Wohnungsbau:Grippe und Waschmittel

Wohnungsbau: Ein Neubaugebiet in Poing im Landkreis Ebersberg - die Umlandgemeinden wollen nicht mehr unbegrenzt wachsen.

Ein Neubaugebiet in Poing im Landkreis Ebersberg - die Umlandgemeinden wollen nicht mehr unbegrenzt wachsen.

(Foto: Bauersachs)

Die Mieten steigen, der Verkehr nimmt zu, die Bürger murren: Wie das Münchner Umland über das Problem des anhaltenden Zuzugs aus der Stadt diskutiert und was gegen die wachsenden Probleme getan werden könnte.

Von Andreas Remien

Die Mieten steigen, der Verkehr nimmt zu, die Bürger murren. "Der Zuzug wird irgendwann zum Kollaps führen", sagt Andreas Magg (SPD), Bürgermeister von Olching. Das Wachstum der Region stellt längst nicht mehr nur die bayerische Landeshauptstadt, sondern auch die Umlandgemeinden vor große Probleme. Wie schwierig die Lage ist, zeigte vor Kurzem eine Diskussionsrunde auf dem bayerischen Immobilienkongress in München.

Um ein Prozent pro Jahr wolle man wachsen, "eher weniger", sagt Erdings Oberbürgermeister Max Gotz (CSU). Die Zurückhaltung der Bürgermeister hat keinesfalls nur wirtschaftliche Gründe. Natürlich ist die Bereitstellung von Schulen oder Kindertagesstätten für die Gemeinden teuer. Noch öfter als auf Zahlen berufen sich die Lokalpolitiker aber auf die Stimmung in ihrer Wählerschaft. "Viele Menschen sind nicht mehr bereit, den Zuzug zu begleiten", sagt Gotz. Ganz ähnlich klingt es bei Olchings Bürgermeister Magg: "Wir sind nicht wachstumsfeindlich, aber wir müssen Zeit finden, die neuen Bürger zu integrieren." Wachse die Gemeinde zu schnell, könne die Situation kippen.

Die Infrastruktur ist veraltet. "Jetzt ist Schluss mit lustig", sagt ein Bürgermeister

Die immer größere Schar von Münchnern, die wegen der hohen Preise die Landeshauptstadt verlässt und im Umland eine Wohnung sucht, reizt die Stimmung in den Gemeinden zusätzlich. "Je mehr Bauland wir ausweisen, desto mehr Menschen werden sich hierher orientieren", sagt Gotz. Vor allem Haushalte, die gut oder sehr gut verdienten, würden so angezogen. "Die Einheimischen erleben, dass es eine Verdrängung gibt", sagt Gotz, "sie können sich ihre Heimat nicht mehr leisten". Erding setzt daher auf aus München bekannte Instrumente wie die "soziale Bodennutzung", die den Bau geförderter Wohnungen regelt.

Vor allem in Sachen Verkehrsanbindung fühlen sich viele Gemeinden im Stich gelassen. "Die Infrastruktur ist mitnichten der Entwicklung hinterhergekommen", sagt Gotz, "jetzt ist Schluss mit lustig". Allein die Beziehung zur Stadt München scheint auf einem guten Weg zu sein. "Die Zusammenarbeit hat sich stark verbessert", sagt Thomas Karmasin (CSU), Landrat in Fürstenfeldbruck. Er betont aber auch, dass es im Landkreis natürlich "eigene Interessen" gebe, die gewahrt werden müssten. Die Stadt München müsse erklären, warum das Wachstum gut für die Region sei. "Wenn mir jemand Waschmittel verkaufen will, dann muss er zeigen, warum das gut für mich ist", sagt Karmasin.

Wenig Verständnis für die passive Haltung vieler Lokalpolitiker hat Ralf Possinger, Geschäftsführer der Demos Wohnbau. "Immer mehr Gemeinden schränken sich beim Wohnungsbau ein", beklagt Possinger, "in der Landkarte um München entstehen immer mehr weiße Flecken." Aus egoistischen Motiven ließen viele Gemeinden "jetzt die Jalousien runter". Für den Wohnungsmarkt in der Region sei dies prekär. "Bei vielen Gemeinden fehlt mir das Bewusstsein, dass es ihnen nur deshalb so gut geht, weil sie vor den Toren Münchens sind", sagt Possinger. Der Projektentwickler warnt davor, sich den Problemen zu verschließen. "Wenn München einen Schnupfen hat", sagt Possinger, "dann kann es schnell passieren, dass das Umland eine Grippe bekommt".

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