WestLB:Bluthunde auf Boni-Jagd

Gezockt und geflucht: Beim Aktienhandel der WestLB ging es schlimmer zu als einst an den Pokertischen im Wilden Westen. Wie die Gier nach immer höheren Gewinnen und Boni um sich griff.

Klaus Ott

Die Fahnder des Landeskriminalamtes (LKA) Nordrhein-Westfalen, die im Juli 2007 das Haus des zuvor bei der Westdeutschen Landesbank (WestLB) beschäftigten Aktienhändlers Markus B. durchsuchten, müssen ziemlich verblüfft gewesen sein. Der gelernte Bankkaufmann hatte es zu einem Vermögen gebracht, das für einen leitenden Angestellten im Alter von gerade mal 34 Jahren erstaunlich groß ausfiel. Neben einem 30.000 Quadratmeter großen Anwesen im Bergischen Land besaß er weitere Immobilien, darunter eine in Frankreich und ein Stückchen Land in den USA.

WestLB: Bluthund Bärbel vom Ausbildungszentrum der Polizei in Schloß Holte-Stukenbrock, Nordrhein-Westfalen.

Bluthund Bärbel vom Ausbildungszentrum der Polizei in Schloß Holte-Stukenbrock, Nordrhein-Westfalen.

(Foto: Foto: dpa)

Der Familienvater wollte im Privatleben, ganz anders als im Job, offenbar keine Risiken eingehen und investierte fast ausschließlich in sichere Geldanlagen. Wie der junge Mann nach der Mittleren Reife in Köln und Lehre bei der Deutschen Bank zu einem solchen Vermögen hatte kommen können, erschloss sich den Ermittlern erst, als sie seine Verdienstabrechnungen auswerteten. Als letztes Gehalt waren für 2006 immerhin 1,35 Millionen Euro eingetragen.

Millionen abkassiert

Auch in den Jahren zuvor hatte Markus B. meist Millionen kassiert, vor allem dank üppiger Bonus-Zahlungen. Das war mehr, als laut einer internen Auflistung manche Vorstände der WestLB bekamen. Man habe B. als Tophändler betrachtet und verhindern wollen, dass er nach England oder in die USA gehe, wo er wesentlich höhere Boni erhalten hätte, sagte ein früherer Kollege später als Zeuge aus.

Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen Markus B. und 13 weitere Beschuldigte wegen Manipulation von Aktienkursen, Veruntreuung von Bankvermögen oder anderer Delikte. Die Hälfte der Verdächtigen sind ehemalige oder aktive Vorstände der WestLB, darunter auch Ex-Bankchef Thomas Fischer. Er und seine damaligen Vorstandskollegen sollen den Aufsichtsrat zu spät über hohe Risiken an den Börsen informiert haben. Die Bank, die dem Land Nordrhein-Westfalen und den dortigen Sparkassen gehört, hatte im Frühjahr 2007 beim Handel mit Aktien vor allem von VW und BMW 604 Millionen Euro verloren. Kriminelle Verfehlungen sollen zu dem Desaster geführt haben. Es ist das derzeit größte Verfahren gegen Bankmanager in Deutschland.

Gezockt und geflucht

Die Ermittlungen ermöglichen tiefe Einblicke in eine Welt, in der in Sekundenschnelle Millionen hin und her geschoben werden und in der mehr gezockt und geflucht wurde als an den Pokertischen im Wilden Westen. Von der WestLB routinemäßig aufgezeichnete Telefonate der Händler, Bankunterlagen und Aussagen von Zeugen wie Beschuldigten geben Aufschluss, wie die Gier nach immer höheren Gewinnen und Boni um sich griff.

So hatten Teile des WestLB-Vorstands Mitte des Jahrzehnts einen neuen Kurs propagiert: Herkömmliche Bankgeschäfte mit Privat- und Firmenkunden galten als altmodisch - den schnellen Profit erwarteten die Chefs vom Handel mit Aktien und fragwürdigen Kreditpaketen aus Übersee. Wer nicht mitmachte, galt intern als Geschäftsverhinderer. Das für den Aktienhandel zuständige Vorstandsmitglied erhielt einer Liste aus dem Jahr 2006 zufolge nahezu den höchsten Bonus, deutlich über eine Million Euro. Er sei der wichtigste strategische Impulsgeber und verantwortlich für zwei Drittel der Gesamterträge, lautete die Begründung für das hohe Salär.

Die neue Geschäftspolitik verleitete offenbar auch Markus B. und dessen Vorgesetzten Friedhelm B. dazu, immer größere Risiken einzugehen. Markus B. war früh aufgestiegen. Dass er seine Käufe und Verkäufe entgegen den Vorschriften nicht immer sofort in den PC eingab und bei ihm auch sonst manches verbesserungswürdig sei, darunter die Risikostreuung und die Einhaltung von Kreditlinien, wog bei der internen Bewertung weit weniger als die Gewinne. Die lagen lange über dem Plan. Ein Vorstand soll sogar auf mögliche Kursmanipulationen hingewiesen worden sein. Er soll geantwortet haben, das dürfe er nicht hören.

So konnten Markus B. und sein Vorgesetzter Friedhelm B. wohl grenzenlos schalten und walten und in ihren hermetisch abgeschirmten Handelsräumen in eine Welt eintauchen, in der nur die abgebrühtesten Spekulanten Erfolg hatten - wenn auch nur vordergründig. Wer nicht mitspielte, galt als "Verräter" oder "Dreckszicke", Konkurrenten waren "Arschlöcher" und "Bluthunde". Manche der von der Bank zur internen Kontrolle mitgeschnittenen Telefondialoge hätten auch aus der Rotlichtszene stammen können: Sinkende Aktienkurse wurden als "Fickwerte" bezeichnet, deren Preis "Kacke" sei.

Kurstreiber vom Dienst

Recht ruppig ging es auch zu, wenn man sich über die Tricks unterhielt, mit denen die Kurse von VW und BMW künstlich gestützt werden sollten. Etwa durch Zukäufe der Aktien über die vom Vorstand der WestLB gesetzten Grenzen hinaus. Da wurde erst über das "Scheißlimit" geschimpft und später gesagt, wenn es nicht anders gehe, müsse man dieses Limit eben überreißen. Das habe man ja gestern auch schon gemacht. Die Mitschnitte offenbaren auch, wie das geschehen sein soll. Die WestLB soll eigene Aktienpakete bei anderen Banken geparkt haben, damit die eigenen Aktienhändler kurz vor Börsenschluss erneut zugreifen und weitere Papiere kaufen konnten, um die Kurse nach oben zu treiben.

WestLB: Die WestLB am Pranger: Bank-Manager sollen Aktienkurse manipuliert haben, um sich hohe Boni zu sichern.

Die WestLB am Pranger: Bank-Manager sollen Aktienkurse manipuliert haben, um sich hohe Boni zu sichern.

(Foto: Foto: dpa)

Wie unangreifbar sich Markus B. gefühlt haben dürfte, dokumentiert ein Telefonat vom September 2006 mit einem WestLB-Kollegen in Südafrika. Markus B. erkundigte sich nach einer größeren Farm und dem dortigen Wildbestand. Ein 6000 Hektar großes Objekt sei verfügbar, mit Antilopen, Giraffen, lautete die Antwort. Dann kam Markus B. zur Sache: Ob denn die Finanzbehörden in Südafrika von solch einem Kauf erfahren würden? Das wäre unschön, denn das Geld käme aus der Schweiz. Hatte er bei den Eidgenossen Schwarzgeld versteckt, das er nun am Fiskus vorbei ausgeben wollte? Markus B. äußert sich dazu nicht, eine SZ-Anfrage bei seinem Anwalt bleibt unbeantwortet. Der Anwalt von Friedhelm B. gibt auch keine Auskunft.

Brandheiße Geschäfte

In den ersten Monaten des Jahres 2007 wurden die riskanten Geschäfte schließlich zu heiß, auch weil sich die Kurse der VW-Aktien anders entwickelten als von den Händlern erhofft. Die Verluste häuften sich, die Bank entließ die beiden Händler und zeigte sie an. Die Staatsanwaltschaft begann zu ermitteln und erkannte schnell, dass womöglich viele Bankmanager Fehler gemacht haben, bis hinauf in die Führungsspitze. Einige Manager belasteten Kollegen schwer: Die Überwachung der Limits sei ausgeschaltet worden. Ein Zeuge sagte aus, der Verlust wäre um die Hälfte niedriger ausgefallen, wenn die vom Vorstand im September 2006 verfügte Obergrenze beim Aktienhandel eingehalten worden wäre. Und das LKA erfuhr, nach Ansicht der Bankenaufsicht Bafin hätte die WestLB mit den VW-Aktien sogar Gewinn machen können, wenn sie diese Papiere bereits 2006 veräußert hätte, statt weiter zuzukaufen.

Ein weiterer Zeuge, der damalige Compliance-Chef, wusste Aufschlussreiches über den Aufsichtsrat zu berichten: Compliance-Abteilungen in Firmen haben die Aufgabe, Verstöße gegen interne Regeln und Gesetze zu verhindern. Der Zeuge sagte bei der Staatsanwaltschaft aus, Anfang 2005 habe ein Prüfbericht mehr als 40 Beanstandungen im Wertpapierbereich aufgelistet. Unabhängig davon habe er als Compliance-Chef ein mit Bankchef Fischer abgestimmtes Konzept vorgelegt, das zehn zusätzliche Leute für seine Abteilung vorgesehen habe. Einige Aufsichtsräte hätten geantwortet, statt teures Personal einzustellen solle man lieber kritische Briefe an die Bankenaufsicht Bafin schreiben - und sich darin wegen der Überregulierung der Finanzbranche beschweren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: