Wertpapiere:Anleihen gefragt wie nie zuvor

Unternehmen verkaufen Papiere für eine Billion Dollar - ein neuer Rekord. Aber: Die hohe Nachfrage lässt die Renditen schrumpfen.

C. Hoffmann

Der Markt für Unternehmensanleihen bricht alle Rekorde. "Das Emissionsvolumen von Firmenbonds hat in diesem Jahr bereits 221 Milliarden Euro erreicht - und damit deutlich mehr als im bislang besten Jahr 2001, als Industrieanleihen im Wert von 181 Milliarden Euro herausgegeben wurden", sagt Christian Hainsch, Experte für Unternehmensanleihen bei HSBC Trinkaus.

Wertpapiere: Industriekonzerne verkaufen in diesem Jahr so viele neue Anleihen wie noch nie.

Industriekonzerne verkaufen in diesem Jahr so viele neue Anleihen wie noch nie.

(Foto: Foto: SZ-Graphik, Dealogic, iBoxx, HSBC, Trinkaus)

Nicht nur in Europa, weltweit wurden im laufenden Jahr so viele junge Unternehmensanleihen verkauft wie noch nie in der Finanzgeschichte: Mehr als eine Billion Dollar haben Anleger den Unternehmen auf diesem Weg geliehen. Das geht aus Zahlen des Analysehauses Dealogic hervor.

Die Unternehmenschefs dürften erleichtert sein, dass sich so mühelos Käufer für ihre oft milliardenschweren Anleihen finden. "Seit Mitte 2007 haben die Banken ihre Konditionen für die Vergabe von Darlehen weltweit verschärft, um möglichst wenige Kreditausfälle zu haben", sagt Andreas Römer, Leiter Unternehmensanleihen bei der Fondsgesellschaft DWS.

"Nach der Lehman-Pleite im September 2008 gab es dann gar kein Geld mehr. Wer Kapital benötigte, musste es sich am Finanzmarkt besorgen."

Um ihre akute Geldnot zu lindern, haben die Unternehmen also Anleihen verkauft, so gut es ging. Die Risikoprämien, die Anlegern geboten wurden, waren anfangs enorm hoch (Grafik). Doch so mancher Firma war der Preis egal, Hauptsache sie konnte Anleihen platzieren und so an frisches Geld kommen.

Boom bei Ausgabe neuer Anleihen

Anfangs trauten sich nur Unternehmen mit hoher Bonität an den Kapitalmarkt, doch seit März wagen auch zunehmend weniger kreditwürdige Betriebe den Schritt. Das erklärt den Boom bei der Ausgabe neuer Anleihen. Zu den größten Emittenten zählen in diesem Jahr der französische Versorger EDF, die deutsche Volkswagen AG und der Schweizer Pharmakonzern Roche. Jeweils mehrere Milliarden Euro besorgten sich auf diesem Wege auch eine Reihe bekannter Unternehmen aus dem Dax, darunter die Energiekonzerne Eon und RWE, die Autohersteller BMW und Daimler, der Chemiefabrikant BASF und der Industriekonzern Siemens.

Die Anleger investierten bereitwillig ihr Geld, da viele Firmen attraktive Renditen boten. Gleichzeitig frohlockten die Investmentbanken, die am Boom der Unternehmensanleihen kräftig verdienen. Die Geschäftsidee ist einfach: Unternehmen geben Schuldverschreibungen an private und institutionelle Anleger aus und erhalten im Gegenzug Geld von den Anlegern. Die Banken wiederum vermitteln das Geschäft und behalten dafür Gebühren ein.

Jubel über Renditewunder am Rentenmarkt

Der Jubel über das jüngste Renditewunder am Rentenmarkt verblüfft ein wenig. Eigentlich sind hohe Renditen ein alarmierendes Zeichen. Denn je höher das Risiko ist, dass ein Schuldner seinen Kredit nicht zurückzahlen kann, desto höhere Zinsen muss er zahlen, um überhaupt Geld geliehen zu bekommen. Haben die vergangenen Monate nicht gezeigt, dass das Pleiterisiko, das mit solchen Firmenanleihen verbunden ist, alles andere als akademisch ist? Und dass auch globale Konzerne und Dax-Unternehmen nicht immer so krisenfest sind, wie es sich die Anleger wünschen? Drückt nicht die weltweite Rezession auf die Erträge und damit auch auf die Solidität der industriellen Schuldner in Europa?

Als im vergangenen September die US-Investmentbank Lehman Brothers pleiteging, boten Industrieanleihen mit der Bonitätseinstufung BBB, die als durchschnittlich gute Anlage gelten, plötzlich vier Prozentpunkte mehr Rendite als sichere Staatsanleihen; ein Jahr zuvor hatte der Zinsvorsprung dieser Papiere gerade einmal einen halben Prozentpunkt betragen (Grafik). Eine Anleihe des Handelskonzerns Metro mit einem Jahr Restlaufzeit brachte beim Kauf an der Frankfurter Börse sogar 8,2 Prozent, ein Zinspapier des Autobauers BMW mit zwei Jahren Restlaufzeit lockte damals mit gut sieben Prozent.

Privatleute bevorzugen bekannte Papiere

Die Anleger griffen zu. "Anleihen von Unternehmen boten verglichen mit Tagesgeld, Staatsanleihen, aber auch mit Aktien gute Renditechancen", sagt Hainsch. Vorsichtshalber bevorzugten Privatleute Papiere bekannter Unternehmen, und sie achteten auf gute Ratingnoten zwischen AAA und BBB. Aber auch die institutionellen Investoren wie Versicherungen und viele Investmentfonds konzentrierten sich auf diesen einigermaßen soliden Bereich.

Seit mehr und mehr Länder das Ende der Rezession melden und so mancher Anleger sogar auf eine zügige Erholung der Wirtschaft hofft, hat sich die Panik an den Finanzmärkten gelegt. Unternehmensanleihen verzeichneten aufgrund der hohen Nachfrage kräftige Kursgewinne. Anleger verdienten mit europäischen Unternehmensanleihen deshalb seit Anfang des Jahres rund 13 Prozent.

Künftig werden die Erträge jedoch bescheidener ausfallen, denn das große Käuferinteresse hat unangenehme Folgen: Die Renditen für Unternehmensanleihen schrumpften sichtlich. Unternehmensanleihen mit zehn Jahren Laufzeit bieten derzeit im Durchschnitt 5,5 Prozent Rendite, fünfjährige Papiere locken noch mit vier Prozent. Mit zehnjährigen Bundesanleihen lassen sich dagegen 3,2 Prozent verdienen - allerdings bei deutlich geringerem Risiko.

Unverdrossene Investoren

"Der gute Lauf der Kurse hat die Attraktivität von Firmenanleihen reduziert", sagt Römer. Der Fondsmanager rechnet im zweiten Halbjahr mit stärkeren Schwankungen am Rentenmarkt, da die Bonität der Unternehmen sinken wird. Zwar sei der Schuldenstand der Unternehmen insgesamt stabil geblieben. Weil die Gewinne aber schrumpfen, steigt der Verschuldungsgrad. Deshalb dürften die Ratingagenturen künftig schlechtere Bonitätsnoten verteilen. So mancher Einserschüler wird auf Mittelmaß sinken und einige, die sich bislang immer bis zum Klassenerhalt durchhangeln konnten, werden durchfallen.

Zahl der Pleiten nimmt zu

Geplatzte Kredite insolventer Unternehmen sorgen schon heute für Rekordausfälle bei Firmenbonds, vor allem bei Papieren mit Ramsch-Rating, also extrem schlechter Bonität. Die Ratingagentur Standard & Poor's warnte jüngst: Die Zahl der Pleiten, und damit der Ausfälle für die Gläubiger, nimmt drastisch zu. Zu den prominenten Opfern der Krise zählen der Autobauer General Motors sowie der französische Elektronikkonzern Thomson.

Doch die Investoren sind unverdrossen. Anleger kaufen weiter Unternehmensanleihen und hoffen darauf, dass sich die Firmen mit dem geliehenen Geld erfolgreich refinanzieren können. Ab sofort sollten sie dabei aber vorsichtig vorgehen. "Jetzt kommt es verstärkt auf die Auswahl der richtigen Unternehmen an", sagt Römer. Er setzt deshalb auf konservative Unternehmen, deren Finanzen gesund sind, etwa Versorger und Telekommunikationsunternehmen.

Denn eines dürfen Anleger niemals vergessen: Anleihen sind nur so sicher wie die Schuldner, denen sie ihr Geld geliehen haben. Sparer müssen deshalb genau prüfen, wie zahlungsfähig ein Unternehmen ist. Als Anhaltspunkt dafür dienen die Rendite und die Bewertung der Ratingagenturen. Wer auf sein angelegtes Geld jederzeit zugreifen will, braucht zudem liquide Papiere, die rege gehandelt werden.

Für Unternehmensanleihen gilt das nicht in allen Fällen, in der Not können Anleger dann nur mit einem hohen Kursabschlag verkaufen. Als Alternative bieten sich aktiv gemanagte oder Indexfonds an. Für die Fonds spricht vor allem, dass sie die Risiken besser streuen können

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