Süddeutsche Zeitung

Versicherung:Was tun, wenn der Antrag auf BU-Schutz abgelehnt wird?

Der Bund der Versicherten schätzt, dass zwischen 25 und 35 Prozent aller Anträge auf Berufsunfähigkeitsschutz abgelehnt werden. Doch das bedeutet keineswegs ein endgültiges Nein.

Von Marina Engler

"Niemand ist perfekt!" In Bezug auf eine Versicherung gegen Berufsunfähigkeit (kurz: BU) bedeutet das: Jeder Mensch bringt irgendein potenzielles Risiko mit. Der Versicherer wird Alter, Beruf, Hobbies und Vorerkrankungen des Antragstellers beurteilen und ihn anschließend einer Risikoklasse zuordnen. Da dieses Vorgehen immer nur eine Schätzung sein kann, fällt die Einteilung derselben Person bei verschiedenen Anbietern oft unterschiedlich aus. Wer beim ersten Mal abgelehnt wurde, sollte daher auf keinen Fall direkt aufgeben.

Wenn es nicht klappt, erneut versuchen

"Was bei einem Anbieter zum Ausschluss führt, kann bei einem anderen lediglich einen Risikozuschlag bedeuten", fasst Rita Reichard von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen die Annahmepolitik der Branche zusammen. Wer mit dem Ergebnis der ersten Anfrage nicht zufrieden ist, sollte es bei einem oder mehreren anderen Anbietern versuchen.

Wichtig ist, dass schon die erste Anfrage anonym erfolgt ist oder zumindest mit der Versicherung vereinbart wurde, dass die Daten nicht ins Hinweis- und Informationssystem (HIS) des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) wandern (was die Versicherung vor Vertragsschluss wissen muss, lesen Sie hier). Ansonsten stehen die Chancen bei einer erneuten Anfrage schlecht, da bereits alle Anbieter von der Ablehnung wissen. Um Fehler zu vermeiden, empfiehlt es sich, mit einem spezialisierten Versicherungsberater zusammenzuarbeiten. Hier helfen die Verbraucherzentralen weiter.

Manche Berufsgruppen haben neben der privaten Anfrage auch die Möglichkeit, über den Betrieb oder Berufsverbände einen BU-Vertrag zu erhalten. Diese Gruppentarife sind allgemeiner und daher günstiger als eine Absicherung des individuellen Risikos. Ob eine solche Möglichkeit besteht, muss jeder selbst nachfragen. Entscheidend ist, dass der Vertrag auch bei einem Jobwechsel mitgenommen werden kann.

Abgespeckter Versicherungsschutz

Wer nach gründlicher Recherche feststellt, dass die angebotenen Policen schlichtweg zu teuer sind, kann an weiteren Stellschrauben drehen. Zwar ist es grundsätzlich sinnvoll, eine möglichst hohe BU-Versicherung abzuschließen (auf welche Klauseln Sie dabei achten sollten, lesen Sie hier). Doch ein abgespeckter Schutz ist besser als keiner.

  • Geringere Rente: Grundsätzlich sollte die Rentenhöhe etwa zwischen 1000 Euro für Einzelpersonen und 2000 Euro für Familien liegen, um laufende Kosten decken zu können. Ist das unbezahlbar, kann man den Betrag senken, zum Beispiel auf 800 Euro. Das ist besser als kein Schutz und höher als Hartz IV oder die Grundsicherung. Ein weiterer Pluspunkt: Enthält der Vertrag eine Nachversicherungsgarantie, was unbedingt zu empfehlen ist, kann der Betrag später erhöht werden, sobald es die eigene Finanzlage zulässt.
  • Kürzere Versicherungsdauer: Eine kürzere Versicherungsdauer als bis zum 67. Lebensjahr wird eigentlich nicht empfohlen. Doch wie bei der Rentenhöhe gilt: Besser bis zum 65. oder 63. Lebensjahr abgesichert als gar nicht. Bestimmte Berufsgruppen wie Polizisten, Kraftfahrer oder Dachdecker bekommen oftmals gar keine anderen Verträge angeboten. Wichtig ist, dass nur die Versicherungs-, nicht die Leistungsdauer, gekürzt wird. Tritt dann eine Berufsunfähigkeit im vereinbarten Zeitraum ein, muss die Versicherung trotzdem bis zum 67. Lebensjahr zahlen. Eines sollte dabei jeder bedenken: Wird man in der nicht abgesicherten Zeit berufsunfähig, müssen alle Ersparnisse aufgebraucht werden, bevor es Hilfe vom Staat gibt. Besteht Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente, wird auch die Altersrente entsprechend gekürzt.
  • Schlechtere Konditionen: Abstriche bei den Vertragsbedingungen sind eine weitere Möglichkeit, den BU-Beitrag zu senken. Welche dabei als unantastbar gelten sollten, ist von Person zu Person verschieden. Anstatt die Rentenhöhe zu schmälern, kann man auf die Leistungsdynamik verzichten. Als Konsequenz gibt es eine geringere Rente, je später die BU eintritt. Personen, die einen sehr spezialisierten Beruf ausüben, etwa ein Architekt für Inneneinrichtungen aus recyceltem Kunststoff, können die abstrakte Verweisung zulassen, da sie vermutlich auf keinen anderen Job verwiesen werden können. Wer eine Krankentagegeld-Versicherung hat, kann auf die rückwirkende Leistung verzichten. Dann muss der Versicherer erst zahlen, wenn die BU bewilligt ist. Auch für Beamte, die einen staatlichen Dienstunfähigkeitsschutz haben, kann das eine Variante sein. Alternativ kann auch der Prognosezeitraum, für den der Arzt eine BU diagnostizieren muss, von den üblichen sechs auf zwölf Monate verlängert werden. Bei vielen dieser Kompromisse steigt allerdings auch die Gefahr, dass eine BU nicht anerkannt wird. Letztlich muss jeder gemeinsam mit seinem Berater entscheiden, ob die schlechteren Konditionen das Einsparpotenzial wirklich wert sind.

Bessere Konditionen zu einem späteren Zeitpunkt

Wer einen Vertrag mit Nachversicherungsgarantie abgeschlossen hat, kann einige Konditionen des BU-Schutzes im Laufe seines Arbeitslebens nachbessern. Vor allem, wenn durch eine Beförderung mehr Geld zur Verfügung steht oder durch Heirat oder Geburt mehr Menschen vom Einkommen abhängen, empfiehlt sich das.

Manchmal ergibt es sich sogar, dass eine bestimmte Krankheit so lange zurückliegt oder der neue Job so viel ungefährlicher ist, dass man später im Leben einen günstigeren Vertrag mit besseren Konditionen bekommen kann. Dann ist es jederzeit möglich, einen neuen (anonymen) Antrag zu stellen. Allerdings sollte man den ersten Vertrag unbedingt dann erst kündigen, wenn die neue Versicherung vollends abgeschlossen ist. Sonst steht man im schlechtesten Fall ohne BU-Schutz da.

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