Wahlversprechen:Bauen und bremsen

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unte Palette: In der Wohnungspolitik geht es neben Details auch um Grundsatzfragen. Soll der Neubau dem Markt überlassen werden? Oder muss der Staat stärker eingreifen? Darüber können bald die Wähler entscheiden. (Foto: imago)

Baukindergeld, Mietpreisdeckel, Wiedereinführung der degressiven Abschreibung: Die Parteiprogramme und ihre Positionen bei immobilienwirtschaftlichen Fragen.

Von Marianne Körber

Weg mit der Mietpreisbremse, weg mit der Grunderwerbsteuer, her mit den Subventionen? Eine neue Bundesregierung könnte in der Immobilienwirtschaft so einiges auf den Kopf stellen. Aber so unterschiedlich die Ansätze auch sind, in einem Punkt sind sich die Parteien einig: Alle sehen die Nöte der Bürger und sprechen sich für die Schaffung von weiterem Wohnraum aus. Hier die wichtigsten Programmpunkte der Parteien im Überblick.

CDU/CSU

Die Unionsparteien wollen vor allem die Bildung von Wohneigentum fördern. Junge Familien sollen für den Kauf oder Bau einer Immobilie Geld bekommen: pro Kind und Jahr 1200 Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren. Der Anspruch soll für alle Kaufverträge beziehungsweise Baugenehmigungen gelten, die seit dem 1. Juli 2017 erteilt wurden. Außerdem soll es für den erstmaligen Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer geben, für Erwachsene und Kinder. Über die Höhe werden im Wahlprogramm keine Angaben gemacht. Im Vagen bleibt auch die Ankündigung, Maßnahmen zum Schutz von Umwelt und Klima zu fördern. Zusätzlich zu den bestehenden Förderangeboten der KfW sollen Hilfen geprüft werden, die eine Amortisation dieser Kosten über die gesamte Lebensdauer des Gebäudes ermöglichen.

Grundsätzlich sollen sowohl der öffentliche als auch der private Wohnungsbau gefördert werden, unter anderem auch der Bau von Studentenwohnungen. Wer Mietwohnungen errichtet, soll "für einen begrenzten Zeitraum" wieder von der degressiven AfA profitieren - die Sonderabschreibung war 2016 am Widerstand einiger Bundesländer gescheitert. Damals hieß es, Privatinvestoren sollten über drei Jahre bis zu 2000 Euro Baukosten je Quadratmeter geltend machen können. Ziel war es, in angespannten Regionen vor allem Mietwohnungen im unteren und mittleren Preissegment zu bauen. Weiter im Programm sind eine Reform des Wohngelds und die steuerliche Förderung von Grundbesitzern, die landwirtschaftliche Flächen für Bauland zur Verfügung stellen, sofern sie in den Mietwohnungsbau investieren.

SPD

Auch die SPD will Familien den Erwerb von Wohneigentum erleichtern, und zwar in Form eines "sozial gestaffelten Familienbaugelds" für Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen. Konkrete Angaben dazu gibt es im Programm nicht, doch Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) nannte einen Zuschuss von 8000 Euro für das erste Kind und je 6000 Euro für das zweite und dritte Kind. Damit im ländlichen Raum weniger Wohnungen in Ortskernen leer stehen, sollen Familien Kaufanreize erhalten über das Programm "Jung kauft Alt". Sparen sollen Immobilienkäufer auch durch eine Änderung der Makler-Regelung - das Prinzip "Wer bestellt, bezahlt" soll nicht nur bei der Miete, sondern auch beim Kauf gelten.

Um vor allem Einwohner in den begehrten Städten zu entlasten, will die SPD den Mieterschutz ausweiten. So soll bei der Mietpreisbremse nachgebessert werden; Vermieter sollen künftig dazu verpflichtet sein, Auskunft über die Vormiete zu geben und eventuell zu viel verlangte Miete zurückzuzahlen. Zudem setzt sich die SPD für bessere und verbindlichere Mietspiegel ein. Über die Höhe der Mieten und Nebenkosten soll die tatsächliche Wohnfläche entscheiden. Außerdem sollen das Wohngeld regelmäßig angepasst und das Kündigungsrecht des Vermieters wegen Eigenbedarf "konkretisiert" werden. Auch die zulässige Mieterhöhung nach einer Modernisierung soll vermindert werden.

Weiter will sich die SPD für mehr Wohnungen im öffentlichen und betrieblichen Eigentum einsetzen und mit Investitionsanreizen und bundeseinheitlichen Standards Bauen attraktiver machen. Der Bund soll beim Verkauf öffentlicher Immobilien wohnungspolitische Ziele berücksichtigen, weshalb das Gesetz über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben geändert werden soll.

Grüne

Die Partei setzt sich für eine "gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik" ein. Sie will Wohnungen "sozial binden, dauerhaft günstig, lebenswert und mittendrin", also möglichst nicht auf der grünen Wiese. Genossenschaften sollen "wiederbelebt" werden, Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen leichter Genossenschaftsanteile erwerben können. Der Bund dürfe sich nicht länger als Immobilienspekulant betätigen, sondern müsse Liegenschaften vergünstigt an Kommunen abgeben. Die Mietpreisbremse soll verbessert, Mietsteigerungen sollen begrenzt werden, die "Praxis des Raussanierens" bekämpft und Verdrängung beendet werden. Ziel ist die Einführung eines ökologischen und sozialen Mietrechts.

Die Grünen wollen das Wohngeld für Bedürftige verdoppeln, es dynamisch anpassen und die Heizkosten dabei wieder berücksichtigen. Zudem soll es einen Klimazuschuss für energetisch modernisierte Wohnungen geben, damit auch Wohngeldempfänger energieeffizient werden können. Kündigungsschutz und Mieterschutzverbände sollen gestärkt werden. Schließlich soll eine Verdrängung von kleinteiligem Gewerbe verhindert werden, auch durch Gewerbemietspiegel. Es wird ein flächensparendes Bauen angestrebt sowie der Einsatz von mehr nachwachsenden und ökologischen Baustoffen, das Baurecht soll modernisiert werden.

Die Linke

Die Partei stellt die Interessen der Mieter in den Vordergrund und setzt sich wie die Grünen für eine neue Wohngemeinnützigkeit ein. Sie fordert den Bau oder Ankauf von mindestens 250 000 Sozialwohnungen im Jahr, was mit mehr als fünf Milliarden Euro unterstützt werden soll. Öffentlich geförderter Wohnungsbau dürfe nicht mehr aus der Sozialbindung entlassen werden. Die Mietpreisbremse soll künftig flächendeckend, bundesweit, unbefristet und ausnahmslos gelten, Vermieter dürfen Mieterhöhungen nur vornehmen, wenn sie den Wohnwert verbessern und dann lediglich den Inflationsausgleich umlegen. Die Modernisierungsumlage soll abgeschafft werden. Die Linke will ein Mietregister einführen, das Transparenz über die

bisherige Miete darstellt, Mietwucher soll geahndet werden. Die Zweckentfremdung von Wohnraum soll gestoppt werden. Die Umsetzung des Mieterschutzes, von Mietspiegel, Milieuschutz und des Verbots von Entmietung soll wirksam kontrolliert werden, und zwar durch eine Sonderkommission "Gerecht Wohnen" und eine öffentliche Beschwerdestelle.

Einige weitere Themen im Programm: mehr Kündigungsschutz auch bei Gewerbemietverträgen, der Entzug der Zulassung von Immobilienfonds, die Vergabe öffentlichen Bodens nur noch im Erbbaurecht, die Abschaffung der Regelung, wonach Gewinne aus Immobilienverkäufen nach einer Frist von zehn Jahren steuerfrei sind und die Abschaffung der Share Deals, mit denen große Investoren die Grunderwerbsteuer umgehen.

FDP

Die Liberalen wollen die Wohnungsnot beheben, indem sie Regulierung abbauen und so Investments attraktiver machen. Die Grunderwerbsteuer für private Bauherren soll erst ab einer Kaufsumme von 500 000 Euro fällig werden. Bauanreize soll auch eine höhere jährliche Abschreibungsrate - drei statt zwei Prozent - schaffen. Obsolet ist für die Partei die Mietpreisbremse, weil sie Investitionen in Wohnraum verhindere. Eine Änderung will die FDP auch bei der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie, die von Deutschland nicht 1:1 umgesetzt werde - künftig soll der Wert eines Neu- oder Umbaus ein entscheidendes Kriterium für die Vergabe von Krediten sein. Bundesmittel zur Wohnungsbauförderung sollen zweckgebunden sein; der Bund stelle jährlich 500 Millionen Euro zur Verfügung, doch diese würden nicht dazu verwendet, um Wohnungen zu bauen, das Geld versinke vielmehr zum Teil in den Kassen der Länder und Städte.

Der Wohnungsbau werde angeregt, wenn Mieter zahlungsfähig seien. Dafür sorge ein sachgerecht ausgestaltetes Wohngeld, das der örtlichen Mietenentwicklung angepasst werde. Der "Subjektförderung" mit Wohngeld müsse daher der Vorzug gegeben werden vor der "Objektförderung" durch eine "angeblich soziale Wohnungsbauförderung". Diese verbreite nur die Illusion einer Berechtigung für eine Wohnung mit einer subventionierten "Kostenmiete". Die Berechtigung für eine Sozialwohnung soll auf diejenigen Bevölkerungskreise begrenzt werden, die auf dem freien Wohnungsmarkt auch mit einem Wohngeldanspruch erfolglos bleiben, weil Vermieter sie trotz ihrer Zahlungsfähigkeit nicht akzeptieren.

AfD

Auch die Alternative für Deutschland wendet sich gegen "planwirtschaftliche Eingriffe wie die Mietpreisbremse", weil sie Investitionen unrentabler mache und so den dringend benötigten Neubau ausbremse. Die Partei fordert dagegen Maßnahmen, die den Wohnungsbestand deutlich erhöhen: die Ausweisung neuer und die Optimierung bestehender Baugebiete, die Beschleunigung der Baurechtschaffung und eine Kostenverringerung durch die Beseitigung "unnötiger Vorschriften etwa zur Wärmedämmung und Bürokratie". Die öffentliche Hand soll Grundstücke zur Verfügung stellen und genossenschaftliches Wohnen fördern. Personen, deren Einkommen nicht für die Miete reiche, sollen weiterhin Wohngeld bekommen. Änderungen will die Partei bei der Grund- und Grunderwerbsteuer: Beide sollen gesenkt werden, um wie viel, steht nicht im Programm.

© SZ vom 08.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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