Wechsel der Krankenversicherung:Wenn Kassen zur Kasse bitten

Mehr Geld für gleiche Leistung: Mit Zusatzbeiträgen vergraulen Krankenkassen Mitglieder. Aber welche Kassen verlangen die Extrazahlung? Was muss ich beim Kassenwechsel beachten? Und passt eine Zusatzversicherung zu mir?

Jannis Brühl

Man musste schon ganz genau hinsehen, um den Hinweis zu lesen. Zu genau, urteilte das Berliner Sozialgericht vor einigen Tagen: Die Zusatzbeiträge der DAK aus dem Jahr 2010 sind nach Meinung der Richter unwirksam. Begründung: Die Krankenkasse hatte ihre Mitglieder in zu kleiner Schrift und nur auf der Rückseite eines Briefs aufgeklärt, dass sie als Reaktion auf Einführung der Acht-Euro-Zahlung kündigen konnten. Die DAK will in Berufung gehen.

Die Zusatzbeiträge sind ohnehin für jede Versicherung ein Wettbewerbsnachteil: Als sie eingeführt wurden, verließen viele Versicherte ihre Kasse. Fragen und Antworten zum Kassenwechsel:

Was bekomme ich für meinen Zusatzbeitrag?

Das Geld ist einfach weg. Denn für den Zusatzbeitrag gibt es nicht unbedingt auch Zusatzleistung, oftmals nutzen ihn die Kassen nur, um ihre finanziellen Löcher zu stopfen. Diese entstehen, weil manche mit dem Geld aus dem Gesundheitsfonds, in den die gesetzlichen Kassenbeiträge fließen, nicht auskommen.

Der Zusatzbeitrag muss dennoch nicht automatisch rausgeschmissenes Geld bedeuten. Profitieren kann, wer lange bei seiner Kasse war und ein Vertrauensverhältnis zu seinem persönlichen Ansprechpartner aufgebaut hat. Er kann darauf bauen, gut informiert zu werden. Bei einer Krankenversicherung ist Vertrauen schließlich ähnlich wichtig wie der Preis.

Das Sonderkündigungsrecht soll den Versicherten die Möglichkeit geben, Zusatzbeiträge zu vermeiden, wenn sie diese nicht zahlen wollen. Das gilt nur für die ersten zwei Wochen nach Einführung der Extra-Zahlung; es gilt allerdings auch, wenn man erst innerhalb der vergangenen 18 Monate Mitglied geworden sind und damit eigentlich noch nicht gehen dürfte. Spätestens einen Monat vor Erhebung von Zusatzbeiträgen muss die Kasse ihre Mitglieder informieren.

Wie viele Kassen erheben Zusatzbeiträge?

Da ein Zusatzbeitrag ein Wettbewerbsnachteil ist, verlangen ihn nur zwölf der mehr als 80 Kassen in Deutschland. Bei ihnen müssen Versicherte monatlich zwischen 6,50 und 15 Euro draufzahlen. 2010 war dieser Beitrag noch gesetzlich auf ein Prozent des Bruttoeinkommens gedeckelt, seit Januar 2011 können die Kassen ihn in unbegrenzter Höhe erheben. Viele von ihnen versichern aber, dass sie die Beiträge nicht einführen werden, darunter auch Deutschlands größte Krankenkasse Barmer GEK. Dagegen glauben andere wie Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery, dass es "im heutigen System zwangsläufig zu höheren Kassenbeiträgen kommen wird".

Ob noch mehr Kassen einen Zusatzbeitrag erheben, ist derzeit unklar. Allerdings hat die Pleite der Versicherung City-BKK vor wenigen Wochen gezeigt, dass gesetzliche Kassen schnell in Schieflage geraten können. Verbraucherschützer warnen sogar, dass ein Zusatzbeitrag ein Hinweis auf finanzielle Probleme eines Versicherers sein kann.

Wie unterscheiden sich die Angebote der Kassen?

Grundsätzlich sind die Leistungen bei allen gesetzlichen Versicherern gleich. Unterschiede gebe es bei nicht zwingend erforderlichen Gesundheitsprogrammen, zum Beispiel Diätkursen, Raucherentwöhnung, alternativen Heilmethoden oder Bonusmodellen für mehr Gesundheitsbewusstsein, sagt Markus Lietz von der Unabhängigen Patientenberatung Baden-Württemberg.

Dagegen bieten sogenannte Wahltarife oft mehr als gesetzlich vorgeschrieben. Lietz empfiehlt aber, sich erst zu fragen, ob das Angebot zu einem passt: Wie lange muss ich mich an die Kasse binden? Entspricht das Angebot überhaupt dem, was mir bei einer Behandlung wichtig ist? Wird meine Arztwahl eingeschränkt?

Was muss ich beim Kassenwechsel beachten?

Wer die Kasse wechseln will, sollte mehrere Dinge beachten: Erst muss der Patient die Mitgliedschaft in seiner alten Krankenkasse kündigen. Zwei Fristen sind wichtig: Gekündigt werden kann jederzeit, wirksam wird dies aber erst zum Ende des übernächsten Monats. Wer also zum 1. November raus will, muss das der Kasse noch im August melden.

Der alte Versicherer muss die Kündigung innerhalb von zwei Wochen schriftlich bestätigen. Dieses Papier reicht man bei der neuen Kasse ein, die einem unverzüglich eine Mitgliedsbestätigung ausstellt. Die kann man zum Beispiel dem Arbeitgeber vorlegen.

Kann ich plötzlich ohne Krankenversicherung dastehen?

Die Angst, dass man plötzlich unversichert da steht, trieb viele um, als die City-BKK vor einigen Wochen pleiteging. Damals gab es Berichte über ehemalige Versicherte, die auf der Straße standen. Neue Kassen wollten sie angeblich nicht aufnehmen. Lietz betont: "Es besteht eindeutig Aufnahmepflicht." Wer sich nach einer Kündigung keine neue Versicherung sucht, ist nicht unversichert. Denn der Austritt "verfällt", wenn der Patient der alten Kasse seine Mitgliedschaft in der neuen einfach nicht nachweist. Niemand fällt also nach einer Kündigung aus dem gesetzlichen Kassensystem.

Wann sollte ich in eine private Krankenversicherung wechseln?

Die Flucht in eine private Kasse hält Lietz nur für manche Versicherten für sinnvoll. "Man muss die eigene Lebensplanung im Blick haben", sagt er. Eine Familienversicherung ist zum Beispiel bei Privaten meist nicht möglich So fällt für jedes mitversicherte Kind ein Extra-Beitrag an. Beim Wechsel zu einer privaten Kasse sollte man auch daran denken, dass man vom 55. Lebensjahr an nicht mehr in eine gesetzliche zurückkehren kann.

Wer gesetzlich versichert bleiben und trotzdem mehr Absicherung will, kann private Zusatzversicherungen nutzen. Beim Zahnersatz seien die Leistungen zum Beispiel stark eingeschränkt worden, sagt Lietz - eine zusätzliche Absicherung könne sich hier lohnen. Man muss sie sich aber auch leisten können. Aus seiner Beratung weiß Lietz, dass solche Versicherungen in Zeiten wirtschaftlicher Not schnell geopfert werden - und die bereits eingezahlten Beiträge dann futsch sind.

Denken Sie über einen Wechsel Ihrer Krankenkasse nach? Hier geht es zu den sueddeutsche.de-Rechnern zu privaten Krankenversicherungen und zu Krankenzusatzversicherungen.

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