Versicherungsaktien im Sinkflug:Der Nächste, bitte

Nach den Banken werden nun auch die Versicherer Opfer des Börsenkrachs. Fallende Aktienkurse und Zinsen setzen Konzerne unter Druck.

Catherine Hoffmann

Die letzten Illusionen schwinden. Spätestens seit klar ist, dass nicht nur über den Aktienbörsen der Sturm fegt, sondern auch weite Teile des Rentenmarkts einbrechen, fliehen die Anleger aus Versicherungsaktien. Lange Zeit hielten sich die Kurse von Branchengrößen wie Allianz, der italienischen Generali oder der niederländischen Aegon besser als die Dividendenpapiere von europäischen Banken. Doch seit ein paar Wochen gibt es kein Halten mehr. "Rette sich, wer kann", heißt die Devise, seit die Aktionäre begriffen haben, dass die Aktien der Assekuranzen nichts anderes sind als eine Wette darauf, dass der kranke Kapitalmarkt schnell gesundet.

Versicherungsaktien im Sinkflug: Die Entwicklung der Aktien wichtiger Versicherungsunternehmen sehen Sie in dieser Grafik.

Die Entwicklung der Aktien wichtiger Versicherungsunternehmen sehen Sie in dieser Grafik.

(Foto: Grafik: SZ)

"Für die Versicherungskonzerne ist die Welt heute eine vollkommen andere als noch vor 18 Monaten", sagt Werner Hölzl von der Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC), die Ende 2008 eine Umfrage unter mehr als 400 Versicherungsmanagern durchführen ließ. Die drei am häufigsten genannten Probleme - sinkende Renditen, schwankende Aktienmärkte und Kapitalknappheit - treffen die Branche demnach hart.

Es ist noch nicht lange her, da hielten sich die Versicherer für immun gegen das Siechtum an den Börsen. "Die Finanzmarktkrise ist keine Krise der Versicherer", sagte Bernhard Schareck, Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) im November. Und Michael Diekmann, Vorstandschef des Branchenprimus Allianz, bezeichnete das Wertpapierportfolio seines Konzerns im Oktober als "eines der sichersten überhaupt".

Hohe Abschreibungen

Selbstbewusst zeigten sich die Versicherer, weil ihnen - anders als vielen Banken - kein Versiegen des Geldflusses drohe. Schließlich strömten Monat für Monat Beiträge in die Kassen, die deutlich über den Auszahlungen lägen. Zudem habe die Assekuranz im Vergleich zu den Kreditinstituten bisher nur geringe Abschreibungen auf spekulative Wertpapiere vornehmen müssen. Ein Fall wie AIG - der US-Versicherer mutierte zum Hedgefonds und verzockte ein Vermögen - sei in Deutschland unvorstellbar. Und doch hinterlässt die Finanzkrise immer tiefere Spuren.

So hat die Allianz im vergangenen Jahr 3,3 Milliarden Euro abgeschrieben, 2,9 davon entfielen auf Kursverluste im Aktiengeschäft. Wie dem Münchner Konzern erging es vielen. Um das Risiko zu begrenzen, haben die Portfoliomanager Dividendenpapiere verkauft. "Die Aktienquote der Lebensversicherer ist durch Verkäufe und Kursrückgänge auf ein bis fünf Prozent geschrumpft", schätzt Robert Mazzuoli, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Nun könnte man sagen: Hier droht nicht mehr viel Ungemach.

Die großen Risiken sehen die Analysten jetzt bei den Anleihen. Staatsanleihen, Pfandbriefe, Schuldscheindarlehen und Unternehmensanleihen machen den Löwenanteil in den Depots aus. Weil aber Banken, Industrieunternehmen, ja ganze Staaten auf der Kippe stehen, ist die Nervosität groß. "Die Diskussion über die Stabilität des Euro und den möglichen Bankrott einzelner Länder ist Gift für deren Staatsanleihen", sagt Konrad Becker, Analyst der Privatbank Merck, Finck & Co. "Die Angst drückt die Kurse der Rentenpapiere, den Versicherern drohen deshalb Abschreibungen."

Lesen Sie im zweiten Teil, warum auch das Tagesgeschäft der Versicherer nicht mehr so gut läuft - und warum deutsche Bundesanleihen nur eine relativ geringe Rendite abwerfen.

Der Nächste, bitte

Dabei sieht es bei den Staatsanleihen noch gut aus, zumindest bei den deutschen, weil viele Anleger sie als sicheren Hafen ansteuern. Das allerdings drückt die Renditen. Für zehnjährige Bundesanleihen gibt es derzeit nur noch 2,9 Prozent; der Garantiezins, den die Versicherer ihren Kunden versprochen haben, liegt in Deutschland aber bei rund 3,3 Prozent. Und eine Überschussbeteiligung erhoffen sich viele Sparer auch noch. Das bringt die Versicherungsmanager in Schwitzen: Um höhere Renditen zu erzielen, müssen sie größere Risiken eingehen - oder die Reserven anknabbern. Beides ist gefährlich.

Neben den Staatsanleihen haben die Versicherer vor allem auf Pfandbriefe und Schuldscheindarlehen gesetzt, die lange Zeit als erstklassige Anlagen galten. Während die Pfandbriefe bis auf wenige Ausnahmen - Papiere der Hypo Real Estate - noch als sicher angesehen werden, erlitten Schuldscheindarlehen kräftige Kursverluste. "Schuldscheindarlehen haben rund ein Viertel ihres Wertes eingebüßt," sagt Carsten Zielke, Analyst der Société Générale. Die Versicherer stecken in der Klemme: Sie haben grob geschätzt ein Viertel ihrer Kapitalanlagen in diese Papiere investiert, die zumeist von Banken begeben wurden. "Der hohe Konzentrationsgrad von Schuldscheindarlehen in den Portfolios birgt ein Investitionsrisiko", sagt Zielke deshalb.

Zwar sind Schuldscheindarlehen durch die Einlagensicherung geschützt, genauso wie die Spareinlagen privater Bankkunden auch. Kritisch würde es für die Versicherung erst, wenn die Bank pleite geht, die das Papier emittiert hat, und der Staat nicht einspringt. Es bleibt aber die Frage, wieviel der Schutz des Staates wert ist, wenn Banken reihenweise kippen. Der Kursverlust der Papiere drückt die Zweifel der Anleger aus.

Kein Anlass zum Jubeln

Auch das reine Versicherungsgeschäft gibt keinen Anlass zum Jubeln, vor allem bei den Lebensversicherern: Das Neugeschäft stagniert; alte Verträge werden im Abschwung häufiger gekündigt als in guten Zeiten. Und fondsgebundene Policen, die mit Kapitalgarantien ausgestatten sind, kosten die Unternehmen inzwischen sehr viel Geld, weil die Absicherung gegen Verluste teuer geworden ist.

"Während die Versicherer in den ersten Quartalen der Finanzkrise noch wenig betroffen schienen, fressen sich jetzt die Kursverluste durch die Bilanzen", sagt Becker. "Schon im abgelaufenen Geschäftsjahr mussten hohe Abschreibungen verkraftet werden." Die Anleger fürchten deshalb, dass bei weiteren Abschreibungen die Eigenkapitalbasis der Versicherungen angegriffen wird. Noch allerdings gibt es Reserven - etwa aus nicht realisierten Gewinnen; bei der Allianz betrugen allein diese Ende 2008 noch 2,9 Milliarden Euro. Spätestens, wenn alle Reserven aufgebraucht sind, benötigen die Versicherungen aber frisches Kapital. Eine Kapitalerhöhung aber würde die Rechte der Altaktionäre verwässern: Ihr Anteil am Unternehmensgewinn und an der Dividendensumme ginge zurück.

Das freut keinen Anleger, zumal Aktionäre von Versicherungen schon im Hintertreffen sind: Wenn es gut läuft an der Börse und sich das Kapital der Assekuranz hoch verzinst, bekommen die Aktionäre nur eine kleinen Anteil vom Profit. In der Lebensversicherung werden die Erträge zwischen Kunden und Aktionären im Verhältnis neun zu eins geteilt. Wenn es aber schlecht läuft, ist der Kunde durch Kapitalgarantien und Mindestverzinsungen geschützt, der Aktionär hat das Nachsehen: Drei Viertel ihres Werts haben die Aktien europäischer Versicherer seit Sommer 2007 eingebüßt.

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