Noch einen Trend registrieren die Experten: Die Versorgungssicherheit rückt stärker in den Fokus, also die Frage, ob angeboten wird, was an Hilfe nötig ist. Und das ist auch wichtig, denn zwei Drittel der Bewohner in betreuten Wohnanlagen sind über achtzig, etwa 37 Prozent haben einen Pflegegrad, ein Drittel hat keine Angehörigen mehr. Das spiegele sich im Leistungsangebot wider: Fast die Hälfte aller Anbieter des betreuten Seniorenwohnens betrachtet ihre Wohnanlage bereits als Alternative zum Heim. Allerdings stoßen die Betreiber an Grenzen. Die von vielen Senioren gewünschte Betreuung bis zum Lebensende findet selten statt; eine 24-Stunden-Betreuung könnten nur 16 Prozent der Betriebsträger anbieten, eine eigene Pflegewohngemeinschaft haben nur neun Prozent. "Eine große Herausforderung für die Anbieter von betreutem Wohnen bleibt es in Zukunft, die richtige Balance zwischen Versorgungssicherheit und Selbstbestimmung für die Bewohnerschaft zu gewährleisten", sagt Ursula Kremer-Preiß, Studienleiterin beim KDA.
In fast allen der befragten Anlagen gibt es eine Betreuungskraft, knapp die Hälfte gab aber an, weniger als eine "VZÄ"-Kraft (Vollzeitäquivalent) zu beschäftigen, was in Stunden gerechnet bedeutet, dass die Fachkraft nicht Vollzeit arbeitet beziehungsweise nicht immer jemand zur Verfügung steht. Dafür gibt es in etwa jeder zweiten betreuten Wohnanlage Wahlleistungen wie hauswirtschaftliche Hilfe, Mittagstisch, Notrufsicherung und häusliche Pflegeleistungen, wobei viele Angebote durch externe Dienstleister erbracht werden. Gegen Extrabezahlung, versteht sich.
Wer in eine Einrichtung des betreuten Wohnens zieht, muss nicht nur einen Miet- oder Kaufvertrag abschließen, sondern auch einen Dienstvertrag. Der Verbraucherzentrale Bundesverband rät, darauf zu achten, dass die Wohnung im Vertrag genau beschrieben wird mit Angabe von Apartmentnummer, Größe und Ausstattung der einzelnen Räume. "Vorsicht ist geboten bei Formulierungen wie seniorengerecht oder altersgerecht. Diese haben keine Aussagekraft", betonen die Experten. Stattdessen solle die Barrierefreiheit der Wohnung nach DIN 18040 Teil 2 vom Vermieter oder Verkäufer zugesichert werden. Auch die Einhaltung der DIN 77800 für betreutes Wohnen sei nicht verpflichtend vorgeschrieben und solle vertraglich festgehalten werden. Der Mietvertrag sollte eine genaue Aufstellung der Kosten enthalten und unbefristet geschlossen werden. Zudem solle das Recht des Vermieters zur Kündigung wegen Eigenbedarfs ausgeschlossen werden.
Der Dienstvertrag, auch Betreuungsvertrag oder Service-Vertrag genannt, regelt die Grundleistungen wie beispielsweise den Hausnotruf oder die Sprechzeiten der Betreuungskraft. Er sollte genau ausweisen, welche Leistungen in welchem Umfang enthalten sind. Über Zusatzleistungen wie Haushaltshilfen, Essen auf Rädern oder Fuß- und Haarpflege würden meist gesonderte Verträge geschlossen,.
Die Kosten für die Miet- oder Eigentumswohnung liegen in der Regel etwa zehn Prozent über der ortsüblichen Netto-Kaltmiete beziehungsweise dem Kaufpreis, so die Verbraucherschützer. Marianne Körber
Die Preise? Liegen derzeit bei 9,57 Euro Kaltmiete je Quadratmeter, die Nebenkosten bei 3,20, die Kaufpreise bei 2957 Euro. Vergleichswerte von 2004 werden nicht angegeben.
Die Statistiken geben einen groben Marktüberblick, aber woran erkennt man eigentlich eine gute Wohnanlage?
Eine gewisse Orientierung können Qualitätssiegel bieten, heißt es beim Verbraucherzentrale Bundesverband. Spezielle Siegel für das betreute Wohnen hat zum Beispiel Nordrhein-Westfalen ("Qualitätssiegel Betreutes Wohnen NRW") und Baden-Württemberg ("Betreutes Wohnen für Senioren"). Seit Herbst 2006 gibt es die DINNorm 77800 für betreutes Wohnen, die unter Mitwirkung von Verbrauchervertretern erstellt wurde und bundesweit Mindestanforderungen an die Qualität der Wohnanlagen festlegt. Der Verbraucherverband weist dennoch darauf hin, dass die Bezeichnung "betreutes Wohnen" zu Missverständnissen führen könne. Denn das Wort "betreut" erwecke den Anschein einer umfangreichen Versorgung, und das sei in der Regel beim betreuten Wohnen in diesem Umfang nicht vorgesehen. Eine solche Betreuung finde man eher unter der Bezeichnung "Service-Wohnen".
Einen neuen Ansatz, die Qualität von betreutem Wohnen einzustufen, versucht derzeit die Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. (Gif) Wiesbaden. Im vergangenen Sommer hat die Organisation ein Klassifizierungssystem erstellt, das die Beurteilung von Service-Wohnangeboten für Senioren beziehungsweise betreutes Wohnen in Deutschland transparenter machen soll. Analog zu den Dehoga-Hotelkategorien werden hier ein bis fünf Sterne für die Qualität der Einrichtungen vergeben. Das System hat natürlich nur dann eine große Breitenwirkung, wenn sich möglichst viele Einrichtungen zertifizieren lassen. Ob das der Fall ist, lässt sich derzeit noch nicht sagen.
Qualitätssiegel sollen den Verbrauchern bei der Entscheidung helfen
Die Terragon Investment GmbH, die seit mehr als 20 Jahren Seniorenimmobilien entwickelt und ebenso wie die Immobilienberatung Bulwiengesa maßgeblich an der Erarbeitung der Gif-Richtlinie beteiligt war, hat unterdessen einen Online-Wegweiser für das betreute Wohnen aufgebaut. Senioren und deren Familien fänden auf dem Portal derzeit um die 303 700 Angebote in allen Preiskategorien. Es handelt sich Terragon zufolge um das erste Portal mit Fokus auf das betreute Wohnen, über das sich Interessierte schnell und kostenlos über barrierefreie und betreute Wohnungen informieren können (www.wegweiser-betreutes-wohnen.de).
Das Angebot in Deutschland sei kleinteilig und differenziert wie der Hotelmarkt; es dominierten kleine Einrichtungen mit weniger als 30 Wohnungen, die nur einen eingeschränkten Service bieten könnten. Wohnortnah fänden nur sehr wenige der Senioren überhaupt ein Angebot - vor allem kein differenziertes, das den eigenen Vorstellungen und finanziellen Möglichkeiten entspreche, heißt es bei Terragon.
Das Unternehmen fokussiere sich innerhalb der Gif-Skala auf die Vier-Sterne-Kategorie. Firmenchef Michael Held: "Das Wohnen mit Service entwickelt sich zu dem bedeutendsten Segment der alternativen Versorgung." Nach einer neuen Marktuntersuchung von Terragon fehlen derzeit 550 000 Wohneinheiten in diesem Segment. Das Unternehmen bereitet sich schon mal auf die Nachfrage vor und akquiriert derzeit bundesweit Grundstücke. Gebaut wird natürlich auch im teuren München.