Wirtschaftskrise:Finanzminister schreiben das Jahr 2010 ab

Total verkalkuliert: Die Konjunkturprognose der EU ist nicht haltbar, schon jetzt glauben die Finanzminister nicht mehr an eine Erholung der Wirtschaft im Jahr 2010.

Wann sich die Weltwirtschaft wieder erholt, darüber streiten Experten. Die Optimisten hoffen auf eine Wende zum Positiven bereits für das zweite Halbjahr 2009. Viele Volkswirte dagegen glauben, die Situation werde sich nicht vor 2010 verbessern.

Flaute, Konjunktur, dpa

Dunkle Wolken über dem Hamburger Hafen. Die EU-Finanzminister sehen auch für 2010 noch keine Besserung der Wirtschaftslage.

(Foto: Foto: dpa)

Inzwischen jedoch rechnen viele Ökonomen und Experten nicht einmal mehr mit einer Erholung im kommenden Jahr. Einem internen Papier zufolge haben die EU-Finanzminister inzwischen die Hoffnung aufgegeben, die Wirtschaftslage könnte sich 2010 wieder bessern. Es sei "höchst unsicher", ob das Wachstum 2010 wieder anspringe, heißt es in dem Schreiben, das der Financial Times Deutschland vorliegt. Das düstere Szenario lasse die offiziellen Konjunkturprognosen der EU als viel zu optimistisch erscheinen. Noch Mitte Januar hatte Wirtschaftskommissar Joaquin Almunia eine Verbesserung der Lage im zweiten Halbjahr 2009 vorhergesagt.

Inzwischen hat jedoch auch Almunia von seinen Aussagen Abstand genommen. "Ich neige dazu anzunehmen, dass eine allmähliche Erholung erst 2010 eintreten wird", sagte der Wirtschaftskommissar. Ein Grund hierfür ist wohl auch die prekäre Lage vieler osteuropäischer Staaten. Mit Rumänien steht der dritte EU-Staat am Rande der Zahlungsunfähigkeit.

Rumänien braucht Notkredit

Almunia teilte mit, nach Ungarn und Lettland werde voraussichtlich auch Rumänien einen Notkredit von der EU brauchen. Er schloss zudem weitere Hilfsanträge nicht aus: "Wir sind bereit, in allen Fällen, in denen Unterstützung benötigt wird, zu reagieren, wie es bei Rumänien der Fall sein könnte, sobald wir ein Schreiben der rumänischen Regierung erhalten."

Die rumänische Zentralbank hatte bereits Ende Februar erklärt, das Land werde die EU und den Internationalen Währungsfonds um Hilfe bitten. Zahlen wurden bislang nicht genannt. Almunia zeigte sich zuversichtlich, dass die für solche Rettungsaktionen derzeit noch verfügbaren Mittel in Höhe von 15 Milliarden Euro ausreichten: "Wir haben mehr als genug Reserven, um Rumänien zu helfen", sagte Almunia.

Die EU-Kommission darf zur Unterstützung von Staaten außerhalb der Eurozone, die von Zahlungsunfähigkeit bedroht sind, Darlehen im Umfang von bis zu 25 Milliarden Euro aufnehmen und diese an die betroffenen Länder weiterreichen. Ungarn erhielt bereits einen EU-Kredit über 6,5 Milliarden Euro, Lettland bekam 3,1 Milliarden Euro. Es stehen also noch rund 15 Milliarden Euro zur Verfügung.

"Ich hoffe, dass es keinen Grund geben wird, über die gegenwärtige Obergrenze hinauszugehen", sagte Almunia. Der österreichische Finanzminister Josef Pröll hatte zuvor gewarnt: "Wahrscheinlich werden die 25 Milliarden Euro nicht ausreichen, wenn die Entwicklung so weitergeht."

Lesen Sie im zweiten Teil, wie die EU den Vorstoß aus Amerika aufnahm, Europa müsse mehr Geld zur Belebung der Wirtschaft investieren.

Finanzminister schreiben das Jahr 2010 ab

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) glaubt jedoch, die Mittel werden ausreichen, um die osteuropäischen Länder zu unterstützen. Forderungen nach einer Aufstockung des EU-Krisenfonds erteilte er eine Absage. "Wir haben in zwei Fällen bewiesen, dass wir solidarisch sein können - das ist der Fall Ungarn und das ist der Fall Lettland." Rumänien könne nach dem gleichen Muster unterstützt werden. Zudem gebe es inzwischen die Finanzhilfe der Osteuropa-Bank (EBRD) und der Weltbank für Osteuropa. "Insofern ist das Instrumentarium da."

Die EU-Finanzminister befürchten jedoch auch, dass die Wirtschaftskrise heftiger sein und länger dauern werde als bislang befürchtet. In dem internen Papier heißt es, dass die europäischen Volkswirtschaften von Negativwachstum, historisch niedrigem Verbraucher- und Geschäftsvertrauen sowie ausgetrockneten Kreditflüssen geprägt seien. "Negativspiralen zwischen der Realwirtschaft und den Finanzmärkten verschlimmern die Situation." Die Minister wollen das Papier am Dienstag beschließen.

Dennoch wollen die Finanzminister einen Zeitplan zum Abbau ihrer nationalen Haushaltsdefizite festlegen. "Die meisten Mitgliedsstaaten werden ihre Konsolidierungsanstrengungen 2010 beginnen, diejenigen mit Haushaltsspielraum werden 2011 anfangen", heißt es. Nur so könne vermieden werden, dass die Märkte hoch verschuldete Regierungen durch noch höhere Risikoaufschläge auf ihre Staatsanleihen abstrafen.

Ärger über Vorstoß aus USA

Eine weitere Nachbesserung der Konjunkturpakete wird es jedoch aller Voraussicht nach erst einmal nicht geben. "Wir sind nicht bereit, die Konjunkturpakete auszuweiten", sagte der Eurogruppen-Vorsitzende Jean-Claude Juncker, der luxemburgischer Finanzminister und Ministerpräsident in Personalunion ist.

Verärgert zeigte sich der Eurogruppen-Chef über Kritik aus den USA, die Europäer handelten in der Krise nicht entschlossen genug. "Europa und die Eurogruppe haben das Nötige getan", sagte Juncker. Die staatlichen Ausgaben zur Belebung der Konjunktur entsprächen mindestens 3,3 Prozent der EU-weiten Wirtschaftsleistung. Auf diesen Betrag kommt man laut Analysen der EU-Kommission allerdings nur, wenn automatische Effekte der Krise wie steigende Ausgaben für Arbeitslosengeld und sinkende Steuereinnahmen eingerechnet werden.

Auch der Präsident des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, sprach sich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung für großzügigere Konjunkturprogramme aus. Zudem komme die Stabilisierung der Banken nicht schnell genug voran. In Hinblick auf Deutschland hält er das hiesige Konjunkturprogramm für "in Ordnung". "Aber bei der Bankenrettung muss Deutschland, wie andere Länder auch, viel aggressiver vorgehen", sagte der IWF-Präsident - der ebenfalls die Zuversicht in eine rasche Besserung der Lage verloren hat. Erst im ersten Halbjahr 2010 und damit später als von vielen Regierungen erhofft rechne er mit einem Aufschwung, sagte Strauss-Kahn in dem Interview. Für Europa allein erwarte er in diesem Jahr ein BIP-Minus von bis zu 2,5 Prozent.

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