Süddeutsche Zeitung

Verwandlung:Hamburgs höchster Garten

Ein Investor will einen Bunker im Stadtteil St. Pauli spektakulär umwandeln. Das Gebäude wird aufgestockt und grün.

Von Sabine Richter

Die Umwidmung von Bunkern zu Wohnungen, Galerien oder Clubs ist nichts Außergewöhnliches mehr, das zeigen viele Beispiele. In manchen Städten stehen noch viele solcher Betongiganten; angesichts steigender Mieten und wachsenden Flächenmangels rechnen sich auch höhere Investitionen in ein ziviles Nachleben. Die Pläne für den sogenannten Flakturm IV im Hamburger Stadtteil St. Pauli sind dabei in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich. Auf dem Dach des grauen Klotzes, der im Jahr 1942 von Zwangsarbeitern in 300 Tagen erbaut wurde, soll laut Investor ein Stadtteilgarten mit 7500 Quadratmetern öffentlichen Grün- und Gemeinschaftsflächen angelegt werden. In neu aufgesetzte Geschosse sollen verschiedene kulturelle und stadtteilbezogene Nutzer einziehen.

Dabei wächst das Bauvorhaben "Hilldegarden", wie es die Initiatoren getauft haben, sozusagen von unten. Seit zwei Jahren arbeiten 50 Anwohner, Architekten und Denkmalinteressierte gemeinsam an der Umsetzung. Auf mehr als 20 öffentlichen Veranstaltungen und Ideenworkshops wurde über das Projekt informiert, diskutiert und zum Mitmachen eingeladen. Die Planer träumen von einem Park mit Ausblick auf die Dächer von St. Pauli, von einem Zufluchtsort für gestresste Städter. Seit Langem wird über fehlende Grünflächen im Stadtteil geklagt.

Das denkmalgeschützte Gebäude soll durch fünfgeschossige Aufbauten erweitert werden

Die dschungelähnliche Bepflanzung des Daches und der Außenrampe soll sich nach den Plänen vom Haupteingang um den Bunker herum bis zum Dach schlängeln. Der terrassenartig angelegte Garten auf fast 60 Metern Höhe soll das ganze Jahr über grün sein, deshalb würden robuste, heimische Gewächse gepflanzt, die natürlich und ein bisschen zerzaust und windschief aussehen, erläuterte der zuständige Landschaftsarchitekt Felix Holzapfel-Herziger. Ein aufwendiges Bewässerungskonzept speist das Ganze, mindesten zwei Gärtner dürften dauerhaft beschäftigt sein.

Das Projekt gelte weltweit als einzigartig, sagen die Planer. Am ehesten sei es zu vergleichen mit dem Bosco Verticale in Mailand, einem mit Pflanzen und Bäumen bewachsenen Hochhaus. "Bezüglich der Entwicklung öffentlicher Grünflächen gibt es neben den Prinzessinnengärten in Berlin und der Promenade Plantee in Paris zahlreiche Projekte, die gezeigt haben, dass Stadtkultur mit privater Initiative und guter Zusammenarbeit mit der Kommune intelligent und nachhaltig weiterentwickelt werden kann", sagt Robin Houcken, Leiter des Planungsbüros Bunker. Das Planungsbüro koordiniert Planer und Architekten wie Metapol Planungsbüro, BUERO51 Architekten, Landschaftsarchitektur + sowie weitere Experten, die mit der Planung und Umsetzung des Projekts betraut sind.

Der denkmalgeschützte Bunker soll durch fünfgeschossige Aufbauten erweitert werden. "Die geplante Aufstockung basiert auf einer Art Tischkonstruktion, die über dem jetzigen Bunkerdach installiert wird und eine klare architektonische Trennung zum Bestand sicherstellt", erklärt Architekt Michael Kuhn. "Baulich ist das Vorhaben weniger herausfordernd, als es auf den ersten Blick erscheint", sagt Houcken. Die Herausforderungen lägen eher im architektonischen Bereich. Dabei komme es darauf an, dass eine möglichst lebendige Fassadengestaltung und Begrünung den Charakter eines Berges entstehen lasse und gleichzeitig der darunter liegende Bestand davon abgetrennt in seiner Gestalt unberührt bleibe.

Derzeit sind 7500 Quadratmeter gewerbliche Nutzflächen geplant. Vorgesehen ist eine Halle für den Breitensport, für die auch der FC St. Pauli Interesse signalisiert hat und die auch für Kultur- und Musikveranstaltungen genutzt werden kann. Dazu kommen Stadtteilräume für soziale Projekte, eine Gedenkstätte, Gästezimmer für Künstler sowie Gastronomie. Öffentliche und gewerblich genutzte Flächen sollen zu etwa gleichen Teilen vertreten sein. Ein städtebaulicher Vertrag sichert diesen Status für die gesamte Dauer des Erbpachtvertrages ab. Die geschätzten Umbaukosten von etwa 30 Millionen Euro für den Park und die innenliegenden Räume sowie der Unterhalt des "grünen Berges" werden durch den Erbpächter Matzen Immobilien GmbH & Co. KG getragen und über die neuen Mietflächen finanziert. Direkte öffentliche Zuschüsse der Stadt wird es für Bau und Betrieb nicht geben.

Die Firma hat den Bunker bis zum Jahr 2053 gepachtet. Dieser Vertrag soll nun gegen Bereitstellung und Pflege der öffentlichen Park- und Nutzflächen um rund 60 Jahre verlängert werden. Der Bunker bleibt in der Verwaltung des Erbpächters beziehungsweise seiner Firma EHP (Erste Hanseatische Projektmanagement).

Der ehemalige Flakbunker hat bereits Mediengeschichte geschrieben. Hier entstand der nordwestdeutsche Rundfunk unter Kontrolle der Briten, hier wurden Zeitungen entwickelt, und auch die ersten Fernsehversuche starteten hier. Vom Heiligengeistfeld aus wurde am 26. Dezember 1952 die erste Tagesschau ausgestrahlt. Später machte der Fotograf Franz C. Gundlach den Bunker mit seiner Firma PPS zu einem Ort der Fotografie. 1993 verkaufte Gundlach PPS das Objekt an den Unternehmensberater Thomas J. C. Matzen, der den Bunker mit etwa 12 000 Quadratmetern Mietfläche zum Zentrum für kleine Medienfirmen und der Kultur- und Kreativwirtschaft ausbaute.

Anfang 2014 gelang es der Hilldegarden-Initiative, Thomas Matzen von ihrer Vision zu überzeugen. "Mir war schnell klar, dass dies nicht nur faszinierend, sondern auch eine natürliche Weiterentwicklung der heutigen Nutzung sein würde", sagt Matzen. Im Juli 2015 wurde dann der Bauantrag beim zuständigen Bezirksamt eingereicht.

Allerdings: Gegen das Projekt hat es immer auch Widerstände gegeben. So bemängeln manche Kritiker, dass die Bürgerbeteiligung nicht ausreichend gewesen sei. Anwohner befürchten außerdem, dass die Verkehrsbelastung deutlich steigen könnte. Auf diversen Veranstaltungen wurde neben dem Beteiligungsverfahren auch das Projekt selbst infrage gestellt. Manche Kritiker befürchten, dass der Bunker durch die Aufstockung und Begrünung seinen ursprünglichen Charakter verlieren könnte.

Die Stadt Hamburg äußert sich nicht zu dem laufenden Verfahren. Matzen und die Hilldegarden-Macher sind fest davon überzeugt, dass in diesem Herbst Baubeginn sein wird. "Neben der Entwicklung und Abstimmung der Konzepte mit dem Verein Hilldegarden sind die Bedürfnisse der Anwohner, des Bezirks und der Stadt umfassend in die Verträge und Vereinbarungen eingeflossen", begründet Matzen seine Zuversicht. Nach 18 Monaten Bauzeit, also im Jahr 2018, könnte der Stadtgarten auf dem Bunker fertig sein.

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Quelle:
SZ vom 20.05.2016
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