aufgaben annehmen", sagt Gabriele Heinrich, geschäftsführendes Vorstandsmitglied bei Wohnen im Eigentum. Das beginnt schon beim Kauf. Wer eine Wohnung erwerben will, sollte sich die Teilungserklärung anschauen. Experten vergleichen sie gern mit dem Grundgesetz der Gemeinschaft. Darin steht etwa, wie sich die Wohnanlage aufteilt - also wem welche Räume und Gebäudeteile gehören.

Sondernutzungsrechte sind dort ebenfalls geregelt. Einmal im Jahr treffen sich die WEG-Mitglieder. Gemeinsam entscheiden sie über die laufende Verwaltung, die Jahresabrechnung und anstehende Sanierungen. Die Vorbereitung und Durchführung dieses Treffens ist eine zentrale Aufgabe des WEG-Verwalters. Spätestens zwei Wochen vor der Versammlung sollte die schriftliche Einladung mit der Tagesordnung bei den Eigentümern eintreffen. "Oftmals reichen den Beteiligten die 14 Tage gar nicht aus, um sich sinnvoll über einzelne Tagesordnungspunkte zu informieren", hat die Münchner Rechtsanwältin Beate Müller festgestellt. Angesichts des Zeitdrucks treten oft Missverständnisse und Probleme auf.

Die Farbe der Außenfassade, der Bodenbelag in den Hausfluren oder die Heizungsanlage - Gründe zum Diskutieren und Streiten gibt es schließlich zur Genüge. Die WEG-Mitglieder müssen einen gemeinsamen Nenner finden, egal, ob es sich um vier Beteiligte oder einige Hundert Eigentümer handelt. "Die Entscheidungsfindung gestaltet sich manchmal schwierig", sagt Christoph Zander, der beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung arbeitet und zu dem Thema forscht. Manche Konstellationen bergen Konfliktpotenzial - etwa wenn einige Eigentümer selbst im Haus wohnen, andere dagegen ihre Wohnung vermieten. "Die Eigner investieren eher ins Gebäude und die Anlagen", weiß Beate Müller aus Erfahrung. Wer die Immobilie vermietet, möchte die Kosten dagegen meist lieber gering halten. Mancher wehrt sich vielleicht auch, weil er in finanziellen Schwierigkeiten steckt. "Es gab in unserem Forschungsprojekt viele gelungene Sanierungen. Bei der Finanzierung traten in einigen Fällen allerdings Probleme auf - mit Mahnbescheiden und Klagen gegen einzelne Eigentümer. Einmal kam es sogar zu einer Zwangsversteigerung", berichtet Zander. Die Eigentümer konnten das Geld für die teilweise umfassenden Maßnahmen nicht aufbringen.

Finden die Mitglieder bei Konflikten keine Lösung, bleibt oft nur der Weg zum Gericht. "Es existieren keine Schiedsstellen, die helfen könnten", kritisiert Gabriele Heinrich. Im Jahr 2007 führte der Gesetzgeber die Zivilprozessordnung für WEG-Verfahren ein. Eigentlich wollte man auf diese Weise die Hürden hochsetzen und die Zahl der Prozesse reduzieren. Das Gegenteil trat jedoch ein. Gab es 2004 noch etwas mehr als 20 000 WEG-Verfahren vor Gericht, waren es einige Jahre später mehr als 28 000.

Die Gründe für Prozesse sind vielfältig. So entschied der Bundesgerichtshof zu Beginn dieses Jahres, dass ein gehbehinderter Eigentümer einer Wohnung im fünften Stock nicht berechtigt sei, auf eigene Kosten einen Aufzug einbauen zu lassen. Mit seiner Klage wollte der Eigentümer den Einbau durchsetzen. Die BGH-Richter vertraten die Ansicht, dass die anderen Eigentümer das nicht dulden müssten.

Dennoch: Streitigkeiten vor Gericht sind die Ausnahme. "Viele Gemeinschaften funktionieren gut und bewältigen selbst größere Sanierungsprojekte erfolgreich", sagt Zander. Dafür sei aber in der Regel ein Zusammenspiel von engagierten Eigentümern oder Beiräten und aktiven, professionellen Verwaltern notwendig.

Auf die Verwaltung sollte die Gemeinschaft ein besonderes Augenmerk legen. Der DDIV hat hochgerechnet, dass Immobilieneigentümer jedes Jahr etwa 80 Millionen Euro zusätzlich aufbringen müssen, um die fehlende Sachkunde und das Missmanagement von schlecht oder gar nicht ausgebildeten Verwaltern auszugleichen. Insbesondere kleine Gemeinschaften haben Schwierigkeiten, qualifizierte Verwaltungen zu finden. Wenige Einheiten lohnen sich für die Verwalter wirtschaftlich nicht. In die Lücke springen häufig Anbieter, die das Ganze nur nebenberuflich betreiben. "Ich nenne sie Küchentischverwalter", sagt Müller. Die seien oftmals überfordert, und darum komme es zu Fehlern, sagt die Rechtsanwältin.

Mangelnder Service, schlechte Erreichbarkeit und nicht umgesetzte Beschlüsse - das sind ganz klare Anzeichen dafür, dass etwas bei der Verwaltung schiefläuft. Das Problem: Wer als Verwalter aktiv wird, benötigt bisher keine Erlaubnis dafür und muss auch keinen Sachkundenachweis liefern. Das soll sich aber ändern. Zumindest eine Erlaubnis- und eine Fortbildungspflicht soll es bald geben. "Manchmal kann es erforderlich sein, dass die Eigentümer die Verwaltung selbst in die Hand nehmen", berichtet der Wissenschaftler Zander. Etwa wenn eine kleine WEG keinen qualifizierten Verwalter finde.

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