Wo was gemessen wird:Hypothetische Wohnflächen

Geschäfte werden immer internationaler, das gilt auch für die Immobilienbranche. Neue Standards sollen nun Wohn- und Bürogebäude auf der ganzen Welt vergleichbar machen. Ziel ist mehr Markttransparenz.

Von Marianne körber

Die Welt wächst zusammen, Geschäfte werden immer internationaler. Das gilt auch für die Immobilienbranche. Was liegt da näher, als einheitliche Standards zu entwickeln? Zum Beispiel für die Berechnung der Wohnfläche. Denn nur so haben Investoren, Verkäufer und Mieter die Möglichkeit, Objekte richtig einzuschätzen.

"Je nach Messstandard kann die Fläche desselben Gebäudes um bis zu 27 Prozent variieren."

Die Vergleichbarkeit herzustellen hat sich die RICS zur Aufgabe gemacht, eine weltweit tätige Berufsorganisation, die 118 000 Immobilienexperten vertritt. Diese hat nun eine von Experten der Universität Ulster durchgeführte Studie vorgelegt, die einen Überblick über die derzeit weltweit verwendeten Flächenermittlungsstandards gibt. Die Umfrageergebnisse zeigen: Es gibt je nach Land enorme Unterschiede bei der Vermessung von Wohnflächen - bis zu 27 Prozent bei Wohnungen, bei Häusern sogar bis zu 58 Prozent.

Das liegt beispielsweise daran, dass Flure, Balkone, Dachterrassen oder Carports bei der Fläche unterschiedlich angerechnet werden. Die Briten etwa messen die Wohnfläche ohne Innenwände, die Mietfläche sei so also größer, berichtet Marc Grief, Professor für Planungs- und Baumanagement an der Hochschule Mainz und Mitglied im Arbeitskreis Flächendefinition der gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung. Die unterschiedlichen Messarten seien auch historisch bedingt, je nachdem, ob es in einem Land mehr Mieter oder Eigentümer gebe. Beim britischen Messmodell hätten Haus- oder Wohnungsbesitzer mehr Flexibilität bei der Raumgestaltung.

Eine bessere Vergleichbarkeit sollen die "International Property Measurement Standards for Residential Buildungs" schaffen, kurz IPMS. Mit dieser Methode zur einheitlichen Flächenermittlung könnten Probleme bei Immobilientransaktionen, Mietkalkulationen oder Betriebskostenrechnungen vermieden werden, lautet die Hoffnung. Bis zur Anwendung solch einheitlicher Standards sei es aber noch ein sehr langer Weg, meint Grief.

Was bei Wohnimmobilien noch in den Anfängen steht, gibt es bei Bürogebäuden schon, wenn auch nicht sehr lange. 2014 wurden erstmals Standards zur Flächenermittlung bei Büros vorgestellt. Dass eine bessere Vergleichbarkeit nötig ist, beschrieb die RICS damals anhand von Beispielen. In Indien etwa sei es üblich, angegliederte Parkplätze zur Bürofläche zu zählen, in Spanien würden Freizeiteinrichtungen mitgerechnet. In manchen Regionen des Mittleren Ostens könnten sogar "theoretische" Geschosse in die Flächenberechnung einbezogen werden, in anderen Gegenden nur klimatisierte Flächen, während die tatsächliche Grundfläche irrelevant sei. "Je nach verwendetem Messstandard kann die berechnete Fläche ein und desselben Gebäudes um bis zu 24 Prozent variieren", hieß es bei der Berufsorganisation. Dementsprechend hätten Unternehmen auf eigene Kosten Umrechnungen erstellen müssen, um eine Vergleichbarkeit zu erhalten. Investoren gingen durch Schwankungen bei den angegebenen Gebäudegrößen Risiken ein.

Vorausgesetzt, die Standards zur Flächenermittlung kommen auch global flächendeckend zur Anwendung, könnten Markttransparenz geschaffen, das Vertrauen der Marktteilnehmer untereinander gefördert und Betrugsfälle verhindert werden, erwarten Experten. Optimisten sehen hier sogar einen Beitrag zu stärkerer wirtschaftlicher Stabilität.

RICS war Gründungsmitglied der Initiative, die den Standard IPMS entwickelt hat. Diese Koalition aus führenden Immobilienorganisationen wurde 2013 bei einem Treffen der Weltbank in Washington ins Leben gerufen.

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