Warren Buffett:Der gute Geist des Kapitalismus

Warren Buffett, der legendäre Investor aus Omaha, mag die Wall Street nicht und steigt doch bei Goldman Sachs ein.

Nikolaus Piper

Warren Buffett wird unter Anlegern auf der ganzen Welt oft wie ein Heiliger behandelt. Zumindest gilt der Investor aus Omaha im Mittleren Westen als der gute Geist des Kapitalismus, den man in schwierigen Zeiten immer wieder anruft. Buffett machte die jüngsten Exzesse der Finanzmärkte nicht mit, weder die Internet-, noch die Immobilienspekulation. Und er zeigte immer wieder, dass man mit ganz normalen, altmodisch geführten Unternehmen viel Geld verdienen kann. Aus seiner Verachtung für die Wall Street machte Buffett nie einen Hehl - und doch tritt er jetzt als deren Retter auf.

Warren Buffett: Warren Buffett isst ein Eis auf der Hauptversammlung von Berkshire Hathaway.

Warren Buffett isst ein Eis auf der Hauptversammlung von Berkshire Hathaway.

(Foto: Foto: Reuters)

Der Meister riskiert Geld

Die Sensation wurde am Dienstag nach Börsenschluss an der New York Stock Exchange bekannt: Buffetts Holding Berkshire Hathaway steigt mit fünf Milliarden Dollar bei der früheren Investmentbank Goldman Sachs ein. Die Reaktion der Märkte kam prompt: Im nachbörslichen Handel schoss die Goldman-Aktie um 6,5 Prozent in die Höhe. Wobei die eigentliche Nachricht nicht so sehr die Summe war, mit der Buffett sich engagiert, sondern die Tatsache selbst, dass der Meister Geld an der Wall Street riskiert.

Goldman-Chef Lloyd Blankfein nutzte den damit verbundenen Vertrauensschub umgehend und kündigte eine Kapitalerhöhung um 2,5 Milliarden Dollar in einem beschleunigten Verfahren an. Am Mittwoch war das Angebot so überzeichnet, dass Goldman das Volumen auf fünf Milliarden Dollar verdoppeln konnte. Die Kernkapitalquote steigt somit von zuletzt 11,6 auf mehr als 14 Prozent. Die Quote wird berechnet durch das Verhältnis des Kapitals einer Bank zu seinen Risikoanlagen; sechs Prozent gelten als absolutes Minimum. Goldman hat also eine sichere Kapitaldecke.

Wertpapiere als Massenvernichtungswaffen

Damit hat sich Buffetts Engagement für die Bank schon ausgezahlt, auch wenn der Vertrauensbeweis aus Omaha einen Preis hat: Konkret erwirbt Berkshire Hathaway für fünf Milliarden Dollar stimmrechtslose Vorzugsaktien. Sie können nicht in normale Aktien umgewandelt werden, sind aber mit einer hohen, garantierten Dividende von zehn Prozent verbunden. Außerdem bekommt Berkshire Bezugsrechte im Wert von fünf Milliarden Dollar für den Erwerb stimmberechtigter Aktien zu einem Preis von 115 Dollar. Am Mittwochvormittag wurde die Goldman-Aktie zu knapp 128 Dollar gehandelt. Hätte Buffett das Bezugsrecht bereits an diesem Tag ausgeübt, hielte er einen Anteil von knapp zehn Prozent an Goldman Sachs.

Warren Buffett hatte sich immer wieder über die Praktiken im Finanzsektor lustig gemacht. Die komplizierten Wertpapiere, die der Wall Street schließlich zum Verhängnis wurden, nannte er schon früh Massenvernichtungswaffen. In seinem letzten Aktionärsbrief schrieb er: "Wenn das Wasser zurückgeht, merkt man, wer keine Badehose anhat. Und was wir jetzt bei einigen unserer größten Finanzinstituten sehen, ist sehr hässlich." Trotzdem hofften Anleger immer wieder, dass Buffett zu Hilfe eilen würde. Vor einem Jahr gab es Gerüchte, er könne bei Bear Stearns einsteigen. Er tat es nicht, und die Investmentbank ging in diesem März unter. Im Februar bot er an, in großem Umfang Anleihen zu versichern, das Geschäft kam aber nicht zustande.

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Der gute Geist des Kapitalismus

Und jetzt also der Einstieg bei Goldman Sachs. Der ist insofern konsequent, als dass die Bank zu einem Geschäftsprinzip Buffetts passt: Der Investor interessiert sich grundsätzlich für starke, gut eingeführte Markennamen. Schon jetzt ist Berkshire Hathaway an Wells Fargo und American Express beteiligt, zwei etablierten Finanzinstituten, die bisher recht gut durch die Krise gekommen sind. Zu Goldman Sachs hat Buffett zudem ein besonders enges Verhältnis. Angeblich lernte er bereits als 25-Jähriger den damaligen Goldman-Chef, den legendären Sidney Weinberg, kennen. Dem Leiter des Chicagoer Goldman-Büros, Byron Trott, soll er eng verbunden sein. Goldman-Chef Blankfein seinerseits lobte nach Bekanntgabe des Deals die "langjährigen Beziehungen" zu Buffett.

Zu dem Einstieg bei Goldman gibt es noch eine interessante Vorgeschichte: Vor mehr als zwanzig Jahren beteiligte sich Buffet schon einmal an einer Investmentbank. Kurz vor dem Börsenkrach 1987 erwarb er für 700 Millionen Dollar einen Anteil an Salomon Brothers. 1991 geriet das angesehene Investmenthaus wegen eines Betrugsskandals in die Krise, und Buffett musste interimsmäßig den Verwaltungsrat leiten. 1997 wurde Salomon Brothers schließlich verkauft und gehört heute zu Citigroup. Nach dem Deal verkaufte Buffett seine Aktien. Bei der ganzen Operation soll Berkshire viel Geld verloren haben. 1993 schrieb Buffett an seine Aktionäre: Das Engagement sei "zwar alles andere als lustig, aber interessant" und deshalb die Erfahrung wert gewesen.

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