Wie die EU Griechenland retten will:Und vergib uns unseren Schuldenberg

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"Griechenland ist in einer einzigartig ernsten Situation im Euroraum", stellt die Abschlusserklärung des EU-Sondergipfels fest. Die Griechen wissen, dass sie die Milliardenkredite alleine niemals abtragen können. Nun kann Athen erstmals das Geld aus den Notkrediten viel länger behalten als bisher. Doch diese Erleichterung alleine reicht nicht.

Alexander Hagelüken

Schulden haben heute viele, Firmen, Staaten und zahlreiche Bürger. Schulden werden zum unüberwindlichen Problem, wenn sie jemand wahrscheinlich nicht mehr zurückzahlen kann - und deshalb kein neues Geld bekommt, um seine Geschäfte am Laufen zu halten. Vor dieser Situation steht der Euro-Staat Griechenland, der Gläubigern aus aller Welt inzwischen eineinhalb Mal so viel Geld schuldet, wie seine Unternehmen und Arbeiter jedes Jahr erwirtschaften. 150 Prozent Verbindlichkeiten - viel zu viel, sagen die Ökonomen.

Premierminister Giorgos Papandreou schilderte beim Sondergipfel die dramatische Lage Griechenlands. (Foto: AFP)

Niemals wird die griechische Volkswirtschaft so stark wachsen, um diesen Schuldenberg aus alleiniger Kraft abtragen zu können. Und wegen der prekären Lage bekommt das Land auf den Kapitalmärkten auch kein neues Geld mehr, wenn bisherige Kredite auslaufen. Eine tödliche Lähmung der Volkswirtschaft droht.

"Griechenland ist in einer einzigartig ernsten Situation im Euroraum", stellte die Abschlusserklärung des Gipfels fest. Um Griechenlands Kollaps zu verhindern, haben Europas Regierungschefs Rettungspläne entworfen - zusätzlich zu den mehr als 100 Milliarden Euro Krediten, die dem Land bereits zugesagt sind.

Erstmal kann Athen das Geld aus den Notkrediten der Euro-Partner viel länger behalten als bisher, nämlich 15 Jahre. Erst dann muss es zurückzahlen. Das hilft ebenso wie die Senkung des Zinssatzes von 4,5 auf 3,5 Prozent - so günstig würden deutsche Häuslebauer gern ihr Eigenheim finanzieren. Und für zehn Jahre laufende griechische Staatsanleihen sind an den Börsen momentan weit über 15 Prozent Zinsen fällig.

Diese Erleichterungen bei der staatlichen Seite alleine reichen aber nicht. Der Schuldenberg von insgesamt 350 Milliarden Euro drückt zu sehr, er macht eine Stabilisierung des Landes unwahrscheinlich. Deshalb soll die griechische Regierung Geld aus dem Rettungsfonds EFSF erhalten, um Staatsanleihen zurückkaufen zu können - im gleichen Umfang sinken dann die Schulden des Landes. Gleichzeitig ist dies eine der Möglichkeiten, um die privaten Gläubiger wie Banken an den Kosten der Rettung zu beteiligen, was insbesondere der Bundesregierung wichtig ist, weil die Steuerzahler schon jetzt eine große Belastung tragen.

Die Regierung soll die Anleihen nicht zu 100 Prozent ihres Ausgabewertes zurückkaufen, also nicht zu dem Betrag, den sie einst von einer Bank erhalten hat - sondern zu einem niedrigeren Wert. In Wahrheit sind griechische Anleihen an der Börse auch schon viel weniger wert als 100 Prozent. Aber die Bank wäre eben gezwungen, diese Verluste auch wirklich zu realisieren, was ihre Unternehmensgewinne entsprechend reduziert. Im Schnitt, hieß es am Donnerstag, sollen die privaten Gläubiger auf 20 Prozent ihres Investments verzichten.

Das ist aber nur eine Möglichkeit, wie die privaten Gläubiger an der Rettung beteiligt werden können. Bei den Verhandlungen stellte sich heraus, dass die einzelnen Finanzkonzerne sehr unterschiedliche Interessen haben. Einige Versicherer etwa wollen ihre Staatspapiere lieber behalten, als sie zu einem Abschlag zu verkaufen.

Deshalb gibt es die Variante, Anleihen in Papiere mit längerer Laufzeit umzuwandeln. Vorteil für die Griechen: Wenn eine Anleihe 30 Jahre läuft statt zehn, haben sie länger Ruhe und müssen sich erst später um neues Geld kümmern, das sie nach ihrer wirtschaftlichen Erholung dann zu niedrigeren Zinsen von Investoren bekommen. So die Hoffnung.

Die dritte Variante ist, die Papiere in neue Anleihen umzutauschen, für die Griechenland an Investoren niedrigere Zinsen zahlen muss. Vorteil: Die jährliche Zinsbelastung des Landes sinkt, wodurch sich die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben reduziert. Um Investoren die niedrigeren Zinsen schmackhaft zu machen, soll es für diese neuen Anleihen Garantien des Rettungsfonds geben; die Anleger müssen dann nicht mehr befürchten, bei einer Pleite Griechenlands all ihr Geld zu verlieren.

All diese Beteiligungen der privaten Gläubiger bedeuten letztlich eine Form des Schuldenerlasses. Alle 68 Länder, die in den vergangenen 40 Jahren Gläubigern Geld schuldig blieben, machten eine ähnliche Erfahrung: Sie hatten es schwer, von den Investoren neues Geld zu bekommen. Besonders große Angst haben die Euro-Regierungen vor dem Urteil der Ratingagenturen, Griechenland bei einem Schuldenerlass jeder Art als "Zahlungsausfall" abzustempeln.

Dieses Urteil soll mit einem Trick abgemildert werden: indem der Rettungsfonds EFSF Garantien für Anleihen abgibt, die gerade umgetauscht werden. Diese Garantien sollen es der Europäischen Zentralbank (EZB) erlauben, griechischen Banken weiter frisches Geld zu geben, wenn diese Griechenland-Anleihen als Sicherheit hinterlegen. Bisher kann die EZB nach eigenen Angaben kein Geld für Sicherheiten herausgeben, die mit dem Makel "Zahlungsausfall" belegt sind.

Das Problem ist, dass Griechenland nicht alleine steht. Die Sorge der Euro-Partner: Hat Griechenland den Stempel "Zahlungsausfall", verkaufen die Investoren auch Anleihen von Italien und Spanien. Das wäre nicht nur ein Problem für diese Staaten, die sich nur noch schwer finanzieren könnten. Auch viele Banken könnten in Schwierigkeiten geraten. Die vom deutschen Staat im Jahr 2008 nur mit Mühe gerettete Commerzbank etwa hält noch für knapp drei Milliarden Euro griechische Anleihen - aber für mehr als zwölf Milliarden Euro Staatspapiere von Italien und Spanien.

Die Gefahr des Übergreifens der griechischen Malaise auf die großen Volkswirtschaften unter den Problemkandidaten wollen die Euro-Regierungschefs bannen. Dafür sind sie zu ungewöhnlichen Maßnahmen bereit. So soll der Rettungsfonds auch Staatsanleihen aus Spanien oder Italien aufkaufen, sofern diese unter den Rettungsschirm flüchten.

Sobald ein Staat in Not gerät, soll er auf eine offene Kreditlinie zurückgreifen können: Geld, das sofort zur Verfügung steht, wenn das Misstrauen der Finanzmärkte ein Land in die Enge treibt. Dieses Instrument ist vom Internationalen Währungsfonds abgekupfert. Die Washingtoner Organisation rettet mit dieser Maßnahme Bananenrepubliken oder auch osteuropäische Krisenländer wie die Ukraine, wenn diese unter Druck geraten.

© SZ vom 22.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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