Wenn Mieter zu Eigentümern werden:Abgekauft

Alternatives Wohnprojekt in München, 2015

In ganz Deutschland gibt es sogenannte Mietshäuser-Syndikate. Auch in München haben Mieter ein Haus erworben.

(Foto: Stephan Rumpf)

Damit das Haus nicht an einen Investor geht, tun sich manche Bewohner zusammen und erwerben die Immobilie. Geld dafür sammeln sie oft bei Freunden ein.

Von Joachim Göres

Moritz Holtappels ist ein gefragter Mann. Der Meereswissenschaftler ist im nordwestdeutschen Raum viel unterwegs. Bei Informationsveranstaltungen berichtet er darüber, wie er und ein Dutzend weiterer Mieter ihr Haus in Bremen erworben haben, damit es nicht von einem Immobilieninvestor gekauft wird. Die langjährigen Mieter hatten befürchtet, dass sie durch hohe Mietforderungen zum Auszug gedrängt würden.

"Normale" Eigentümer sind die Bewohner nicht: Sie zahlen eine von ihnen selbst festgelegte Miete, aktuell 6,84 Euro kalt pro Quadratmeter. Das ist etwas weniger als in Bremen üblich, aber mehr als vor dem Kauf, zur Deckung aller Kosten, wozu auch die Abzahlung der Kredite gehört.

Die Bewohner sind in einem Hausverein zusammengeschlossen, in dem sie alle das Haus betreffende Fragen selbst regeln. Beim Hauskauf wurden sie vom "Mietshäuser Syndikat" beraten - eine 1992 in Freiburg entstandene Initiative, deren Ziel es ist, etwas gegen die Spekulation mit teurem Wohnraum zu tun. Das Syndikat und der Hausverein gründeten zusammen eine Hausbesitz GmbH und brachten gemeinsam ein Stammkapital von 25 000 Euro auf. Das Syndikat hat ein Einspruchsrecht bei grundlegenden Fragen. So kann es dafür sorgen, dass Mitglieder des Hausvereins ihre Wohnung nicht weiterverkaufen oder in Eigentumswohnungen umwandeln. Das Syndikat ist ein Zusammenschluss aller Hausvereine in Deutschland, die ihr Haus nach diesem Modell gekauft haben. Derzeit gibt es knapp 100 ähnliche Projekte.

"Der persönliche Kontakt ist enger geworden. Seitdem gibt es regelmäßig Hausfeste."

Das Geld zum Hauskauf brachten die Bewohner vor allem aus Krediten auf - mit der Besonderheit, dass ein beträchtlicher Anteil aus Direktkrediten von Privatpersonen stammt, die dafür bis zu 2,5 Prozent Zinsen verlangen. "Wir haben 260 000 Euro durch Direktkredite bekommen, die meist zwischen zwei und fünf Jahren laufen. Es war recht einfach, angesichts der insgesamt niedrigen Zinsen Freunde und Verwandte, die etwas Geld übrig haben, dafür zu gewinnen. Sie finden die Syndikatsidee so gut, dass sie sie gerne unterstützen", sagt Holtappels.

Die Stiftung Warentest bemängelte Anfang 2015, dass die privaten Geldgeber oft nicht genügend über die Risiken informiert würden. So sei bei Insolvenz einer Hausbesitz GmbH der Kredit nicht gesichert. Bisher gab es in Neustadt/Weinstraße einen Pleitefall nach dem Syndikat-Modell. Durch einen Solidaritätsfonds bekamen die Anleger aber zumindest einen Teil ihres Geldes zurück. Das im April beschlossene Kleinanlegerschutzgesetz schreibt nun vor, dass künftig erst Geld eingeworben werden darf, wenn in einem Prospekt die genauen Bedingungen und Risiken dargestellt werden.

Syndikat-Vertreter befürchteten, dass die durch die Prospektpflicht entstehenden bis zu fünfstelligen Anwalts- und Verwaltungsgebühren das ganze Modell kippen könnten. Doch es gibt eine Ausnahmeregelung: eine Befreiung von der Prospektpflicht für soziale Projekte, bei denen der Direktkreditanteil unter 2,5 Millionen Euro bleibt. Die Verzinsung darf zudem höchstens 1,5 Prozent betragen. "Bestehende Projekte können mit diesen Grenzen leben. Für neue Projekte, die oft viel Geld brauchen, wird es deutlich schwerer, ihren geplanten Hauskauf nach unserem Modell zu realisieren", sagt Syndikat-Berater Jochen Schmidt. Nach seinen Angaben ist das Interesse dennoch größer denn je: Pro Jahr vereinbaren etwa zehn neue Initiativen eine Zusammenarbeit mit Syndikat, die Zahl der Anfragen, die abgelehnt werden müssen, ist zehnmal so groß.

Nicht selten wird das Syndikat-Modell von alternativen Wohnprojekten angewendet, die gemeinsam auf Haussuche sind und durch den Kauf in manchen Fällen den Abriss von Gebäuden verhindert haben. Sie arbeiten dabei häufig bei Umbaumaßnahmen mit, um die Kosten gering zu halten. Holtappels und seine Mitstreiter beauftragen dagegen Handwerker mit der in diesem Sommer anstehenden Fassadensanierung ihres 1900 erbauten Gebäudes in einem attraktiven innerstädtischen Bremer Viertel. Ihnen geht es nicht in erster Linie darum, hier so billig wie möglich zu wohnen, sondern um die Sicherheit, in ihrem Viertel zu stabilen Kosten auf Dauer leben zu können. "Gerade in größeren Städten mit Bevölkerungswachstum gibt es bei vielen Mietern die Angst vor dem Verkauf und stark steigenden Mieten. Durch den gemeinschaftlichen Kauf wollen sie dieser Gefahr begegnen", sagt Holtappels.

Und wie sieht der Alltag aus, ist es eine Belastung für das Zusammenleben der 13 Bewohner, wenn man plötzlich nicht mehr normaler Mieter ist, sondern sich über finanzielle Fragen wie die Höhe der Rücklagen für Reparaturen und den Mietbetrag einigen muss? Holtappels: "Zunächst gilt das Konsensprinzip, unsere Entscheidungen konnten wir bislang immer so treffen. Durch die Hauskaufphase sind wir zusammengerückt, haben uns alle zwei Wochen getroffen. Diese Besprechungen sind heute nicht mehr so häufig nötig, aber der persönliche Kontakt ist durch den Hauskauf enger geworden. Seitdem gibt es regelmäßig Hausfeste und eine gemeinsame Gartennutzung."

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