Versicherung:Was sind die häufigsten Streitfälle bei der BU-Rente?

Eine Versicherung gegen Berufsunfähigkeit kostet viel. Umso ärgerlicher ist es, wenn der Anbieter im Fall der Fälle nicht zahlt. Manche Streitigkeiten kann man vermeiden, bei anderen hilft nur der Gang zum Anwalt.

Von Marina Engler

Traue keiner Versicherung - im Zweifelsfalle zahlt sie eh nicht. Diese landläufige Meinung kursiert besonders für den Schutz vor Berufsunfähigkeit (kurz: BU). Verbraucherschützer berichten immer wieder von jahrelangen, zermürbenden Streitigkeiten zwischen Berufsunfähigen und ihrer Versicherung, aus der die Kranken meist als Verlierer hervorgehen.

Ob es nur wenige schwarze Schafe gibt oder die ganze Branche versucht, teure Rentenzahlungen zu vermeiden, lässt sich schon deshalb nicht sagen, weil die einzelnen Versicherer die Zahl der Ablehnungen streng geheim halten. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft betont, dass in etwa 70 Prozent der Fälle eine BU-Rente gezahlt werde. Daraus ergibt sich, dass es in 30 Prozent der Fälle, also fast einem Drittel, zu Auseinandersetzungen kommt. Branchenkenner wie Hans-Peter Schwintowski, Professor für Privatversicherungsrecht an der Berliner Humboldt-Universität, schätzen sogar, dass bei manchen Krankheiten bis zu 60 Prozent aller Anträge auf eine BU-Rente zunächst einmal abgelehnt werden.

Falsche Angaben werden zum Fallstrick

"In unseren Beratungen berichten Betroffene sehr oft, dass die BU-Rente verweigert wird, weil es ein Problem mit den Gesundheitsfragen gibt", sagt Rita Reichard von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Die meisten Versicherungen forschen erst zu diesem Zeitpunkt nach, ob damals bei Vertragsabschluss alles korrekt beantwortet wurde. Ist irgendeine Krankheit nicht oder nicht korrekt angegeben worden, berufen sich die Versicherer auf das Verletzen der vorvertraglichen Anzeigepflicht und verweigern die Zahlung. Viele Kranke geben dann auf, weil sie sich weder seelisch noch finanziell einen Gutachterstreit leisten können.

Mittlerweile ist es aber bedeutend leichter geworden, dieses Argument im Keim zu ersticken. Mehrere Urteile des Bundesgerichtshofs (unter anderem BGH IV ZR 119/06 vom 5. März 2008 hier) haben bestätigt, dass die Versicherung die Angaben nicht erst dann überprüfen darf, wenn der Versicherte einen Antrag auf BU-Rente stellt. Selbst wenn ein Antragsteller unlogische oder unvollständige Angaben macht, darf die Versicherung ihm nicht rückwirkend die Zahlung verweigern, wenn sie bei der Antragstellung keine Rückfragen dazu gestellt hat. Immerhin hat der Anbieter ein Risiko und somit auch einen Beitrag für den Versicherten festgelegt. Was bei Vertragsabschluss nicht geprüft wurde, darf die Versicherung dem Erkrankten auch später nicht anlasten.

Manchmal ist krank nicht krank genug

Mehr als ein Drittel der Anträge auf eine BU-Rente werden mit der Begründung abgelehnt, die 50 Prozent-Hürde sei nicht erreicht. Die Versicherung bezweifelt also, dass der Betroffene so krank ist, dass er seinen aktuellen Beruf zu weniger als 50 Prozent der Zeit ausüben kann (ab wann die Versicherung greift, lesen Sie in diesem Ratgeber-Text). Teilweise ficht die Versicherung auch die ganze Krankheit an. Vor allem bei Depressionen oder Burn-Out reichen die Nachweise oft nicht aus.

In all diesen Situationen ist es wichtig zu wissen, dass es sich nicht um eine entgültige Entscheidung handelt. "Egal, wie hart die Ablehnung Sie trifft, versuchen Sie, sich nicht entmutigen zu lassen", sagt Rita Reichard. Um sein Recht durchzusetzen, sollte man sich Unterstützung bei einem spezialisierten Anwalt suchen. Den Kontakt können die Verbraucherzentralen, örtliche Anwaltskanzleien oder unabhängige Versicherungsberater herstellen.

Viele sind überfordert

Auch der Versicherungsberater Helge Kühl rät allen Betroffenen, sich direkt an einen unabhängigen Berater oder Anwalt zu wenden, falls die Versicherung nicht zahlt. "Viele, die berufskrank werden, sind völlig damit überfordert, sich neben ihrer Krankheit auch noch mit der Versicherung auseinanderzusetzen." Ein Experte, der Erfahrung mit dem Durchsetzen von BU-Ansprüchen hat, könne in solchen Situationen den Schriftwechsel mit der Versicherung übernehmen und in der Regel die Anerkennung durchsetzen.

Um finanzielle Schwierigkeiten zu vermeiden, empfehlen Verbraucherschützer, zeitgleich mit dem BU-Schutz eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen. Sollte es später zu Streitigkeiten kommen, übernimmt diese die Anwaltskosten. Wer keine Rechtsschutzversicherung hat und dennoch Unterstützung von einem Fachmann braucht, kann nach einem Berater oder einem Anwalt suchen, der auf Erfolgsbasis arbeitet. Dann muss man erst ein Honorar zahlen, wenn die Versicherung die BU anerkennt.

Spezialisierte Anwälte kennen sich aus

Sollte die Versicherung sich auch von einem Anwalt oder einem weiteren ärztlichen Gutachten nicht umstimmen lassen, bleibt als letzte Möglichkeit der Gang vor Gericht. Immer wieder berichten Anwälte, dass es einige Versicherungen bei besonders hohen erwarteten Rentenleistungen offenbar darauf ankommen lassen. Da ein solcher Schritt sowohl finanziell als auch seelisch belastend ist und zudem einige Jahre bis zum Urteil vergehen können, geben viele Erkrankte vorher auf.

Verbraucherschützer ermutigen jedoch dazu, die Versicherer mit einer unberechtigten Ablehnung nicht durchkommen zu lassen. Zum einen haben die Betroffenen einen Anspruch auf ihre Rente und bekommen diese in der Mehrzahl der Fälle auch gerichtlich zugesprochen - entweder direkt oder in Form eines Vergleichs. Zum anderen sind Urteile, die vor dem Bundesgerichtshof oder dem Bundesverfassungsgericht gefällt wurden, für alle Versicherungen rechtlich bindend. So ist nicht nur der Person geholfen, die geklagt hat, sondern auch allen, die danach vor dem gleichen Problem stehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: