Süddeutsche Zeitung

Wohnen im Schloss:Verzicht auf Komfort

Schlösser sind Spardosen: Um das alte Gemäuer zum Beispiepl warm zu halten, müssen 4000 Liter im Jahr getankt werden. Deshalb lassen sich die Schlossherren einiges einfallen, damit Geld in die Kasse kommt.

Gebina Doenecke

Inmitten des riesigen Festsaals dreht sich die junge Schlossherrin im Kreis, um sie herum tanzen Kinder: Mit dem Werbespot für eine Kaffeemarke kam Stephanie Gräfin Bruges von Pfuel vor einigen Jahren auf deutsche TV-Bildschirme.

Heute arbeitet sie als Moderatorin, engagiert sich für SOS-Kinderdörfer und sieht sich selbst als "Erbe-Erhalterin": Die 43 Jahre alte Diplom-Forstingenieurin übernahm 1991 Schloss Tüßling, das 90 Kilometer östlich von München liegt und von dort nach einer etwa eineinhalbstündigen Autofahrt über die B 12 Richtung Altötting zu erreichen ist.

Einen Flügel des weißen Gebäudes mit den vier charakteristischen Zwiebeltürmen bewohnt Familie von Pfuel, einen Teil vermietet sie für Veranstaltungen, Feste oder auch Dreharbeiten. Fußballer Oliver Bierhoff hat zum Beispiel im 340 Quadratmeter großen Barocksaal Hochzeit gefeiert. Der wird für 7500 Euro plus Mehrwertsteuer vermietet, der Gartensaal mit 120 Quadratmetern kostet 4500 Euro.

Feiern sind auch im Renaissance-Innenhof möglich, außerdem steht für Trauungen und Taufen eine Kapelle zur Verfügung. Alles wird mit vielen Abbildungen auch im Internet vermarktet. Denn nur mit den geringen Erträgen der Forstwirtschaft - zu Tüßling gehören immerhin 1100 Hektar Wald - lässt sich ein derartiges Anwesen nicht halten.

"Ich hoffe ständig, nicht schon wieder ein neues Loch zu entdecken", erzählt von Pfuel, die Schloß Tüßling ohne Zuschüsse vom Staat renoviert hat. Größter Kostenfaktor sind heute - neben den laufenden Reparaturen - die immensen Heizkosten: Rund 4000 Liter Öl verbrauchen die von Pfuels im Jahr, und dabei werden noch nicht einmal alle Räume beheizt.

Denn wer in einem Schloss wohnt, verzichtet mitunter auf Komfort. Häufig liegen die Räume nicht günstig oder die Bewohner müssen "Kältebrücken" wie unbeheizte Gänge überqueren. "Wir haben einen enormen Energieverbrauch", erklärt auch Clemens Freiherr von Trebra-Lindenau, dem 25 Kilometer nördlich von München Schloss Weilbach in Unterweilbach gehört.

Der 37 Jahre alte Agrar- und Forstwirt beheizt das dreistöckige Gebäude aus dem 17. Jahrhundert mit einer Holzhackschnitzelheizung, die aus der eigenen Forstwirtschaft beliefert wird. Insgesamt besitzt die Familie 1100 Hektar Land- und Forstwirtschaftsfläche, deren Erträge aber nicht ausreichen. Die großen Renovierungsarbeiten, die in spätestens zwei Jahren abgeschlossen sein sollen, werden daher anders finanziert: Einen Teil gibt das bayerische Kultusministerium, ein Teil stammt aus Grundstücksverkäufen.

Hierbei gehe es darum, so von Trebra, "geeignete Flächen aufzuwerten und mit Gewinn zu verkaufen". Also Ackerland mit Unterstützung der Gemeinde zu Bauland zu machen. Wenn die Renovierung, für die von Trebra rund drei Millionen Euro veranschlagt, beendet ist, will er sein Haus mit der kleinen Schlosskapelle der Öffentlichkeit für unterschiedliche Veranstaltungen zur Verfügung stellen.

An die ständige Vermietung - zum Beispiel gar jedes Wochenende - denkt der Vater von vier Kindern dabei aber weniger. Das wäre nämlich auch mit einem Verlust der Privatsphäre verbunden.

So wie bei Ortholf Freiherr von Crailsheim, der mit seiner Frau auf Schloss Amerang bei Wasserburg lebt. Das hohe weiße Gebäude mit den dunklen Holzfenstern ist eines der ältesten, noch bewohnten Schlösser Bayerns und liegt rund 90 Kilometer von München entfernt. Am besten erreicht man Amerang über die B12 oder B304 nach Wasserburg am Inn.

Malerisch hinter hohen Bäumen gelegen und nur über eine Brücke zu betreten, finden hier im Sommer hochkarätige Konzerte statt. Der vor kurzem neu gestaltete Park, ein wunderschöner Arkadenhof aus dem 16. Jahrhundert sowie weitere Räume werden zudem regelmäßig für Familienfeiern und Firmenveranstaltungen vermietet.

Wie die Eigentümer von Tüßling und Weilbach profitiert von Crailsheim dabei von der Nähe zu München: "Ohne dieses Umfeld wäre eine derartige Nutzung nicht möglich."

Das Angebot geht dabei von einer "Nacht zu zweit" mit Drei-Gänge-Menü am Abend und Frühstück, die man für 490 Euro im Schloss verbringen kann, bis zur Großveranstaltung mit bis zu 450 Personen.

Der 36 Jahre alte Schlossherr, der bei der Renovierung vom Land Bayern und einem 1200 Mitglieder umfassenden Förderverein unterstützt wurde, vermarktet sein Schloss, in dem sich auch ein kleines Museum befindet, äußerst professionell - und wird dabei mittlerweile von anderen kopiert. Sein Fazit: "Man kann auch in heutigen Zeiten ein Schloss halten. Der Preis für den Erfolg ist aber, dass wir nie allein sind."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.564502
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.