Vorsorge im Alter:Auch das noch: der Pflege-Riester

Vier Millionen Menschen sollen in den nächsten Jahrzehnten in Deutschland pflegebedürftig sein. Die schwarz-gelbe Regierung will daher den neuen Pflege-Riester beschließen, damit der Bürger auch privat für den Pflegefall vorsorgt. Ein Überblick, wer den neuen Pflege-Riester abschließen kann, was er bringt und wie viel er kostet.

Guido Bohsem

Die Zahl der Pflegefälle wird sich in den nächsten Jahrzehnten nahezu verdoppeln. Dann werden nicht mehr nur 2,4 Millionen Menschen Anspruch auf Hilfe im täglichen Leben haben, sondern mehr als vier Millionen. Die schwarz-gelbe Koalition will die Bundesbürger deshalb dazu animieren, auch privat für den Pflegefall vorzusorgen. Am Mittwoch will die Regierung den sogenannten Pflege-Riester beschließen.

Vorsorge im Alter: Auf über vier Millionen soll die Zahl der Pflegebedürftigen in den nächsten Jahrzehnten anwachsen. Der Staat will private Vorsorge fördern.

Auf über vier Millionen soll die Zahl der Pflegebedürftigen in den nächsten Jahrzehnten anwachsen. Der Staat will private Vorsorge fördern.

(Foto: laif)

Warum hält die Koalition eine private Vorsorge für notwendig?

Die staatliche Pflegeversicherung ist eine Teilkaskoversicherung. Das heißt, sie erstattet nicht alle Kosten, sondern nur einen Teil. Den Rest müssen die Pflegebedürftigen selbst aufbringen, und das kann teuer werden. Ein Beispiel: Besonders pflegebedürftige Menschen erhalten die Pflegestufe III. Bei einer Unterbringung im Heim bekommen sie knapp 1500 Euro im Monat. Das Heim kostet aber gut 3500 Euro. Für die übrigen 2000 Euro muss der Pflegebedürftige mit seiner Rente und seinem Vermögen einstehen. Verwandte können nur bedingt belastet werden. Zur Not springt die Sozialhilfe ein.

Wie wirkt der Pflege-Riester?

Die Idee ist, sich gegen diese zusätzlichen Kosten zu versichern. Das ist jetzt schon möglich. Derzeit haben gut 1,8 Millionen Menschen eine solche Versicherung abgeschlossen. Die Regierung will diese Zahl erhöhen. Deshalb sollen die Zusatzversicherungen künftig mit fünf Euro im Monat gefördert werden. Wer einen alten Vertrag abgeschlossen hat, wird voraussichtlich leer ausgehen.

Wer kann einen Pflege-Riester abschließen, und was kostet er?

Grundsätzlich kann jeder einen solchen Vertrag abschließen. Die Versicherer dürfen auch nicht überprüfen, ob der Versicherte chronisch krank ist oder ein besonders hohes Risiko hat, pflegebedürftig zu werden. Lediglich das Alter dürfen die Versicherungsunternehmen in ihre Kalkulation einbeziehen. Das macht sich bemerkbar. Derzeit kostet eine Zusatzversicherung, die in allen Pflegestufen fällig wird und ein Tagesgeld von 1500 Euro im Monat leistet, für 20-Jährige etwa 20 Euro im Monat. Wer 45 Jahre alt ist, zahlt schon 60 Euro im Monat.

Wie bekommt man den Pflege-Riester?

Momentan können die Versicherer jedoch Kranke abweisen. Weil sie das beim Pflege-Riester nicht mehr dürfen, werden die Prämien wahrscheinlich höher ausfallen. Gemindert wird dieser Effekt aber durch eine fünfjährige Karenzzeit. Das heißt: Nach Abschluss einer Versicherung muss man fünf Jahre einzahlen, bevor man eine Leistung erhalten kann.

Der Beitrag für den Pflege-Riester wird nach Angaben von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) mindestens 120 Euro im Jahr kosten. Das Pflegetagesgeld in der Stufe III solle damit mindestens 600 Euro im Monat betragen.

Was übernimmt der Pflege-Riester?

Das hängt von dem Vertrag ab. Es soll möglich sein, ein geringeres Tagegeld zu vereinbaren oder keine Zahlungen für die Pflegestufen I oder II zu vereinbaren. Die Versicherer dürfen aber keine Risikozuschläge erheben oder Leistungen ausschließen. Maximal aber soll der Pflege-Riester ein Tagesgeld absichern, das den maximalen Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung entspricht.

Wie bekommt man die Förderung?

Die Förderung bekommt jeder, der einen geeigneten Vertrag abschließt. Die Verträge werden vom Verband der Privaten Krankenversicherer überprüft und dürfen dann vertrieben werden. Die staatliche Förderung wird dann in einem Jahresbeitrag sofort an die Versicherungskonzerne überwiesen. Der Versicherungsnehmer muss lediglich seinen Beitrag zahlen.

Wie viel Geld will der Staat ausgeben?

Bahr hat mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) jährliche Ausgaben von 100 Millionen Euro für das erste Jahr vereinbart. Es hängt von der Zahl der Abschlüsse ab, ob diese Summe unter- oder auch überschritten wird. Sie würde für gut 1,6 Millionen neue Verträge ausreichen. Bei hoher Nachfrage würden aber auch zwei oder drei Millionen Versicherungen gefördert. Die Kosten stiegen dann entsprechend.

Entlastet der Pflege-Riester die gesetzliche Pflegeversicherung?

Nein. Der Pflege-Riester ist lediglich eine Ergänzung. Er dient nur dazu, die nicht getragenen Kosten abzudecken. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn sprach sich deshalb im Namen der jungen Unionsabgeordneten für eine weitere Finanzreform der Pflege aus: "Die private Pflege-Vorsorge ersetzt die Notwendigkeit einer allgemeinen Kapitalrücklage in System der Pflegeversicherung nicht."

Was sagen die Kritiker?

Die SPD warf Bahr vor, lediglich der Versicherungswirtschaft ein zusätzliches Geschäft verschaffen zu wollen. Die Grünen nannten die Pläne beschämend. Der Paritätische Wohlfahrtsverband sprach von einem Abschied von der sozialen Pflegeversicherung.

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