Vier Szenarien für die Euro-Rettung:So! Nein, so! Nein, so!

Sanfte Umschuldung? Haircut? Oder Rauswurf aus der Eurozone? Ökonomen und Politiker streiten, wie sich die Gemeinschaftswährung noch retten lässt. Nun bringen die "Fünf Weisen" eine neue Variante ins Spiel. Ein Überblick über die Ideen - und die Widerstände dagegen.

Catherine Hoffmann

Unmittelbar vor dem Euro-Gipfel am Donnerstag wächst der Druck auf Europas Politiker, einen Befreiungsschlag zu wagen. Die fünf deutschen "Wirtschaftsweisen" dringen in einem Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf einen Schuldenerlass für Griechenland. Die Ökonomen Beatrice Weder di Mauro, Wolfgang Franz, Christoph Schmidt, Peter Bofinger und Lars Feld, die den Sachverständigen Rat bilden, regen "für Irland und Portugal vergleichbare Umschuldungsprogramme" an. Außerdem gelte es, eine Ansteckung Italien und Spanien abzuwenden. "Letztlich wird sich die Gefahr der Ansteckung nur durch eine entschlossene und gemeinsame Aktion der Regierungen der Eurozone und der EZB bannen lassen", schreiben die fünf Weisen.

Griechenland-Hilfe

Griechenland sitzt in der Schuldenfalle. Manche Ökonomen befürchten Ansteckungsgefahr für Italien und Spanien. Mehrere Lösungsvorschläge werden diskutiert.

(Foto: dpa)

Die Zeit drängt: In Scharen ziehen Anleger Kapital aus schlingernden Staaten ab. Athen müsste heute 42 Prozent Rendite bieten, um sich für nur zwei Jahre Geld zu borgen. Gefordert ist also ein "Plan B". Die zentrale Frage dabei heißt: Wie lässt sich die Schuldenlast Griechenlands senken? Politiker suchen nach einer Therapie, die möglichst wenig weh tut - und dennoch wirkt. Ökonomen wie die fünf Weisen sind nicht überzeugt von der sanften Methode: Sie fordern immer öfter rigorose Einschnitte. Die SZ zeigt, welche Ideen auf dem Tisch liegen - und welche Widerstände es dagegen gibt.

Option: Freiwilliger Anleihentausch

Die sanfteste Variante sieht einen freiwilligen Umtausch alter griechischer Anleihen in neue Papiere vor. Der Hintergrund: Weil erhebliche Zweifel an der Zahlungsfähigkeit Griechenlands bestehen, sind die Kurse seiner Anleihen zum Teil auf 50 Prozent des ursprünglichen Wertes gefallen. Die Besitzer bekämen bei einem Verkauf also nur noch die Hälfte des verliehenen Geldes zurück. Gleichzeitig müsste die griechische Regierung derzeit extrem hohe Zinsen zahlen, um Abnehmer für neue Anleihen zu finden. Deshalb leiht sich Griechenland sein Geld derzeit nicht am Markt, sondern bei Rettungsfonds der Euro-Länder und des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Nun wird überlegt, dass möglichst viele Geldgeber Athens ihre alten Staatsanleihen in neue mit längerer Laufzeit - bis zu 30 Jahren - und niedrigeren Zinsen tauschen sollen. Damit wäre Griechenland geholfen: Seine Zinszahlungen würden auf Jahrzehnte gestreckt, zumindest ein Teil des Finanzbedarfs wäre langfristig gesichert. Und die Anleger dürften hoffen, ihr Geld wiederzusehen. Der Nachteil: Die Ratingagenturen würden Griechenland wohl auch bei der sanften Umschuldung für zahlungsunfähig erklären.

Auch ist fraglich, ob sich eine nennenswerte Zahl von Gläubigern auf die Umwandlung einlässt. In jedem Fall würde die Schuldenlast Athens nur geringfügig sinken. Das Land wäre weiter auf massive Hilfe der Euro-Partner und des IWF angewiesen. Das Geld, so lautet eine französische Variante dieses Szenarios, könnte durch eine Bankensteuer eingetrieben werden.

Option: Rückkauf von Anleihen

Im Moment scheint die Politik den Rückkauf griechischer Anleihen zu favorisieren. Der ginge so: Griechenland kauft seine Papiere von den Banken zurück und zahlt dafür viel weniger, als die Anleihen nominal wert sind. Getilgt würde also nur ein Teil der Kredite, der Rest würde dem Land erlassen. Das Geld für die Rückkäufe bekäme Athen vom Rettungsfonds EFSF. Wie stark die Schuldenlast sinken würde, hängt davon ab, wie viele Anleihen die Regierung zu welchem Preis zurückkauft. Die große Frage dabei ist, zu welchen Konditionen Banken und Versicherungen die Papiere überhaupt verkaufen wollen und ob sich an dem Rückkauf auch öffentliche Gläubiger wie die EZB beteiligen würden.

Hier setzen die Fünf Weisen an. Sie plädieren für einen Schuldenschnitt von 50 Prozent verbunden mit dem Angebot an die Gläubiger, ihre Anleihen in Papiere des EFSF umzuwandeln. So würden Athens Schulden auf den EFSF übergehen. Um die EZB mit ins Boot zu holen, solle sie ihre Griechenland-Anleihen zum Ankaufskurs in EFSF-Bonds umtauschen können. Allerdings müsste dafür der Rettungsfonds kräftig aufgestockt werden - von 440 auf mindestens 700 Milliarden Euro. Nicht ganz geklärt ist die Frage, ob die Ratingagenturen dieses Szenario als "teilweisen Zahlungsausfall" werten würden. Wahrscheinlich wäre die Europäische Zentralbank in diesem Fall nicht mehr bereit, griechische Staatsanleihen als Sicherheit zu akzeptieren. Das könnte griechische Banken ins Wanken bringen, wenn sie nicht anders finanziert würden, etwa über den EFSF. Auch die Ansteckung anderer Schuldenstaaten wären nicht gebannt.

Option: Großer Schuldenerlass

Eine radikale Variante wäre ein "Haircut", also ein klarer Schuldenschnitt, dem sich kein Gläubiger entziehen kann. Commerzbank-Chef Martin Blessing hat dies ausbuchstabiert. Sein Vorbild: Die Umschuldung Mexikos unter dem früheren amerikanischen Finanzminister Nicholas Brady. Konkret müssten Athens Gläubiger gezwungen werden, ihre Bonds mit einem Abschlag von 30 Prozent in 30 Jahre laufende Papiere mit einem geringen Zinssatz zu tauschen. Die neuen Anleihen würden mit einer gemeinschaftlichen Garantie der Euro-Länder versehen. Die Gläubiger müssten also auf 30 Prozent ihrer Forderungen verzichten, entsprechend würde die griechische Schuldenlast gesenkt.

Der Vorteil: Die Investoren hielten Papiere mit erstklassigen Bonitätsnoten in Händen, die sie am Markt jederzeit veräußern könnten. Und Athen bekäme einen spürbaren Schuldenschnitt. Der Pleite-Status bei den Ratingagenturen wäre aber nicht zu vermeiden - mit den bekannten Konsequenzen für die griechischen Banken. Ihnen müsste unbedingt geholfen werden.

Ökonomen halten die Brady-Bonds dennoch für eine sinnvolle Lösung, allerdings bestünde die Gefahr, dass Griechenland den Schuldenerlass als Geschenk einsackt - und weiterwurstelt wie gehabt. Mit Blick auf kriselnde Länder wie Irland und Portugal warnt der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos zudem: "Keiner sollte den Dominoeffekt unterschätzen."

Option: Raus aus dem Euro

Wenn ein Land nicht zur Euro-Zone passe, könne man es nicht daran binden, heißt die Logik derer, die sich jeder Rettung verweigern und den Austritt Griechenlands aus dem Euro fordern. Harte Umschuldungsverhandlungen mit den Gläubigern wären unausweichlich - und damit der Staatsbankrott. Athen müsste seine Banken verstaatlichen und Kapitalverkehrskontrollen einführen, damit die Bürger nicht alle Ersparnisse ins Ausland schafften. Griechenland bekäme eine eigene Währung, die gegenüber dem Euro kräftig abwerten müsste.

So könnte das Land, dessen Löhne und Preise überteuert sind, langfristig wieder wettbewerbsfähig werden. Athen wäre allerdings für viele Jahre vom Kapitalmarkt abgeschnitten. Vor allem aber: Eine Börsenpanik könnte weiter Länder aus dem Euro katapultieren.

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