Wohnen auf Zeit:Abwasch-Service inklusive

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Überall in Deutschland entstehen derzeit möblierte Apartments für Geschäftsleute, Pendler und Touristen. Das Angebot kommt gut an und ist für Vermieter äußerst lukrativ.

Von Susanne Osadnik

Noch nie hat es so viele Möglichkeiten gegeben, in einer fremden Stadt zu übernachten oder kurzzeitig zu wohnen. Neben den klassischen Beherbergungsbetrieben wie Hotels oder Pensionen stehen Boardinghouses, Serviced Apartments, Studenthousing oder Businessapartments zur Verfügung. Die Zielgruppen, die damit angesprochen werden sollen, reichen von Geschäftsreisenden über Berufspendler bis zu Touristen. Eines verbindet sie alle: Sie müssen länger als nur eine Nacht bleiben, denn sonst rechnen sich die neuen Angebote nicht.

In der Münchner Landwehrstraße, in der Nähe zu Hauptbahnhof und Theresienwiese, wird zurzeit ein neues Boardinghouse mit 157 Apartments gebaut. In Frankfurt ist die Hotelkette Hyatt mit dem Bau von 180 Serviced Apartments und Suiten am Start. Im Juni hat die Ipartment-Gruppe im Bahnhofsviertel der Mainmetropole 70 Design Serviced Apartments eröffnet; im Europaviertel betreiben die Kölner bereits ein Haus mit 73 Einheiten, und am Flughafen entsteht das dritte Ipartment-Boardinghouse mit 172 Einheiten. "Die Auslastung unserer beiden Häuser im Europa- und im Bahnhofsviertel liegt im Durchschnitt bei 95 Prozent. Daher ist es nur logisch, dass wir unsere gute Position an dem für uns wichtigen Standort Frankfurt mit einem dritten Projekt weiter ausbauen", sagt Ipartment-Geschäftsführer Matthias Rincón. Wer hier eincheckt, muss sich nicht um den Abwasch kümmern, das erledigen Reinigungskräfte, muss nicht putzen oder die Bettwäsche wechseln, lebt mit Designmöbeln, kann über Highspeed-Internet verfügen, hat ein Restaurant im Haus und kann sich, je nach Standort, ein Fahrrad ausleihen. Allerdings muss er auch länger bleiben. Je nach Haus sind Buchungen nicht unter einem Monat möglich; im jüngsten Projekt in Frankfurt geht es schon ab einer Woche los.

"Die Serviced Apartments sind das am schnellsten wachsende Wohnsegment in Deutschland."

Überall in Deutschland werden zurzeit Boardinghouses, Serviced Apartments, Studenthousings und Businessapartments aus dem Boden gestampft. Die einen nennen es "Microliving", die anderen "hybrides Wohnen". Wie immer, wenn ein neuer Trend geboren wird und sich facettenreich zu etablieren sucht, herrscht zunächst ein Wirrwarr an parallelen Begrifflichkeiten. So unterschiedlich die Betreiber ihre Zwittermodelle zwischen Hotelbetrieb und Wohnanlage auch positionieren, eines haben sie gemeinsam: Es geht um Wohnen auf Zeit in Kombination mit mehr oder weniger Service.

Genutzt wird das Angebot von Studierenden, Geschäftsreisenden, Berufsanfängern, die noch keinen eigenen Hausstand gründen wollen oder können, Projektarbeitern, die wochenweise von ihren Firmen in fremde Städte geschickt werden, von Berufspendlern, die nur an den Wochenenden nach Hause fahren, oder Neuankömmlingen in einer Stadt, die erst noch eine feste Bleibe für ihre Familien suchen. So breit gefächert wie die Zielgruppen sind auch die Angebote. Festgelegte Standards gibt es dabei aber nicht. Während das schon ältere Konzept des Boardinghouses ein Ableger des Hotelbetriebs ist, in dem man überwiegend kurzzeitig absteigt, und das "Monteurzimmer" oder die kleine Montage-Arbeiterwohnung von einst ersetzt, ist das hierzulande noch relativ junge Serviced Apartment mehr am Wohnen über Wochen und Monate orientiert. In beiden Fällen sind die Räume voll möbliert; es gibt Küchenzeilen, Rezeptionen, Wäschedienste, Reinigungsservice - und fast überall modernste Technik. Erinnert das Boardinghouse noch eher an einen Hotelbetrieb, ist das Serviced Apartment mehr Zeitwohnen mit Komfort - und auf deutlichem Wachstumskurs.

Laut dem schwedischen Immobilienberatungsunternehmen Catella gibt es hierzulande derzeit 350 000 Apartments, verteilt auf 588 Gebäude. Das macht zwar erst einen Marktanteil von gerade einmal drei Prozent am Hotelmarkt aus. Aber bis 2030 soll sich der Anteil mehr als verdreifachen und bei gut zehn Prozent liegen. "Die Serviced Apartments sind das am schnellsten wachsende Wohnsegment in Deutschland", sagt Catella-Chef-Rearcher Thomas Beyerle. "Aufgrund der sich wandelnden Arbeitsbedingungen und der sozio-demografischen Veränderungen ist davon auszugehen, dass der Markt in ganz Europa weiter wachsen wird." Und die Deutschen sind ganz vorn mit dabei. Neben den Briten, auf die 41,5 Prozent der mehr als 10 000 geplanten Wohneinheiten entfallen, liegt Deutschland mit einem Anteil von 32,4 Prozent auf dem zweiten Platz der Expansionspläne nationaler und internationaler Investoren. Tummelten sich bisher vor allem heimische Anbieter an den wichtigsten Standorten München, Berlin, Frankfurt, Hamburg und Düsseldorf, drängen zunehmend ausländische Marken auf den deutschen Markt - allen voran Saco aus Großbritannien und Staycity aus Irland.

Laut dem aktuellem "Marktreport 2018 Serviced Apartments" der deutschen Vermittlungsagentur Apartmentservice streben die Angelsachsen zunächst einmal nach Berlin, um in der Hauptstadt Präsenz zu zeigen, wollen aber durchaus auch in anderen Metropolen Fuß fassen. Denn mit dem Wohnen auf Zeit lässt sich viel Geld verdienen. Die Apartments liegen preislich jenseits jeden Mietpreisspiegels und können dank Möblierung jede Mietpreisbremse umgehen. Für ein 20 Quadratmeter großes Apartment fallen in Städten wie München schon mal 1700 Euro pro Monat und mehr an. Deshalb sind sie bei Investoren beliebt. "Der Mieter zahlt rund ein Drittel mehr als in einer normalen Mietwohnung", sagt Immobilienspezialist Beyerle. "Die Renditen für die Betreiber liegen aktuell zwischen fünf und sieben Prozent."

Hohe Wohnqualität, große Flexibilität, wenig Verantwortung, das finden immer mehr Leute gut

Mindestens fünf Prozent erwartet man auch bei der Commerz Real. Die Commerzbank-Tochter hat bereits ihren zweiten Spezialfonds für Studenten- und Mikroapartments gestartet. 500 Millionen Euro wollen die Fondsinitiatoren in zehn bis 15 Wohnanlagen in europäischen Universitätsstädten investieren. "Steigende Studierendenzahlen, die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und der Anstieg der Single-Haushalte treiben europaweit die Nachfrage nach Mikroapartments", sagt Johannes Anschott, im Vorstand der Commerz Real verantwortlich für das institutionelle Geschäft.

Auch beim Berliner Apartmentservice beobachtet man, dass immer mehr Projektentwickler aus anderen Bereichen und mit teils gegensätzlichen Konzepten in das Service-Apartment-Segment drängen. "Teilweise werden die unterschiedlichen temporären Wohnformen und ihre Zielgruppen vermischt, sodass verschiedene hybride Konzepte unter einem Dach oder in einem ganzen Quartier entstehen", sagt Anett Gregorius, Gründerin und Inhaberin von Apartmentservice. "Mikroapartments, also Einheiten mit weniger als 25 Quadratmetern, wie sie vor allem die Wohnwirtschaft ins Segment brachte, stellen inzwischen den größten Anteil des Angebots an Serviced Apartments dar und werden zugleich am häufigsten nachgefragt."

Hohe Wohnqualität, große Flexibilität, wenig Verantwortung - das scheint für immer mehr Menschen immer attraktiver zu werden. Dafür sprechen auch die jüngst veröffentlichten Zahlen von Apartmentservice: Danach wurden von den Betreibern im vergangenen Jahr 14,2 Millionen Übernachtungen registriert, 2,7 Millionen mehr als 2016 - bei gleichzeitig sinkender Aufenthaltsdauer auf 27 Nächte. Das blieb nicht ohne Folgen für das Preisniveau: 51 Prozent der Befragten erhöhten die Übernachtungspreise, die mit einer durchschnittlichen Zimmerrate von 101 Euro erstmals über den Zahlen der klassischen Hotellerie liegt.

Das geht in so manchem Hotel durchaus billiger. Grundsätzlich ist das Wohnen auf Zeit nur etwas für Leute, die längerfristig bleiben wollen. Für alle anderen ist es einfach zu teuer, geben auch Branchenprofis zu. "Wir liegen auf dem Preisniveau eines 4-Sterne-Hotels. Nur für eine Nacht lohnt es sich nicht; aber ab einer Verweildauer von zwei bis drei Nächten wird es für Gäste interessant. Grundsätzlich wird es günstiger, je länger man mietet. Wer beispielsweise einen Monat bleibt, zahlt nur noch die Hälfte der Tagesrate", sagt Matthias Niemeyer, verantwortlich für die Entwicklung der australischen Hotelgruppe Adina Apartment Hotels in Deutschland. Diese wirbt damit, "Apartment-Komfort mit den Annehmlichkeiten eines First-Class-Hotels" zu verbinden und bietet Konferenzräume, rund um die Uhr inklusive Zimmerservice, Spa mit Pool, Sauna und Fitness - und hat gerade ihr zweites Adina-Haus in Hamburg eröffnet.

© SZ vom 05.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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