Süddeutsche Zeitung

Warenhäuser:Nachmieter gesucht

Schon lange steht das frühere C&A-Haus in Duisburg leer. Nun will es ein Investor mit einem ganz besonderen Mix zum Leben erwecken - ein Vorbild für andere Städte?

Von Stefan Weber

Vor knapp drei Jahren hatte der Betonklotz mit der kubistischen Fassade an der Duisburger Münzstraße noch einmal einen großen Auftritt gehabt: Als Drehort und Kulisse für "Gladbeck", die Verfilmung des Geiseldramas, das im Sommer 1988 die Republik mehrere Tage in Atem gehalten hatte. Mit viel Liebe zum Detail hatten die Filmleute Schaufenster und Umfeld der wuchtigen Altstadt-Immobilie in die damalige Zeit versetzt. Übergroße Mühe erforderte das nicht. An dem Gebäude, das einst der Bekleidungshändler C&A errichten ließ, nagte seit Langem der Zahn der Zeit. Die Immobilie stand seit 2010 leer. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Knapp 15 000 Quadratmeter Fläche, verteilt auf sechs Geschosse, davon zwei unter der Erde, suchen nach einem Nutzer. Der Standort ist, nun ja, eine Herausforderung: ringsherum viel Leerstand, Billigläden. Die schickeren und moderneren Geschäfte sind in den vergangenen Jahren ein paar Straßenzüge weitergezogen, unter anderem in zwei neu errichtete innerstädtische Einkaufszentren - und haben auch dort ihre Sorgen. Denn die Kaufkraft im stark industriell geprägten Duisburg ist niedriger als in vielen anderen Städten im Umland.

Doch nun gibt es Hoffnung, dass die lange Leidensgeschichte der ehemaligen C&A-Immobilie doch noch ein Happy End finden könnte und damit auch die öden Handelsflächen in der Nachbarschaft aus ihrer Tristesse befreit werden. Ein bundesweit agierendes Family Office, das vor allem in Berlin und im Ruhrgebiet investiert, hat die Immobilie erworben und verfolgt damit ehrgeizige Pläne. "Das Gebäude soll zum neuen Herzen der Altstadt werden", wünscht sich Bernd-Claas Gesterkamp, Architekt und Sprecher des gerne anonym bleibenden Investors. Wie alle, die großflächige innerstädtische Handelsimmobilien beleben wollen, setzen auch die neuen Eigentümer in der Duisburger Altstadt auf eine gemischte Nutzung: im Erdgeschoss ein Mix aus Cafés, Bistros und "anderer einladender, qualitativ überzeugender Gastronomie", darüber viel Raum für Bürokonzepte und die Dachterrasse als Event-Fläche für Veranstaltungen unter freiem Himmel.

Weniger investiert

2,3 Milliarden Euro haben Investoren im zweiten Quartal für Einzelhandelsimmobilien in Deutschland ausgegeben, wie der Immobiliendienstleister CBRE berichtet. Das sind 8,4 Prozent weniger als im 10-Jahres-Durchschnitt. Gefragt bei Anlegern sind vor allem Fachmärkte wie zum Beispiel Baumärkte. Auch Nahversorgungszentren werden bei Investoren geschätzt. Sehr schwierig sei die Lage dagegen bei Shoppingcentern und Läden in den Fußgängerzonen. Kleiner Trost für Anleger: Weil die Preise für solche Häuser sinken und die Unsicherheit groß ist, steigen die potentiellen Renditen. SZ

Solche "Mixed-Used-Konzepte" sind bei Investoren beliebt und haben sich bewährt, wie eine neue Studie der Unternehmensberatung PwC zeigt. Die Immobilienexperten Thomas Veith und Harald Heim haben die Nachnutzungskonzepte aller in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland geschlossenen Warenhäuser analysiert. Betroffen waren 52 Standorte, vor allem in kleinen und mittleren Städten. Das Ergebnis: 14 Prozent der Gebäude wurden ohne große bauliche Veränderungen nachvermietet, 52 Prozent umgebaut, 30 Prozent der Gebäude wurden abgerissen und vier Prozent stehen leer. Besonders oft wurde in den früheren Kaufhausgebäuden eine gemischte Nutzung etabliert, insbesondere eine Mischung aus Einzelhandel, Büros, Wohnungen, Gastronomie, Hotel und Pflege. Einzelhandel, vor allem Drogerien oder kleinere Filialbetriebe, gehörten immer dazu. Mixed-Used-Konzepte funktionieren der Studie zufolge in kleinen ebenso wie in großen Städten und sind auch nachhaltiger - während ein Drittel der Einzelhandelsnachnutzungen wieder schließen musste, hatten alle Mixed-Used-Nutzungen Bestand - gute Aussichten für Duisburg.

"Kubikk" haben die Betreiber das ehemalige Textilkaufhaus getauft, in Anlehnung an dessen Baustil. Animierte Fotos von einer schick herausgeputzen Immobilie mit viel natürlichem Grün an der Fassade lassen ahnen, dass es tatsächlich einmal sehr schön werden könnte in dieser etwas ins Abseits geratenen Ecke der Duisburger Altstadt. "Wenn das Konzept erfolgreich ist, investieren auch andere Hauseigentümer, und es kommt wieder mehr kaufkräftige Kundschaft ins Quartier. Das stärkt den stationären Handel und die Gastronomie in der Nachbarschaft von Kubikk. Denn wer da arbeitet, wird dort auch ausgehen und einkaufen", prognostiziert Andree Haack, Wirtschaftsderzernent und Mitgeschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung Duisburg.

Bis zu 15 Millionen Euro wollen die neuen Eigentümer in das Objekt stecken

Mit der neuen Perspektive für die Großimmobilie in der Münzstraße könnte auch die Arbeit für Francesco Mannarino in Zukunft ein wenig leichter werden. Zusammen mit seiner Kollegin Yvonne Bleidorn ist er seit fünf Jahren als Quartiermanager in der Altstadt tätig. "Sich kümmern und dicke Bretter bohren", so beschreibt er seinen Job. Mal steht ein Ladeninhaber in seinem Büro und erkundigt sich, wann der Müll abgeholt wird. Ein anderes Mal möchte eine junge Frau ein 15 Quadratmeter großes Geschäft anmieten, um dort Kindermode zu verkaufen. Dagegen sind Verhandlungen mit Expansionsmanagern großer Handelsketten über mögliche Ansiedlungen eher selten. "Unsere Tätigkeit in der Altstadt ist sehr kleinteilig", sagt Mannarino. Die Eigentümerstruktur der Immobilien dort sei mitunter undurchsichtig, es sei schwer, mit verantwortlichen Personen in Kontakt zu kommen, und manche Hausbesitzer hätten gar kein Interesse, ihre Gebäude zu entwickeln. "Lieber lassen sie sie leer stehen - aus Desinteresse, Bequemlichkeit oder aus Spekulationsgründen".

Mannarino und Bleidorn haben sich tief reingekniet in die Quartiersarbeit. Lohn sind unter anderem etwa 60 Ladengeschäfte, die seit ihrem Amtsantritt neu eröffnet haben. Natürlich habe es auch Schließungen geben, betonen sie. "Aber der Saldo ist deutlich positiv." Und selbst jetzt, wo die Corona-Pandemie viele Ladenbetreiber und Gastronomen in Existenznöte bringt, erhalten die Quartiersmanager Anfragen für Neueröffnungen. "Mit der Akquisition vieler Kleiner haben wir das Feld für größere Investitionen und Ansiedlungen bereitet, so wie jetzt das Kubikk", meint Mannarino.

Bis das ehemalige C&A-Haus in neuem Glanz erstrahlt, wird jedoch noch Zeit vergehen. "Wir benötigen Marathon-Qualitäten", dämpft Gesterkamp allzu optimistische Prognosen. Der Umbau wird erst starten, wenn die neuen Eigentümer einen gewissen Teil der Flächen vermarktet haben. Das wird voraussichtlich erst Ende nächsten Jahres der Fall sein. Eine Vermietung, so Gesterkamp, sei bereits unterschriftsreif, bei anderen sei man in guten Gesprächen. Zwölf bis 15 Millionen Euro wollen die neuen Eigentümer in das Objekt investieren. Die Substanz, so heißt es, sei trotz der langen Zeit des Leerstands in Ordnung. Aber natürlich müssten Fenster ausgetauscht und Rolltreppen ausgebaut werden. Die Fassade benötige eine Auffrischung, zudem gebe es im Haus viele Sanierungsarbeiten zu erledigen.

Auch wenn es in den vergangenen Jahren viele fehlgeschlagene Pläne gab, das ehemalige Textilkaufhaus neu zu nutzen und zukunftsfähig zu machen, sind alle in Duisburg überzeugt, dass es diesmal klappen wird. Denn das Family Office, das seinen Namen nicht preisgeben möchte, hat neben Kubikk auch einen Häuserblock schräg gegenüber der Handelsimmobilie erworben. Ein Investment mit Perspektive: Wenn das neue Nutzungskonzept für die ehemalige C&A-Immobilie funktioniert und damit mehr Frequenz in diesen Teil der Altstadt kommt, wird das mit hoher Wahrscheinlichkeit auch den Wert der benachbarten Immobilien steigern. Zugleich hätte die Stadt endlich eine unschöne Lücke zwischen der City und dem Innenhafen geschlossen. Die attraktive Gestaltung der Flächen am Wasser wird das nächste Großprojekt in Duisburg werden - mittelfristig. Der Mietvertrag mit einem großen Holzhändler im Innenhafen, dessen Gelände die städtischen Planer entwickeln wollen, läuft noch zwei Jahre. Dann soll es losgehen.

Viel Zukunftsmusik in Duisburg. Dazu passt ganz gut, was sich derzeit im Erdgeschoss des ehemaligen C&A-Hauses an der Münzstraße abspielt. Die tiefen Räume dienen - wieder einmal - als Filmkulisse. Diesmal jedoch nicht für einen Streifen, der in der Vergangenheit spielt, wie das Geiseldrama von Gladbeck in den späten Achtzigerjahren. Diesmal geht es um eine Zukunftsstory. "The Washer", so der Titel, zeigt, wie Waschautomaten zu Zeitmaschinen werden.

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Quelle:
SZ vom 05.09.2020
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