Villa Leopolda:Ein Märchen für 390 Millionen Euro

Ein Russe wollte die teuerste Privatvilla der Welt kaufen, dann zog er das Angebot zurück - nun gibt es Streit.

Von Stefan Ulrich

Der Stein des Anstoßes wirkt, als sei er nicht ganz von dieser Welt; als habe da ein Werbedesigner am Computer alle Elemente eines Mittelmeertraums zusammengemixt. Eine aristokratische, umbrafarbene Villa im Stil der Belle Epoque mit taubenblauen Läden, Pavillons und eleganten Nebengebäuden, ein ovales Schwimmbecken zwischen Buchsbaumhecken und Zitronenbäumchen, eine Zypressenallee, Rasenflächen, Rosenbeete, Olivenhaine, und drum herum ein acht Hektar großer immergrüner Park, der sich die Hänge der Côte d'Azur hinabzieht. Dann wäre da noch dieser Panoramablick hinüber zum Cap Ferrat und hinaus aufs blaue, mit weißen Yachten gesprenkelte Meer. Es ist kein Wunder, wenn sich an so einem Juwel Streit entzündet.

Villa Leopolda: Die Villa Leopolda, Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut vom belgischen König Leopold II.

Die Villa Leopolda, Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut vom belgischen König Leopold II.

(Foto: Foto: dpa)

Villa Leopolda heißt die charmante Immobilie. Die beiden Duellanten, die sich wegen ihr bekämpfen, könnten unterschiedlicher kaum sein. Hier die brasilianische Bankierswitwe Lily Safra, eine zierliche, ältere Dame, die sich nach einem bewegten Leben in höchsten Kreisen einer Stiftung für gute Werke widmet. Das Magazin Forbes zählt sie zu den tausend vermögendsten Menschen der Welt.

Noch begüterter ist Michail Prochorow, ihr Gegenspieler. Der 44 Jahre alte, baumlange russische Oligarch machte ein Vermögen im Metallgeschäft. Außer als Manager erregte er als Jetsetter Aufsehen. Sein Markenspruch lautet: "Du bist kein Milliardär, wenn du noch sagen kannst, wie viel Geld du hast."

Wintersitz des Geldadels

Ein solcher Mann braucht natürlich ein angemessenes Domizil an der Côte d'Azur. Lockt doch die Küste mit ihrem wintermilden Klima seit eineinhalb Jahrhunderten die Russen an. 1856 zog es die Zarenwitwe Alexandra Fjodorowna hierher. Ihr folgten etliche Angehörige der Aristokratie. Nach der Oktoberrevolution übersiedelten viele weitere russische Adelige in die Gegend um Nizza. In jüngster Zeit folgte der Geldadel in Gestalt von Oligarchen wie Roman Abramowitsch, der sich ein Anwesen namens Château de la Croé am Cap d'Antibes zulegte. Da wollte Prochorow nicht nachstehen. Sein Auge fiel auf die Villa Leopolda in Villefranche-sur-Mer, die Lily Safra 1999 von ihrem Mann geerbt hatte.

Doch die betuchte Dame wollte zunächst nicht verkaufen. Es folgten ein Briefwechsel und schließlich ein Angebot, das Madame kaum ablehnen konnte. 390 Millionen Euro offerierte der Oligarch für die Villa Leopolda, inklusive Mobiliar - die höchste Summe, die je für ein Privathaus geboten worden ist. Die reiche Witwe willigte ein. Im August 2008 wurde ein Vorvertrag unterzeichnet. Prochorow leistete eine Anzahlung von 39 Millionen Euro.

Der Millionendeal erstaunte sogar an der Côte d"Azur, wo man viel gewohnt ist. Gewiss, die Villa Leopolda liegt zauberhaft, verfügt über einen Hubschrauberlandeplatz und ist mit ihren 2700 Quadratmetern durchaus geräumig. Aber dieser Preis? Erklären lässt er sich allenfalls mit der reichen Geschichte des Hauses. Der belgische König Leopold II., der den Kongo grausam ausschlachten ließ, kaufte das Grundstück 1902 zum Preis von einem Franc. Er ließ den Grundbau der heutigen Villa errichten und soll dort Mätressen untergebracht haben.

"Das Recht muss angewendet werden"

Nach wechselvollen Jahrzehnten, in denen die Villa Leopolda auch als Lazarett für verwundete Offiziere diente, erwarb in den fünfziger Jahren die Familie Agnelli das Anwesen. Fiat-Chef Gianni Agnelli ließ hier Partys steigen, später feierte das Ehepaar Safra weiter. An erlesenen Gästen fehlte es nie, Frank Sinatra und Ronald Reagan, Prinzessin Caroline von Monaco und diverse Rothschilds gehörten dazu.

Die Finanzkrise kam dazwischen

Das Haus mit Geschichte verführte den russischen Multimilliardär jedenfalls, einen solchen Märchenpreis zu bieten. Dann brach die Weltfinanz- und Wirtschaftskrise los. Und dann fehlte Prochorow, warum auch immer, beim Notartermin. Lily Safra erklärte daraufhin, sie werde die Villa behalten. Sie stellte die zweieinhalb Dutzend Gärtner, Wächter und Zimmermädchen wieder ein und befand, nach französischem Recht dürfe sie die Anzahlung behalten.

Doch damit ist der Russe gar nicht einverstanden. Er argumentiert, aus allerlei Gründen sei der Vorvertrag unwirksam. Unter anderem sei ihm ein obligatorisches Rücktrittsrecht verweigert worden. Deswegen müsse er seine 39 Millionen zurückbekommen. In diesen Tagen hatte sich nun die zweite Kammer des Landgerichts Nizza mit dem Fall zu befassen. Sie wird voraussichtlich im März darüber entscheiden.

Der Streit um 39 Millionen Euro mag kleinlich wirken - angesichts der Verhältnisse. Einer der Anwälte des Oligarchen sagte dem britischen Daily Telegraph: "Beide sind immens reich. Beide muss man in Sachen Geld nicht beweinen. Aber das Recht muss angewendet werden." Das umstrittene Gebäude wird darunter wohl kaum leiden. Die Villa Leopolda hat schon etliche Besitzer kommen und gehen gesehen. So sonnt sie sich weiter im Glanz ihrer eigenen Schönheit, zwischen Zypressen, Pinien und Zitronen - halb Luxusimmobilie, halb Mittelmeertraum.

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