Süddeutsche Zeitung

Vorratshaltung:Prinzip Eichhörnchen

Die Bundesregierung empfiehlt den Bürgern, Lebensmittel für Notlagen vorzuhalten. Aber wohin mit den Notrationen? Nicht jeder hat eine Speisekammer.

Von Jochen Bettzieche

Und plötzlich ist es dunkel. Stromausfall. In der Regel kein Problem - wenn er nur ein paar Stunden dauert. Bei ein paar Tagen aber wird es kritisch. Dann verderben die Lebensmittel im Kühlschrank. So unwahrscheinlich ist das gar nicht. Denn Deutschland gehört zu den Ländern, in denen sich Hacker am häufigsten ihre Ziele suchen. "In zunehmendem Maße werden kritische Infrastrukturen angegriffen", sagt Michael Ziesemer, Präsident des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie in Frankfurt. Dazu gehören auch Kraftwerke und das Stromnetz. Welche Folgen ein längerer Stromausfall haben kann, schilderte der Autor Marc Elsberg bereits 2012 in seinem Roman Black Out. Und das ist nur eines von vielen Katastrophen-Szenarien. Das Innenministerium empfiehlt daher in seiner Veröffentlichung "Konzeption zivile Verteidigung" Privatpersonen, für solche Fälle einen eigenen Vorrat an Lebensmitteln und Medikamenten zu halten. Das ist sicherlich sinnvoll, aber die Vorräte benötigen auch einen geeigneten Lagerraum - und vor allem Platz.

Denn es kommt ganz schön was zusammen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn hat eigens eine Checkliste herausgegeben. Mindestens für 14 Tage sollte jeder vorsorgen. Und das heißt: Pro Person 28 Liter Trinkwasser, mehr als 20 Kilogramm Lebensmittel sowie Medikamente und Hygieneartikel müssen irgendwo in der Immobilie untergebracht werden.

Auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung rechnet das BBK als Platzbedarf für eine Person ein Volumen von 0,73 Kubikmetern vor. Auf einer Grundfläche von einem halben Quadratmeter nehmen die Vorräte demnach eine Höhe von fast 1,5 Metern ein. Familien benötigen entsprechend mehr Platz. Ein Vierpersonenhaushalt braucht den Empfehlungen zufolge allein mehr als neun Kisten Wasser.

Glück haben die Bewohner einer Immobilie, wenn bereits eine Speisekammer oder ein Vorratskeller vorhanden ist. Eigens einen zu errichten, hält das BBK für übertrieben. Es genüge, die Lebensmittel kühl, trocken und dunkel aufzubewahren, erklärt Wahid Samimy, Sprecher bei der Behörde: "In der Regel wird dies ein Raum im Keller, oder bei Nicht-Unterkellerung ein Raum im EG oder OG sein." Heizungsraum, Waschküche und Dachboden hingegen eigneten sich nicht.

Kartoffeln überleben bei den richtigen Bedingungen bis zu 240 Tage ab dem Tag der Ernte

Gerade bei Mehrparteien-Häusern ist der Keller jedoch nicht für jeden der richtige Aufbewahrungsort. Insbesondere ältere Menschen sollten dort keine schweren Vorräte lagern. "Bei einem Stromausfall funktioniert der Aufzug nicht, dann muss man alles die Treppe hoch schleppen", warnt Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer Bau. Besser sei dann ein Raum oder ein Schrank in der Wohnung. Auch das BBK empfiehlt daher in solchen Fällen, nur Lebensmittel zu lagern, die auch Zimmertemperatur vertragen. Wer den Platz hat, kann sich auch mit einer einfachen Trockenbauwand eine kleine Vorratskammer bauen. Notwendig ist das nicht. Zumal auch keine Anleitung existiert, wie so ein Raum klimatisiert werden sollte. "Es gibt nicht den idealen Raum", sagt Gebbeken.

Die gelagerten Güter stellen unterschiedliche Anforderungen an Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Wenig anspruchsvoll sind trockene, verpackte Waren wie Nudeln und Reis sowie Konserven. Aber auch frisches Obst und Gemüse kann zumindest vorübergehend die Vorräte ergänzen. Der Verbraucherservice Bayern in München empfiehlt dafür Kellerräume. Diese sollten "nach Norden oder Osten liegen und durch Fenster, Schlitze, Gitter oder einen Ventilator ausreichend be- und entlüftbar sein", raten die Verbraucherschützer. Auch empfehlen sie einen atmungsaktiven Anstrich. Die ideale Temperatur im Winter betrage zwischen vier und fünf, im Sommer zwischen zehn und zwölf Grad Celsius.

Bauherren tun sich vergleichsweise leicht. Sie können in ihre Wohnung oder ihr Haus einen Vorratsraum einplanen. Dann ist die Notfallreserve gut verstaut und nimmt nicht in der Küche kostbaren Platz weg. Möglich sind eine allgemeine Speisekammer, in der auch der tägliche Bedarf lagert, oder auch ein eigener Raum für die Vorräte.

Ältere Häuser haben oft noch eigens gebaute Kellerräume für die Vorratshaltung. Der Boden ist dann beispielsweise geklinkert. Für die Einlagerung von Kartoffeln sind diese Räumlichkeiten laut BBK gut geeignet. "Für das andere Bevorratungsgut besteht eher das Problem der hohen Luftfeuchte", erläutert Samimy. Das führt beispielsweise bei Metallen zu Korrosion. Konservendosen gehören nicht in solche Räume. Zumindest nicht ungeschützt. Abhilfe schaffen luftdichte Behälter aus Kunststoff. Auch Edelstahl ist eine Variante, sollte aber nicht direkt auf dem Boden stehen.

Anders bei frischem Gemüse. Einige Sorten halten überraschend lang. Der Verbraucherservice Bayern hat eine Übersicht erstellt. Kartoffeln überleben bei den richtigen Bedingungen in der Speisekammer ab dem Tag der Ernte 240 Tage, Kürbisse kommen immerhin noch auf bis zu 180 Tage. Gurken hingegen halten nur eine Woche durch.

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Quelle:
SZ vom 30.12.2016
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