Süddeutsche Zeitung

Volksbank Niederschlesien:Erste Bank kassiert Gebühren für Tagesgeld

  • Die Volksbank- Raiffeisenbank Niederschlesien in Sachsen verlangt neuerdings eine Kontogebühr von mindestens fünf Euro pro Monat für das Tagesgeld-Konto.
  • Damit bricht das Institut das nächste Tabu: Vom ersten Euro an lohnt sich dieses Konto nicht mehr.

Von Benedikt Müller

Das Zeitalter der niedrigen Zinsen zwingt die Banken zu immer kurioseren Maßnahmen. In Sachsen erhebt eine Volksbank nun dermaßen hohe Gebühren auf Tagesgeldkonten, dass diese Geldanlage den Kunden viel mehr kostet, als sie bringt. Zwar verspricht die Volksbank-Raiffeisenbank Niederschlesien noch symbolische 0,01 Prozent Zinsen aufs Tagesgeld. Doch sie verlangt neuerdings eine Kontogebühr von mindestens fünf Euro pro Monat. "Für den Sparer bedeutet das, dass er im Endeffekt einen Strafzins zahlen muss", sagt Daniel Franke, Betreiber der Vergleichsplattform Tagesgeld.info.

Wer beispielsweise 1000 Euro auf dem Tagesgeldkonto hat, würde pro Jahr zwar zehn Cent Zinsen bekommen; er müsste aber insgesamt 60 Euro Gebühr bezahlen. Dem Sparer blieben letztlich 940,10 Euro übrig - eine Rendite von minus sechs Prozent. Je mehr Geld ein Kunde der VR-Bank Niederschlesien auf seinem Tagesgeld-Konto hat, desto höher ist die Gebühr. Jedes Kopfkissen ist rentabler als dieses Tagesgeldkonto.

Zwar ist die Bank mit Sitz in Görlitz nicht das erste Geldhaus, dessen Sparkonten Geld kosten, statt Geld zu vermehren. "Doch die Volksbank Niederschlesien begeht einen Tabubruch, weil die negative Rendite schon ab dem ersten Euro anfällt", sagt Franke. Zuletzt hat die Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee sowie die Volksbank Stendal Strafzinsen in Höhe von minus 0,4 Prozent eingeführt - allerdings nur für Sparer, die mehr als 100 000 Euro auf ihrem Tagesgeld- oder Girokonto horten. Bei der Volksbank München und der Deutschen Skatbank werden negative Zinsen erst ab Einlagen von 500 000 Euro fällig. Deshalb sind jeweils nur sehr wenige Kunden betroffen.

Bei der VR-Bank Niederschlesien trifft die Gebühr dagegen sämtliche Tagesgeldkunden. "Wir bieten diesen Kunden zurzeit an, auf andere kostenlose Sparprodukte umzusteigen", sagt Bankvorstand Sven Fiedler, "zum Beispiel das Sparbuch oder Termingeldkonten". In dieser Übergangsphase verlange die Bank von ihren Bestandskunden noch keine Gebühren fürs Tagesgeldkonto. Deshalb sieht Fiedler keinen Grund zur Aufregung. Allerdings werden die Kunden unflexibler, wenn sie ihre Ersparnisse vom Tagesgeld auf Sparbücher oder Festgelder verlagern: Vom Sparbuch dürfen VR-Kunden nur höchstens 2000 Euro pro Monat abheben. Beim Termingeld kommen sie erst nach Ablauf einer Kündigungsfrist von 35 Tagen an ihr Geld. Derlei Beschränkungen kennt das Tagesgeld nicht; deshalb ist es eine beliebte Form der Geldanlage.

Mit der neuen Gebühr will Bankchef Fiedler allerdings nicht die Sparer strafen, sondern große Investoren abschrecken. "Wir wollen nicht, dass externe Kunden eine große Summe auf Tagesgeldkonten unserer Bank parken, um Negativzinsen bei anderen Banken zu entgehen." Immer wieder komme es vor, dass Neukunden sehr hohe Beträge bei der genossenschaftlichen Bank einlegen wollten, sagt Fiedler.

Doch wenn die Bank das viele Geld über Nacht bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parkt, muss sie seit März einen Strafzins in Höhe von minus 0,4 Prozent pro Jahr bezahlen. Bei einer Einlage von einer Million Euro wären das beispielsweise 4000 Euro Kosten pro Jahr.

"Es dient nicht dem Wohl unserer Mitglieder, wenn einzelne große Kunden der Gemeinschaft hohe Kosten verursachen", sagt Fiedler. Er will seine Genossen schützen vor den vielen Großanlegern, die zurzeit vor Strafzinsen flüchten.

Ganz im Sinne der aktuellen Zinspolitik

Wenn Fiedlers Kunden nun vom Tagesgeld in Termineinlagen wechseln, hat das für die Bank noch einen weiteren Vorteil: Sie kann das Geld langfristiger anlegen, etwa in Anleihen, und muss es nicht mehr täglich verfügbar halten. Das ist ganz im Sinne der aktuellen Zinspolitik: Die Banken sollen überschüssiges Geld nicht bei der EZB parken, sondern an Unternehmen und Haushalte verleihen, um die Wirtschaft in Europa zu beleben. Doch gerade in Regionen, in denen nur wenige Kredite nachgefragt werden, leiden die Banken unter den Nebenwirkungen dieser Politik: Sie verdienen kein Geld mehr mit den Einlagen ihrer Kunden.

Deshalb erhöhen sie zum einen die Gebühren für Giro- und nun auch für Tagesgeldkonten. Bislang waren Tagesgeldkonten stets kostenlos, weil sie der Bank viel weniger Aufwand verursachen als etwa Girokonten. Zum anderen bieten immer weniger Banken Sparzinsen an, die über der Inflationsrate liegen. Dem Vergleichsportal Verivox zufolge liegt der durchschnittliche Tagesgeldzinssatz regionaler Banken nur noch bei 0,02 Prozent pro Jahr. Höhere Zinsen erhalten Sparer vor allem bei Direktbanken und ausländischen Geldhäusern.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3231410
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 03.11.2016/bbr
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.