Wohnprojektetag Bayern:Billiger bauen

Kleine mobile Häuser in Texas

Wohnen auf kleinstem Raum: Mini-Häuser in Texas. In den USA sind die oft mobilen Winzlinge beliebt, und auch in Deutschland stoßen sie auf Interesse.

(Foto: Paul Moseley)

Bezahlbaren Wohnraum schaffen, aber wie? Sind die Menschen in Deutschland bereit, auf Komfort zu verzichten? Experten diskutierten über Machbares, Fantasievolles und Zahlen.

Von Marianne Körber

Man bezahlt die Miete und die Nebenkosten, und schon ist die Hälfte des Gehalts weg. Das ist keine Übertreibung, sondern eine Beschreibung der Lebensverhältnisse in vielen Großstädten. Doch was macht das Wohnen eigentlich so teuer, und wie könnte man die Misere ändern? Das Thema "Bezahlbarer Wohnraum" stand auf der Agenda des Wohnprojektetags Bayern 2015, der von der obersten Baubehörde des Bayerischen Staatsministeriums veranstaltet wurde. Und es gibt sie, die Lösungsansätze, doch sie kommen nicht immer gut an.

Billiger bauen und damit auch billiger wohnen geht zum Beispiel so: kein Keller, kein Balkon, kein eigener Parkplatz und vor allem: weniger Wohnfläche. Auf diese Weise ließe sich eine Menge Geld sparen, aber das Platzbedürfnis der Deutschen ist enorm, betonen Experten. "Die Menschen haben einen großen Flächenanspruch", sagt zum Beispiel Carlo Baumschlager, Professor an der Akademie der Bildenden Künste in München. 1970 seien pro Bürger noch etwa 24 Quadratmeter bewohnt worden, 2010 seien es schon 41 Quadratmeter gewesen. Der österreichische Architekt meint, man solle mehr das Gespräch mit den Nutzern von Gebäuden suchen und fragen: "Was brauchen wir wirklich, auf was wollen wir verzichten?"

In den USA wird nicht so solide gebaut wie hierzulande. Aber viel günstiger

Baumschlager macht beim Thema Bauen noch drei weitere Kostenfaktoren aus: den Gesetzgeber, der das Bauwesen mit 1500 DIN-Normen belaste, die Grundstücksbesitzer beziehungsweise die stark gestiegenen Bodenpreise und die nach Gewinn strebenden Bauträger. Letztere hätten oft hohe Renditevorstellungen, und das müsse jemand bezahlen - letztlich der Mieter. Für Baumschlager ist die aktuelle Mietbelastung in Deutschland zu hoch; diese liege im Durchschnitt von 100 Städten gerechnet bei 36,38 Prozent des Nettoeinkommens, in München sogar bei 41,74 Prozent. Erstrebenswert sei eine Mietbelastung von 25 Prozent, ab da tue sich eine Schere auf - die zwischen Arm und Reich.

Mit den Bedürfnissen der Menschen beschäftigt sich auch Elisabeth Merk schon ziemlich lange, sie ist seit 2007 Stadtbaurätin in München, außerdem Honorarprofessorin an der Hochschule für Technik Stuttgart. Im internationalen Vergleich lebten die Deutschen und insbesondere die Münchner auf großzügigen Flächen, sagt auch sie, aber die Menschen fühlten sich dennoch bedrängt vom Wachstum der Stadt und fürchteten um ihren Freiraum. Mehr als die Hälfte der Wohnungen in der bayerischen Landeshauptstadt seien Single-Wohnungen, eine teure Angelegenheit. Vielfach werde ein gemeinschaftliches Leben eingefordert, so das gemeinsame Wohnen im Alter. Eine gute Idee, findet Merk, aber oft nicht umsetzbar. Kaum jemand sei bereit, die Küche mit anderen zu teilen, vom Bad gar nicht zu reden.

Die Großsiedlungen der Siebzigerjahre dagegen kämen gut an; kurze Wege zur Arbeit und Kontakte zur Nachbarschaft würden von den Menschen geschätzt. Merk fordert beim Thema Wohnungsbau eine starke kulturelle Auseinandersetzung ein. Die Bürger sollten mitreden dürfen, dann wachse auch die Akzeptanz von Verdichtung in den Städten. Veränderungen durchzusetzen sei eine sehr schwierige Aufgabe, sagt die Stadtbaurätin - und spricht beim Wohnprojektetag eine ungewöhnliche Einladung aus: "Jeder, der das sehen will, kann mich eine Woche lang begleiten."

Es hat schon viele Versuche und Ideen gegeben, wie Bauen und Wohnen billiger werden kann. Das zeigte Architekt Thomas Jocher, Professor an der Universität Stuttgart und Direktor des Instituts Wohnen und Entwerfen. Das reicht vom Thema Tag-Nacht-Nutzung beziehungsweise der Klapp-Couch über die Verkleinerung von Zimmern zugunsten großer Gemeinschaftsräume hin zu Serienbauten und der Materialfrage - in den USA wird bekannterweise nicht so solide gebaut wie hierzulande. Aber viel günstiger.

In Japan beträgt die Lebensdauer der Gebäude nur 26 Jahre. In Deutschland 80

Jocher machte noch auf ein anderes Problem aufmerksam: auf die viele Technik in den Häusern. Die sei bei aller Begeisterung für Innovationen kritisch zu sehen: "Man muss auch morgen noch wissen, wie man das Fenster aufmacht."

Die Haustechnik sei einer der größten Kostentreiber der vergangenen Jahrzehnte, meint Hans Drexler, Professor an der Jade Hochschule Oldenburg. Das habe auch mit den hohen energetischen Anforderungen zu tun. Wenn es um erschwinglichen Wohnraum geht, kommt Drexler wie andere Referenten auf die Themen Verdichtung und Minimalisierung zu sprechen, aber auch auf die Bauweise, die hinsichtlich der Produktivität zu wünschen übrig lasse. Der Experte schlägt vor, die Vorfertigung stark zu erhöhen und verweist auf die Autoindustrie, die mit ihrer Plattformstrategie und gleichzeitiger Individualisierung erfolgreich sei. Drexler wünscht sich ein Umdenken, mehr Experimente, mehr Innovationen, neue Wohnformen.

Was am Wohnungsbau in Deutschland auffällt? Mehreres, sagt Bruno Krucker, Professor für Städtebau und Wohnungswesen an der TU München. Da sei etwa das andere Verständnis von Grün hierzulande. In Paris beispielsweise, der dichtesten Stadt Europas, wohnten die Menschen eng beieinander und fänden das ganz in Ordnung so, wer raus wolle, gehe eben nachmittags in den Park. In Deutschland sei das Bedürfnis nach Wohnraum und Raum insgesamt größer, hier würden mehr Einzelbauten entwickelt statt Stadtgebiete, für Krucker ein Fehler. Kritik übt er auch an den vielen Bauregeln und an der bayerischen Bauordnung, die für die Gemeinden gut sei, aber nicht für eine Großstadt. Und er rügt den eigenen Berufsstand: "Architektur ist zuerst Teil der Stadt, und dann des individuellen Ausdrucks . . ., wir brauchen weniger Modernismus."

Einen anderen Blick auf Deutschland wirft Claudia Hildner, Architekturjournalistin aus Düsseldorf. Sie lebte eine Zeit lang in Tokio, der "Stadt der Häuser". Auch in der größten Metropole der Welt wollten die Menschen gern im Einfamilienhaus mit Garten wohnen, erzählt sie. Weil das teuer sei, gebe es in Tokio eine ganz eigene Entwicklung. Wachse eine neue Generation heran, werde das Elternhaus oft abgerissen und die Jungen bauten neu - auf halber Fläche, der Rest werde verkauft. So lasse sich auch Erbschaftsteuer sparen. Das erkläre zum Teil auch die niedrige Lebensdauer der Gebäude in Japan: 26 Jahre. In Deutschland betrage sie 80 Jahre. Um bei all der Verkleinerung möglichst viel an Privatsphäre zu retten, sei die Architektur der neuen Häuser oft sehr fantasievoll. In Japan kein Problem, bei der Stadtplanung gebe es eine große gestalterische Freiheit.

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