WestLB: Thomas Fischer:Gute Aktien, schlechte Aktien

Die WestLB verzockte 600 Millionen Euro an der Börse. Gegen eine Zahlung von 150.000 Euro erspart sich Ex-Chef Thomas Fischer den Gang vors Gericht. Ganz so einfach wird es zwei früheren Händlern des Institutes womöglich nicht gemacht.

Klaus Ott

Düsseldorf/München - Früher war Thomas Fischer einer der führenden Bankmanager in Deutschland. Seit seinem unfreiwilligen Vorruhestand vor ziemlich genau drei Jahren, als er nach horrenden Verlusten der Westdeutschen Landesbank (WestLB) dort den Vorstandsvorsitz aufgeben musste, zieht es den passionierten Segler hinaus auf die Meere. Derzeit ist der 62-jährige Frühpensionär im Pazifik unterwegs - da kann er weiterhin den Wind und die Wellen genießen. Der frühere Bankchef muss wegen der mehr als 600 Millionen Euro, die in der WestLB im Frühjahr 2007 beim Handel mit Aktien vor allem der Autokonzerne VW und BMW auf ziemlich abenteuerliche Art und Weise verzockt wurden, nicht vor Gericht erscheinen. Die Anklagebank bleibt ihm erspart.

THOMAS R. FISCHER

Der frühere Vorstandsvorsitzende der WestLB, Thomas Fischer. Derzeit ist der 62-jährige Frühpensionär im Pazifik unterwegs.

(Foto: ag.ap)

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat ihr Ermittlungsverfahren gegen Fischer und fast alle anderen damaligen Vorstandsmitglieder der WestLB eingestellt, gegen Zahlung von bestimmten Beträgen. Das reicht von mehreren zehntausend bis hin zu rund 200000 Euro. Ex-Bankchef Fischer muss 150000 Euro aufbringen. Dass Fischer zahle, sei aber "kein Geständnis", sagt dessen Frankfurter Anwalt Eckart Hild. Sein Mandant habe sich in dieser Causa "strafrechtlich nichts vorzuwerfen". Die Staatsanwaltschaft habe vorgeschlagen, das Ermittlungsverfahren gegen Fischer gegen eine Geldauflage einzustellen, dem habe man aus "prozessökonomischen Gründen" zugestimmt, äußert Hild. Andernfalls wäre nämlich Anklage erhoben worden. Es hätte für Fischer "keinen Sinn gemacht, monatelang auf der Anklagebank zu sitzen, um dann einen Freispruch zu bekommen", erklärt der Anwalt.

Ganz ohne Gerichtsverfahren wird die Affäre, die bezeichnend ist für das langjährige Geschäftsgebaren vieler Landesbanken, aber wohl nicht enden. Nach Angaben aus Justizkreisen will die Staatsanwaltschaft zwei ehemalige Aktienhändler der WestLB anklagen, weil sie unverantwortlich agiert und so Bankvermögen veruntreut haben sollen. Die Düsseldorfer Ermittler halten den beiden vor, risikoreiche Geschäfte verschleiert zu haben, um ihre Bonuszahlungen nicht zu gefährden. Die Gier nach Boni als Motiv für mutmaßliche Kapitaldelikte soll erstmals vor Gericht in Deutschland verhandelt werden. Einer der beiden Aktienhändler hatte über Jahre hinweg Sonderzahlungen in Höhe von insgesamt 4,75 Millionen Euro erhalten, weil er so erfolgreich gewirtschaftet habe. Ein weiteres Zusatzhonorar über eine Million Euro wurde nicht mehr ausgezahlt, nachdem der Reinfall mit den Papieren der Autokonzerne aufgeflogen war. Die WestLB hatte die beiden auf Betreiben des damaligen Vorstandschefs Fischer daraufhin wegen Veruntreuung von Bankvermögen, Manipulation und Insidergeschäften angezeigt.

Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft nahm sich der Sache an und startete eines der größten Ermittlungsverfahren der vergangenen Jahre in

der Finanzbranche. 15 aktive und ehemalige Mitarbeiter und Manager der WestLB und weitere Akteure aus der Finanzbranche wurden unterschiedlicher Delikte beschuldigt, darunter der gesamte damalige Vorstand. Fischer und seine Kollegen sollen den Aufsichtsrat zu spät über hohe Risiken an den Börsen informiert haben.

Das Kontrollgremium der WestLB hatte nach dem Desaster beim Aktienhandel fast den gesamten Vorstand ausgetauscht, nur zwei Manager blieben im Amt: Hans-Jürgen Niehaus und Werner Taiber. Die beiden beteuerten ebenso wie die übrigen damaligen Vorstandsmitglieder ihre Unschuld. Nun enden die Ermittlungen für die Managerkaste glimpflich. Die Justiz hat die Verfahren gegen Fischer & Co bis auf einen Fall, der aus eher formalen Gründen noch anhängig ist, nach 153a der Strafprozessordnung eingestellt. Der Paragraf besagt, von einer Anklage könne abgesehen werden, sofern die "Schwere der Schuld" dem nicht entgegenstehe und das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung mit Auflagen beseitigt werden könne. Als Auflagen kommen insbesondere auch Zahlungen an die Staatskasse und an gemeinnützige Organisationen in Betracht, die keine Geldbuße und auch keine Strafe sind.

Genau das geschieht nun im Fall WestLB - wobei laut höchstrichterlicher Rechtsprechung eine solche Verfahrenseinstellung keine Schuldzuweisung darstellt. Für die beiden noch amtierenden Vorstandsmitglieder Niehaus und Taiber bedeutet das: Sie können ihre Posten behalten. Und für Ex-Vorstandschef Fischer heißt das: Er kann viel Geld behalten. 3,9 Millionen Euro hat ihm die WestLB laut internen Bankunterlagen nach seinem vorzeitigen Ausscheiden gezahlt. Und mittlerweile soll er mehrere hunderttausend Euro Ruhegehalt pro Jahr bekommen. Im Falle einer Verurteilung Fischers hätte die Landesbank versuchen können, Millionen zurückzufordern und Schadenersatz für die Verluste beim Aktienhandel geltend zu machen. So aber bleibt es bei dem, was damals ausgemacht wurde.

Die WestLB war Fischers letzte Station nach einer bunten Karriere gewesen, die ihn über die Landesgirokasse Stuttgart und den Vorstand der Deutschen Bank im Jahr 2004 schließlich nach Düsseldorf zur WestLB geführt hatte. Der gebürtige Berliner sollte die damals defizitäre Landesbank dauerhaft zurück in die Gewinnzone führen und Visionen entwerfen - er scheiterte aber letztendlich. Nach seiner Ablösung wegen der horrenden Verluste im Aktienhandel pokerten Fischers Anwälte und die WestLB monatelang heftig um viele Millionen Euro, wie aus Protokollen des Aufsichtsratspräsidiums hervorgeht.

Einer der Kontrolleure seufzte damals, die Gespräche mit Fischer "verliefen nicht einfach". Dessen Anwälte hätten zuerst Ansprüche von fast 30 Millionen Euro errechnet, inklusive Restvergütung für die Vertragsdauer, einem Sonderbonus, Übergangsgeld und weiteren Ansprüchen. Gefordert worden seien 17 Millionen Euro, außerdem habe sich die Bank für die in Zusammenhang mit Fischers Amtsende "entstandenen Unannehmlichkeiten ausdrücklich entschuldigen" sollen. So steht es in den Niederschriften, und so war es für die WestLB unannehmbar.

Den Protokollen zufolge einigte man sich schließlich auf 3,9 Millionen Euro und auf das spätere Ruhegehalt. Die Bank bescheinigte Fischer, dieser sei nicht an den Fehlspekulationen im Aktienhandel beteiligt gewesen. Und sie wünschte ihm für die Zukunft alles Gute. Was man eben so sagt. Der Aufsichtsrat, der ein Gerichtsverfahren und die "Gefahr einer längeren öffentlichen Diskussion" vermeiden wollte, sah keinen Spielraum mehr für weitere Verhandlungen.

Von den 150000 Euro, die Fischer jetzt zahlen muss, gehen 30000 Euro an eine Kinderstiftung und 120000 Euro an den Staat. Für Segeltörns über die Weltmeere bleibt mehr als genug übrig.

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